Hallo ihr Lieben!
Ich entschuldige mich schon im Vorhinein für den langen Text, aber es fällt mir schwer, mich kurz zu fassen, weil mir dieses Thema so wichtig ist und ich auch hoffe, dass ihr euch in meinen Ausführungen wieder erkennt und dadurch etwas für euch mitnehmen könnt.. Ich konnte es jedenfalls bei euren Kommentaren. Ich bin so froh, dieses Forum gefunden zu haben.
Es war schon mal eine riesige Erleichterung, überhaupt herauszufinden, woher meine seltsamen, paradoxen Verhaltensweisen in meiner Beziehung kommen und dass es einen Namen dafür gibt. Seit ich weiß, dass es so etwas wie Beziehungsangst gibt, fühle ich mich meinem Freund gegenüber nicht mehr ganz so schuldig, weil ich nun weiß, dass ich bis zu einem gewissen Grad nichts dafür kann. Was aber nicht heißen soll, dass ich nicht an mir arbeiten will. Im Gegenteil, jetzt, wo ich mein Problem beim Namen nennen kann, weiß ich endlich, wo ich ansetzen muss. Ich bin mir nämlich darüber im Klaren, dass es nun an mir liegt, diese Verhaltensmuster zu durchbrechen.
Nun kurz zu meiner Geschichte:
Ich war mit meinem jetzigen Freund vor 10 Jahren schon mal zusammen. Er war meine erste große Liebe (was auch auf Gegenseitigkeit beruhte), es konnte gar nicht perfekter sein. Nach ca. 9 Monaten tauchten aber von einer Sekunde auf die andere die von euch schon beschriebenen Gedanken auf: Ich glaube, ich liebe ihn nicht mehr, Ich kann seine Liebe nicht erwiedern, etc... Die folgenden Monate waren fürchterlich. Ich habe seine Nähe nicht mehr ertragen, habe ständig Streit provoziert, habe Fehler bei ihm gesucht und schlussendlich auch gemerkt, dass ich mich für andere Männer interessiere, woraufhin ich schluss gemacht habe, was trotz aller Traurigkeit eine Erlösung für mich darstellte.
Rückblickend betrachtet fand ich diese Reaktionen meinerseits völlig legitim, da ich erst 16 Jahre alt und deshalb einfach noch nicht bereit für eine lange Beziehung war. Dass sich dieses Verhaltensmuster durch all meine Beziehungen (auch Freundschaften) zog und der Grund dafür eben jene Beziehungsangst ist, wurde mir erst jetzt klar.
Nach dieser Beziehung probierte ich vieles aus und fand meine Erfüllung (und vor allem Bestätigung) in unzähligen One-Night-Stands. Durch die Beschäftigung mit dem Thema Beziehungsangst wurde mir klar, was ich unter anderem damit bezwecken wollte: Nähe (sowohl körperliche als auch geistige) für eine Nacht, und danach nichts wie weg! Alles was über eine Nacht hinausging dauerte auch nur ein paar Wochen, meistens, weil ich mich dagegen wehrte.
Meine jetzige Situation sieht folgendermaßen aus: mein damaliger Freund und ich haben uns wieder gefunden und sind seit ein paar Monaten wieder zusammen. Ich hab mich mit Händen und Füßen gegen diese Beziehung gewehrt (obwohl ich meine Liebe für ihn wieder entdeckt habe) und hatte auch gleich tausend Gründe parat, warum es nicht funktionieren kann. Er ließ sich davon nicht einschüchtern und beharrte sozusagen darauf, dass wir es noch einmal versuchen
Die ersten Wochen waren geprägt von Liebe aber auch Angst meinerseits. Ich war mir nicht sicher, ob er es ernst meint, hatte Angst, dass er draufkommt, dass er mich doch nicht will, etc.
Irgendwann kam der Punkt, an dem ich mir seiner Liebe und der Stabilität unserer Beziehung sicher war, und es setzten unmittelbar Zweifel ein. Wieder diese altbekannten Gedanken.. Liebe ich ihn wirklich?, Bin ich nur der alten Zeiten wegen mit ihm zusammen?, Ich bin einfach kein Beziehungsmensch und brauche meine Freiheit, Ich komme alleine einfach besser zurecht, etc.
Meine Gefühle für ihn wechselten allerdings im Minutentakt. Zwischendrin war ich mir wieder so sicher, dass ich ihn liebe und diese Beziehung wirklich will. Darauf folgten natürlich sofort wieder Zweifel..
Aus all diesen Gedanken und dem Gefühl, nicht aus der Situation rauszukommen, resultierten Panikattacken und eine leichte Depression (leide schon seit Jahren daran, doch bevor mein Freund wieder aufgetaucht ist, hatte ich keine Symptome mehr).
Dann, nach ewiger Recherche in der Hoffnung, herauszufinden, was mit mir los ist, finde ich plötzlich heraus, dass es so etwas wie Beziehungsangst gibt, und stoße auf dieses Forum..
Selten hab ich mich so verstanden gefühlt!
Was ich allerdings noch nicht gefunden habe, sind Strategien um aus dieser Gedankenspirale (ich würde schon fast von Zwangsgedanken sprechen) herauszukommen.
Ich kann euch nur sagen, wie ich damit umgehe, vielleicht hilft es euch ja auch ein bisschen:
Das Muster ist ja, soweit ich mitbekommen habe, bei vielen von uns das gleiche: sobald es ernst wird (indem die Beziehung öffentlich wird, man sich der Liebe seines Gegenübers sicher ist, es darum geht, zusammenzuziehen, Kinder zu bekommen oder zu heiraten, aber manchmal auch ohne ersichtlichen Grund), machen wir zu (ich nenne es jetzt einfach mal so, ich hoffe, ihr wisst, was ich meine). Wir blocken ab, ertragen keine Nähe mehr, wollen den Partner nicht mehr sehen, haben Angst, die Liebe nicht erwiedern zu können, fühlen nichts mehr, wollen keinen Sex oder Zärtlichkeiten mit dem Partner, provozieren Streit, etc.
Das alles ist doch nur ein Versuch, uns unverwundbar zu machen. Wir bauen eine Mauer aus Zweifeln, Ängsten und sonstigen erfundenen Gründen gegen die Beziehung auf, um ja nicht verletzbar sein zu können. (Ich gehe jetzt mal von mir aus, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass das auf viele von euch zutrifft).
Vor ein paar Tagen fasste ich also den Entschluss, es trotz aller Angst darauf ankommen zu lassen und zu versuchen, mich wieder zu öffnen. Denn diese Situation, dieses Zwischending, bringt weder mir noch ihm etwas. Ich versuche jetzt, zu unserer Beziehung zu stehen, mit allen Risiken. Ich weiß, dass ich dadurch Gefahr laufe, verletzt zu werden, aber was ist die Option: ständige Zweifel? Bringt auch nix..
Das alles hört sich sehr leicht an, ist es aber nicht. Es hat jetzt 2, 3 Tage funktioniert (interessanterweise bekam ich dann sofort wieder Angst, dass er es nicht ernst meinen könnte - eh klar ), dann wurde mir das alles wieder zu eng. Im Moment wäre ich wieder gerne alleine und würde ihn am liebsten für ein paar Tage nicht sehen. Aber ich versuche, mir Zeit zu geben. Ich sage mir, dass diese Gedanken einfach zu mir gehören und dass sie, je weniger ernst ich sie nehme, nachlassen. Vielleicht nur für eine kurze Zeit, aber das reicht ja schon mal für den Anfang.
Ich habe ihn übrigens darüber informiert, dass ich anscheinend Beziehungsangst habe und ihm vieles darüber vorgelesen. Es war sicher nicht leicht für ihn, dass so hingeklatscht zu bekommen, aber ich denke, dass es nun trotzdem ein bisschen leichter für ihn ist, mit meinen Gefühlsschwankungen umzugehen. Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, den Partner miteinzubeziehen!
Es würde mich sehr interessieren, wie ihr mit der Situation umgeht und ob ihr Lösungsstrategien gefunden habt.
Zum Schluss noch ein Satz von einer Freundin, mit der ich oft über all das Rede: Angst vor = Lust auf.
Also alles, vor dem man Angst hat, will man eigentlich. In unserem Fall also eine Beziehung. Vielleicht hilft dieser Satz ja auch dem einen oder anderen von euch.. mit hat er jedenfalls ein bisschen geholfen, ich rufe ihn mir oft ins Gedächtnis.
Vielen Dank für's Lesen.
Ich würde mich über Antworten freuen
Alles Liebe!