ich bin ganz neu hier und vermute seit ungefähr zwei Stunden, dass ich Bindungsangst habe. Die Erkenntnis kam ganz plötzlich und ich fühle mich wie vom Blitz getroffen...
Ich versuche mal ganz kurz zu formulieren was bei mir so los ist und war.
Ich habe seit fast 8 Jahren eine Beziehung zu einem Mann, der verheiratet ist. Die Beziehung ist wunderschön und das beste was mir bisher in meinem Leben passiert ist. Ich fühlte mich die ganze Zeit wie die glücklichste Frau auf diesem Planeten.
Im letzten Sommer erfuhr ich von ihm, dass seine Frau sich getrennt hat. Mein Gefühl war zunächst Schock, da ich damit nie gerechnet hätte. Es war von Anfang an klar, dass sich an seinem Beziehungsstatus von seiner Seite aus nie etwas ändern wird und wir keine gemeinsame Zukunft haben werden. Nachdem ich den Schock überwunden hatte, machte sich zuerst ein Gefühl von Enge und Überforderung in mir breit, dies mischte sich dann irgendwie mit großer Vorfreude und dem Wunsch nach mehr gemeinsamer Zeit.
Seitdem das passiert ist geht es mit uns bergab. Ich fing an einen Widerstand auf der Brust zu spüren wenn er bei mir vorbeikam und wir Kaffee getrunken und uns einfach unterhalten haben. Zuerst dachte ich wir haben einfach zu viel Zeit miteinander verbracht, das kommt ja schon mal vor, und ich habe mich mit Freunden getroffen und einiges unternommen. Das Gefühl blieb und gab mir keine Ruhe. Ich hatte das Gefühl ich müsse mich trennen und es wäre einfach an der Zeit. Ich hatte ständig zwei gegensätzliche Gefühle in mir, nämlich das Trennungsgefühl und gleichzeitig nach wie vor Liebe zu ihm. Das hat mich so fertig gemacht, dass ich wochenlang mit Magen-Darm-Problemen zu kämpfen hatte.
Ich habe ihn irgendwann darauf angesprochen und wir waren für einen Tag getrennt. Es ging uns beiden schlecht. Wir haben dann versucht das Ganze irgendwie zu retten. Wir haben mehr unternommen, ich habe wieder mehr für mich getan und gelernt auch mal nein zu sagen. Ich war das erste Mal in meinem Leben alleine im Urlaub. Er ist sehr auf mich eingegangen und wir haben versucht dem Problem auf den Grund zu gehen.
Grundsätzlich war er nie der Typ, der mich festgehalten hat, ganz im Gegenteil. Wir sind immer sehr auf die Bedürfnisse des Partners eingegangen und jeder hatte seine Freiheiten in der Beziehung.
Mittlerweile ist er sehr verletzt und ich dachte die ganze Zeit ich schaffe einfach den Absprung nicht. Was mich hält ist, dass es zwischendurch immer wieder sehr schön ist und sobald er sich zurückzieht und Abstand nimmt wird meine Liebe stärker und ich vermisse ihn sehr.
Vor kurzem waren wir zusammen unterwegs und haben uns eine Stadt angesehen. Das war ein bisschen als wären wir ein richtiges Paar. Wir haben in der Öffentlichkeit Händchen gehalten und ich habe gespürt, dass er das sehr genossen hat und viel Zuneigung mir gegenüber empfunden hat. Und genau in diesem Moment kam wieder das Widerstandsgefühl in mir hoch und ich konnte diese schöne Zeit mit ihm nicht genießen. Dabei habe ich solche Ausflüge früher sehr geliebt, denn das war immer etwas Besonderes.
Ich möchte jetzt hier nicht zu sehr ins Detail gehen. Schließlich muss man das auch noch irgendwie alles lesen können
Was ich festgestellt habe ist, wenn er sich zurückzieht dann verschwindet der Widerstand in meiner Brust und ich vermisse ihn, möchte ihn sehen. Wenn er mich verliebt anschaut und ich seine Liebe spüre, wenn er von selbst auf mich zugeht, dann wird es eng in der Brust und ich habe ein ganz flaues Gefühl in der Magengegend bis hin zur Übelkeit. Das war früher nie der Fall.
Ich erinnere mich an meine allererste Beziehung mit 17. Da spürte ich die gleiche Abneigung wenn mein Freund damals diesen verliebten Blick drauf hatte. Ich war nicht wirklich verliebt in ihn und ich beendete die Beziehung nach 3 Monaten. Mit 19 habe ich mich in meinen jetztigen Partner verliebt, jetzt bin ich 27.
Kurz zur Familiengeschichte. Ich habe einen Bruder, meine Eltern sind geschieden. Das Verhältnis war nie besonders gut. Ich fühlte mich immer wie das schwarze Schaf in der Familie. Mein Bruder wurde von meiner Mutter extrem bevorzugt. Laut meinem Vater war meine Beziehung zu meiner Mutter vorbei als mein Bruder geboren wurde. Er ist viereinhalb Jahre jünger als ich. Ich war quasi abgeschrieben und habe mich auch so gefühlt.
Später als meine Eltern sich in der Trennung befanden hat meine Mutter ca. ein Jahr lang bei mir mit im Zimmer gewohnt. Wir hatten ein sehr enges Verhältnis und ich hatte das Gefühl ich hätte endlich mal meine Mutter für mich. Mein Bruder ist nach der Trennung bei meinem Vater geblieben, es besteht kein Kontakt zu meiner Mutter, darunter leidet sie sehr.
Zu der Zeit habe ich dann auch meinen Freund kennen und lieben gelernt.
In der Schule hatte ich mit Mobbing zu tun, darunter habe ich gelitten. Während der Trennung meiner Eltern und dem Mobbing habe ich mich selbstverletzt und war ca. ein Jahr in Therapie. Das selbstverletztende Verhalten hörte langsam auf als ich dann ausgezogen bin und irgendwann meinen Freund kennenlernte.
Grundsätzlich sind Umarmungen mit meinen Eltern nie innig und vertraut. Ich habe das immer das Gefühl da gibt es eine Mauer zwischen uns. Auch als ich klein war gab ich Gute-Nacht-Küsschen nie mit einem tollen Gefühl. Das gehörte halt dazu.
Der Text ist jetzt etwas unstrukturiert geraten, ich hoffe es ist einigermaßen verständlich. Ich hoffe sehr, dass sich jemand die Zeit nimmt das alles zu lesen. Ich bin einerseits sehr froh, dass ich glaube ich den Grund für mein Problem entdeckt zu haben, andererseits sehr verzweifelt. Ich kann mir kaum vorstellen, wie man so eine Bindungsangst (wenn es denn eine ist) heilen kann. Und wie kann ich das meinem Partner bloß einigermaßen verständlich erklären....
Ich habe außerdem gerade eine fast dreijährige Psychoanalyse hinter mir, die mir sehr geholfen hat. Ich habe noch ca. 10 Stunden und möchte meine Theorie in der nächsten Stunde mit meiner Therapeutin besprechen. Diese Psychoanalyse hatte ich begonnen, weil ich Schwierigkeiten mit Lernen hatte und damit Dinge zu tun, die man tun muss. Das hat auch ganz viel mit Druck zu tun...evtl. hat das auch irgendwie mit der Bindungsangst zu tun...?
Denkt ihr meine Theorie stimmt? Könnte ich Bindungsangst haben? Was kann man tun?
Ganz herzlichen Dank wenn jemand bis zum Ende durchgehalten hat.
Viele Grüße
Shule
03.04.2016 01:04 • • 10.05.2016 #1