Freue mich über deine Antwort, Beobachter.
Unsere Beziehung ist nicht mehr so ganz am Anfang, wir kennen uns über ein Jahr, sind vielleicht sieben Monate zusammen. Inzwischen hat sich das aufgeklärt. Sie muss heute arbeiten, fährt auf eine Messe, es hatte nichts mit unserem Streit zu tun. Wahrscheinlich ist es sogar ganz gut, dass ich mich heute sammeln und meine Dinge sortieren kann. Obwohl ich mich darauf gefreut hatte, das Wochenende mit ihr zu verbringen. Am letzten Wochenende hatte sie auch nur abends Zeit, weil sie einen Fortbildungskurs macht. Sie ist richtig versessen auf Weiterbildung, verplant ihre Wochenenden auch ohne mich. Das macht mir Angst, ich habe dadurch das Gefühl, dass wir uns voneinander entfernen, und ich wünsche mir so sehr gemeinsame Ausflüge mit ihr am Wochenende als Ausgleich für eine ätzenede und anstrengende Arbeitswoche. Jaja, ich weiß, Ausgleich reicht nicht, es ist schön, mit ihr zusammen unterwegs zu sein, wir lachen gerne.
In der Anfangszeit haben wir jedes Wochenende etwas unternommen, waren zusammen, jetzt ist das nicht mehr so, jedenfalls zur Zeit. Ich bin mit Job und Fahrerei so ausgelastet, dass ich nicht dazu komme, gemeinsame Wochenende zu organisieren, das ist mir schon etwas besser gelungen. Aber wir haben trotzdem in diesem Jahr einiges zusammen vor. Das meiste davon geht auf ihre Initiative zurück. Für mich immer die Frage: Will ich das eigentlich auch? Was will ich? Was möchte ich für uns beide, vielleicht auch mal nur für mich organisieren? Ich komme nur nicht hinterher, so viel Energie sie hat, so schnell sie das in die Hand nimmt und mich auch unter Druck setzt. Klingt vielleicht blöd, aber ich nehme das gerne an, lasse mich auf Sachen ein, auf die ich selbst nicht gekommen wäre. Ich kann nicht alles selbst regeln, da lasse ich ihr die Führung. So gut ich kann (und will) schlage ich zum Beispiel mal ein Konzert vor oder wie im letzten Jahr einen Urlaub in Berlin und organisiere das nebenbei. Im Bereich Freizeit, Kultur, Urlaub ist sie allerdings sowas von dominant ... als erfahrerne Reiseleiterin, rumgekommen fast auf der ganzen Welt, ich kann da einfach nicht mithalten.
Zu dem, weswegen ich aber so verzweifelt hier geschrieben hatte, zurück: Gestern nachmittag haben wir uns wieder gesehen und viel Zeit miteinander verbracht. Ich hatte sie vorgestern spät abends erreicht, das war ein schwieriges Gespräch. Sie war geschockt von mir, wobei ich finde, dass das teilweise albern ist, und dann war sie mit ihrer Aufmerksamkeit wieder ganz woanders, wo ich noch mit der (für mich) schwierigen Situation innerlich gekämpft habe und nicht wusste, wie es weiter geht, wann/ob wir uns wiedersehen.
Ich hatte auch meinen Anteil an dem Streit, wir beide verhalten uns manchmal unmöglich zueinander. Und meine Gefühle sind ein wildes Durcheinander aus Liebe, Abhängigkeit, Eifersucht, Zuneigung. Meine Freundin einen Abend mal nicht zu sehen oder einen Streit finde ich sehr schwer auszuhalten. Ich habe sehr schnell Verlustängste. Und mir spukt schnell im Kopf herum, was sie mir aus ihrer Vergangenheit erzählt hat ... einzelne gescheiterte Beziehungen, exzessives Singleleben (auch in Sachen Sexualität), sie flirtet gerne ... da könnte ich manchmal ausflippen vor Eifersucht, wobei sie das nicht tut, wenn ich dabei bin, aber gerne erzählt, allerdings weniger in der letzten Zeit, sicher, weil sie gemerkt hat, dass ich damit nicht umgehen kann (beziehungsweise das ätzend finde). Ihr laufen einige hinterher, sie bekommt ständig Angebote, und ist mir trotzdem treu. Andere Männer sehen auch das Funkeln in ihren Augen, dass sie Herz, Lust und Humor hat. Für mich super schwierig, die Grenze zu finden: Was ist mein Interesse an ihr, wie ich es zeige, mich um sie bemühe, sie halten, sie sehen will richtig, weil sie diejenige welche für mich ist und wo geht das zu weit, wo sie Raum braucht, um atmen zu können. Lässt du zu locker, fliegt sie vielleicht wieder davon, setzt du sie unter Druck, findet sie das ätzend, dich langweilig und leicht zu haben - das Spiel geht in beide Richtungen.
Dabei hat sie viel geopfert, normalerweise hat sie getan und gelassen, was sie wollte, kurzfristig in Urlaub, Kurstrips, Männer abgeschleppt. Das macht sie alles gar nicht mehr. Ich denke oft, das ist vielleicht nicht nur gut für sie, wie eng ich sie halte, ich will, dass es ihr gut geht, nur wenn ich sage: Okay, tu einfach, was du willst, was gut für dich ist, wäre ich ja völlig naiv, und das wäre auch nicht ehrlich. Ich meine da speziell das Flirten und Fremdgehen ... was sie mir immer wieder versichert, dass sie das nicht tut, und ich glaube ihr das, sie hätte auch kaum Gelegenheit dazu, und ich fühle sehr schnell Eifersucht, ohne konrekten Grund.
Ich bin glücklich, dass ich sie habe, dass es sie gibt, dass wir zusammen sind, so eine Frau finde ich vielleicht nicht noch einmal, sie ist etwas ganz Besonderes. Auch wenn es nicht immer einfach zwischen uns ist. Für mich die erste Beziehung, und so jung bin ich nicht mehr. Sie ist über zehn Jahre älter, in der ganzen Welt herumgekommen, hat viel Erfahrung mit Menschen, ist offen, direkt, lebendig, sehr praktisch, liebt Kultur, manipuliert gerne und hat ihren Spaß dabei, kann laut und dreckig lachen ... und sie hat auch ihre Schreckenserlebnisse im Leben: als Kind massiv verprügelt worden und wurde vergewaltigt. Sie hat von sich aus, ohne dass sie das musste, noch als Kind ihre Familie versorgt. Und mir gegenüber hat sie auch eine entsprechende Rolle eingenommen. Ich bin auch dafür sehr dankbar, habe viel von ihr angenommen und mich motivieren lassen, sie macht sich so viele Gedanken, das habe ich noch nie erlebt. Aber ich erlebe das auch manchmal als Schieflage, was Autonomie, Selbstbestimmung betrifft. Alles irgendwie eine Frage von Balance, Kompromissen. Letztendlich, ich liebe sie immer mehr, damit hat auch ein Stück weit meine Autonomie abgenommen.
Ich denke oft: Was kann ich für sie tun? Sie hat Erwartungen, spricht sie aus, ich sehe, dass sie mehr für mich als ich für sie tue, ich bin so ausgelastet, dass ich nicht gut erkennen kann, wo ich von mir aus für sie anpacken könnte. Sie kann wesentlich besser erkennen, was in meinem Leben vorgeht und wichtig ist als ich bei ihr ... naja, doch, sie ernährt sich ungesund, hat Diabetis und müsste da dringend etwas ändern. Und dabei kennt sie sich bei Ernährung besser aus als ich, ich habe keine Chance, wenn ich versuche, ihr ins Gewissen zu reden. Und sie stürzt sich in Arbeit, wie beispielsweise am Freitag abend als ich sie nicht erreichen konnte, nicht wusste, wo sie steckte. Ich helfe ihr in ihrer Wohnung ein wenig, sie mir auch (und mehr als ich ihr) mit meiner Wohnung. Und dann spielt sie da auch mit mir, sagt im Spaß, ich könnte ja heute am Sonntag bei ihr eine Wand streichen ... was kann sie wirklich von mir erwarten, was tue ich aus Liebe, wo fühle ich mich ausgenutzt, was ist Egoismus, was ist wichtig für meine Autonomie, was tue ich für SIE, ohne meine Autonomie aufzugeben, wo werde ich manipuliert und wo erfülle ich einen Wunsch und WILL für sie etwas tun, weil ich sie nicht ausnutzen, sondern ihr auch praktische Unterstützung geben will. Sie redet sogar offen über Manipulation, meint, ich würde das ja sicher merken, wundert sich, dass ich nichts sage ...
Aber egal, wenn ich sie nicht hätte, hätte ich ein paar Dinge vielleicht nicht bewältigt: Wiedereinstieg in die IT-Branche, Arbeitgeberwechsel, mich in der Probezeit gegen den Abteilungsleiter durchsetzen, der mich rauswerfen wollte und die Kündigung mithilfe des Betriebsrates abwenden, täglich stundenlange Fahrerei mit dem Zug (mindestens vier), trotzdem die ersten erfolgreichen Projekte, nebenbei zuhause eine Wohnungsrenovierung.
Okay, viel erzählt, ich mache mal Schluss hier.
Grüße
15.01.2012 12:04 •
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