Die wichtigsten Infos in Kurzfassung:
Ich bin selbst Opfer von emotionalem, physischem und auch sexuellem Missbrauch in Kindheit sowie Jugend und habe eine längere Zeit versucht, entsprechende Hilfen aus unterschiedlichen Richtungen zu bekommen - leider größtenteils erfolglos.
Nach längerer Krankschreibung infolge der Aufdeckung des sexuellen Missbrauchs in 2018 wurde mir eine Reha zwangsverordnet, die zum Ergebnis kam, dass ich 100% erwerbsfähig bin. Da der sexuelle Missbrauch im kirchlichen Rahmen geschah, habe ich einen Antrag auf Mittel aus einem Entschädigungsfond des Familienministeriums gestellt. Dieser wurde schließlich nach einem Jahr (!) abgelehnt mit der Begründung, der angebliche Täter habe nie in einem direkten Arbeitsverhältnis mit der katholischen Kirche gestanden. Alles was mir bisher geblieben ist, ist ein GdB von 50, der mir kulanterweise vom Versorgungsamt zuerkannt wurde und um den ich Ende des Jahres wahrscheinlich wieder mit Hilfe des VdK kämpfen muss.
Meine Erfahrungen bezüglich einiger Kommentare:
Zitat von Krokodil90:Bei körperlicher Gewalt kann man eine Anzeige stellen aber wie soll man seelische Gewalt durch narzisstische Eltern beweisen? Im Grunde geht es nicht.
Wurde wir bei einer OEG-Beratung klar gesagt: Emotionaler Missbrauch ist kein Straftatbestand. Es zählen höchstens strafbare Einzelaspekte oder Folgeerkrankungen, wobei die Kausalkette dabei ziemlich schnell brüchig werden kann.
Zitat von Krokodil90:das Ganze fällt unter kptbs (Menschengemachte Traumata)
Die kPTBS ist bis dato noch nicht mal eine krankheitswertige Störung im Sinne des ICD-10.
Leider funktioniert unser Gesundheitssystem nun einmal so, dass nur der Anspruch auf Behandlung hat, bei dem eine entsprechende Diagnose vorliegt. Das wird sich Gott sei Dank im ICD-11 ändern, aber wann das in Deutschland eingeführt wird, steht noch in den Sternen.
Zitat von Krokodil90:nur ganz ganz wenige Therapeuten kennen sich damit aus und haben das auch explizit auf der Seite stehen.
Es werden immer mehr. Siehe auch die Mitgliederliste der Deutschen Gesellschaft für Psychotraumatologie.
Zitat von Schlaflose:Erstens, woher sollte der Staat das Geld für Entschädigungen nehmen?
Wo zahlen wir eigentlich immer mehr Steuern?
Zitat von Schlaflose:Soll der Staat die Leute zwingen, für Nachwuchs zu sorgen?
Nein, aber der Staat könnte präventiv dafür sorgen, dass nur die jenigen tatsächlich Nachwuchs bekommen, die eine bedürfnisorientierte Erziehung ermöglichen können. Stattdessen wurden entsprechende Maßnahmen wie das SAVE-Programm von Karl-Heinz Brisch nach dessen Gang in den Ruhestand die Gelder gestrichen. - Finde den Fehler ...
Zitat von Schlaflose:Und dass nicht genügend Therapieplätze zur Verfügung stehen, liegt aucz nich am Staat sondern einfach am Mangel an Therapeuten. Der Staat kann ja nicht die Leute dazu zwingen Therapeuten zu werden.
Falsch - es gibt einfach zu wenig Kassensitze.
Innerhalb der Therapieausbildung könnte der Staat allerdings dafür sorgen, dass es bessere Ausbildungsbedingungen gibt, in dem vor allem die großen Pflichtpraktika (früher 1200 h Psychiatrie und 600 h Psychosomatik) vernünftig vergütet werden, statt Therapeuten/innen in Ausbildung für nen Appel und ein Ei bzw. umsonst arbeiten zu lassen, weil sie einfach gezwungen sind, diese Praktika zu absolvieren.
Zitat von Krokodil90:Mir persönlich geht es weniger um finanzielle Entschädigung, die brauche ich selbst nicht, sondern darum eine angemessene Therapie zu bekommen, die hilft mir besser zurecht zu kommen.
Die wird es auf dem normalen Weg über die Krankenkassen nur sehr mühsam geben.
Ich hatte seinerzeit 10.000 Euro für 8 bis 10 Wochen Behandlung in einer auf Traumafolgestörung spezialisierten Fachklinik in Sachsen beantragt. Das hätten mir sowohl Krankenkasse wie auch Rentenversicherung niemals erstattet.
Zitat von Coru:Es gibt wohl was. Ich weiß nicht wie der Name ist. Aber das ist für Opfer gedacht die wegen einem Überfalls oder so traumatisiert sind.
Bis Ende 2023 gab es das Opferentschädigungsgesetz (OEG). Die entsprechenden Hürden für eine erfolgreiche Beantragung sind sehr hoch (es muss sich um eine Straftat handeln, die auch angezeigt und verfolgt wurde, das Verfahren wird am Ort der stattgehabten Straftat geführt und dauert oft sehr lange) und das, was am Ende dabei rauskommt, steht oft in keiner Relation mehr zum Aufwand.
Zitat von Coru:Der Staat selber ist nicht schuld, dass mein Vater mir das angetan hat.
Leider wird emotionaler Missbrauch immer noch durch Artikel 6 GG gedeckt.
Dessen Übersetzung lautet: Kinder sind Eigentum ihrer Eltern, die mit ihnen machen können was sie wollen. Und was hinter verschlossenen Wohnungs- oder Haustüren passiert, geht den Staat nur in absoluten Ausnahmefällen überhaupt was an.
So viel zum Mythos der heilen deutschen Familie ...
Zitat von Tänzerin82:Einfach nur eine Korrektur meiner Emotionen um die Ohren gehauen zu bekommen, ohne konkrete Empfehlungen, hat mir noch nie geholfen.
Das ist therapeutisch auch schlichtweg zu kurz gegriffen und dem Umstand geschuldet, dass in der Standardausbildung von Therapeuten/innen in der Regel nur die Behandlung der klassischen PTBS gelehrt wird. Eine umfangreiche Ausbildung in Psychotraumatologie ist dann nach der Approbation reines Privatvergnügen inkl. der stattlichen Kosten.
Zitat von Krokodil90:Mir würde es am meisten helfen, wenn sich die Menschen, die das alles verschuldet haben eingestehen würden und man zumindest, wenn keine Entschädigung, eine Entschuldigung bekommen würde.
Never gonna happen. Daran kann man sich auch den Rest seines Lebens bis zur eigenen Verbitterung abarbeiten.
Menschen mit narzisstischer Persönlichkeit beißen sich eher auf die Zunge, als eigene Fehler einzugestehen oder sich gar für irgendwas zu entschuldigen.
Mir persönlich hat es enorm geholfen, mich von den entsprechend immer wieder frustrierten Erwartungen, niemals von den Eltern das bekommen zu haben, was ich gebraucht hätte, zu verabschieden (im Sinne von Sandra Konrad: Nicht ohne meine Eltern) und komplett den Kontakt zur Erzeugerfraktion abzubrechen. Letzteres ist in unserer Gesellschaft immer noch ein Tabu und eine Todsünde, aber wenn man über diesen Punkt raus ist, kann und wird es oft besser werden.
Zitat von Krokodil90:Oft genug hört man ja genau von Tätern auch diese Art Sätze: „Willst du jetzt die Vergangenheit wieder hochholen, das ist doch vorbei“
Immer noch besser als Stell dich doch nicht so an! oder Das hast du dir alles nur eingebildet!.
07.01.2025 09:39 • x 3 #22