Wir sind beide 24 Jahre alt, haben uns mit 19 Jahren nach dem Abi kennengelernt. Für etwa ein Jahr war alles wundervoll, wir teilten den Wunsch auf reisen zu gehen, viele Hobbys und haben die selbe Weltanschauung. Es fühlte sich an wie Seelenverwandtschaft. Nach etwa einem Jahr bemerkte ich wie mein Freund dann zunehmend emotional distanzierter wurde, er begann mich zu kritisieren, und nahm auch körperlich Abstand. Das Küssen wurde weniger, und irgendwann wollte er auch in der Öffentlichkeit nicht mehr Händchenhalten. Damals war mir das alles überhaupt nicht bewusst dass er einfach keine Nähe zulassen kann, ich hatte einfach unterbewusst ein schlechtes Gefühl und irgendwie Angst, dass er es mit der Beziehung nicht ernst nimmt. Er hat mir dann immer wieder eingeredet das wäre nicht so und ich würde mir das einbilden. Ich fing an zunehmend zu klammern, überredete ihn mit mir zusammen zu ziehen als es daran ging das Studium zu beginnen, war unglaublich eifersüchtig und wurde zum richtigen Kontrollfreak. Es ging auf und ab, wir zogen wieder auseinander, manchmal wurde es besser wenn ich ihm mehr Freiraum gab aber letztendlich hat er sich dann nach 3 Jahren nach vielen Schlussmachdrohungen, die schon sehr an emotionale Manipulation grenzten, von mir getrennt.
Nach der Trennung war ich am Boden zerstört, ich konnte wochenlang nicht essen und schlafen, nahm 15kg ab. Irgendwann ging es dann bergauf, ich wurde wieder selbstbewusst, tat Dinge die mir Freude machten, ging auf ein paar Dates und war eigentlich ganz zufrieden. Das war etwa nach einem halben Jahr. Genau zu diesem Zeitpunkt hat sich mein damals Exfreund wieder per Brief bei mir gemeldet. Mehrmals pro Woche schrieb er mir, dass er es sehr bereut mich gehen gelassen zu haben und dass ihm klar geworden ist dass niemand sonst auf der Welt ihn so versteht wie ich es tue. Dass er versteht wenn ich nicht will, aber dass er die Hoffnung nicht aufgeben mag mich wieder zurückzubekommen. Zwei Monate später traf ich mich mit ihm und wir redeten oft über das was schiefgelaufen war und wie wir es hätten ändern können. Irgendwann hatte ich wirklich das Gefühl dass er sich geändert hat, dass er nicht mehr emotional in seinem Schneckenhaus verkriechen würde und wir kamen wieder zusammen.
Das ist jetzt etwa ein Jahr her, für mich die bis jetzt schönste Beziehung die ich hatte. Ich war glücklich und er schien es auch zu sein. Auf seinen Wunsch hin sind wir zusammengezogen und haben uns einen Hund gekauft. Im August war mein Freund dann für 3 Wochen mit einer Studentengruppe im Ausland. Als er zurückkam war er schon leicht distanziert, als er dann von einem der Teilnehmerinnen einen Brief bekam, in dem stand dass sie Gefühle für ihn entwickelt hatte, rutschte er in eine Lebenskrise. Er begann auf einmal alles anzuzweifeln, die gemeinsame Wohnung, der Hund, alles schien ihm zu viel Verantwortung zu sein, ihn zu sehr anzuketten, zu binden und einzuengen. Emotional war er wieder ganz weit weg von mir, wie am Ende unserer ersten Beziehung. Um nicht den gleichen Fehler wie beim letzten Mal wieder zu machen bin ich dann in eine WG im Nebenhaus unserer Wohnung gezogen, er ließ eine Mitbewohnerin einziehen. Seit September ist die Situation nun für mich sehr belastend. Manchmal will er Nähe, emotionale, sowie auch körperliche, manchmal kann er beides aber auch gar nicht ertragen. Dann stößt er mich weg und sagt ich solle ihn nicht so einengen. Manchmal braucht er tagelang seinen Freiraum, ich höre und seh nichts von ihm. Teilweise begegne ich ihm und wir reden ganz normal miteinander, umarmen uns und kuscheln, manchmal kann er mir aber nicht mal ins Gesicht schauen, weil es ihm gerade sehr schlecht geht. Ich denke ich solchen Momenten fühlt er sich schuldig oder kann sich selbst nicht leiden. Auf jeden Fall leidet er sehr, oft sagt er er wisse nicht was mit ihm los ist, er fühle sich wie an einer Weggabelung und wenn er die Beziehung jetzt weiterführt gibt es kein zurück mehr und er muss auf ewig mit mir zusammenbleiben. Dass das Quatsch ist, wir noch jung sind und er keine Verpflichtung hat mit mir zusammen zu bleiben kann er irgendwie nicht verinnerlichen. Ich hab das Gefühl die Auslandserfahrung und der Brief von dem Mädchen hat ihm gezeigt was theoretisch noch alles ''möglich'' wäre und jetzt bekommt er es mit der Angst zu tun dass die Beziehung ihn in all seinen Erlebnissen einschränken könnte. Ich glaube er interpretiert Verpflichtungen in die Beziehung, die dort gar nicht sind.
Ich hab jetzt sehr lange seinem inneren Ringen mit sich selbst zugeschaut und lange hab ich mir keinen Reim daraus machen können. Erst hab ich gedacht ich müsse akzeptieren dass er einfach nicht genug auf mich steht und dass jetzt nach der wiederholten Verliebtheitsphase bemerkt. Allerdings verstehe ich dann nicht warum er zum zweiten Mal mit mir zusammengekommen ist. In den 3 Jahren hätte ihm das schon klar werden können dass ich einfach nicht die eine bin. Zufällig bin ich dann im Internet über einen Artikel zu Bindungsangst gestolpert und konnte sofort die Muster in unsrer Beziehung wiedererkennen. Dann hab ich das Buch ''Jein! Bindungsängste erkennen und bewältigen' von Stefanie Stahl gelesen, danach bin ich mir um so sicherer.
Im Moment bin ich deshalb einfach total niedergeschlagen, weil mir klar geworden ist wie komplex das Problem meines Freundes ist und dass ich kaum eine Chance habe etwas daran zu ändern. Ich hab keine Ahnung wie ich ihn dazu bringen kann mit dem Thema auseinander zu setzen, zumal er zur Zeit schon bei Fragen wie ''Wie geht es dir?'' abblockt und sich emotional entzieht. Es geht ihm schon sehr schlecht, aber ich denke er wälzt einen Großteil der ''Ursachen'' für sein schlechtes Gefühl und seine Zweifel auf mich ab. Darauf dass ich Erwartungen habe wie dass er sich zur Beziehung bekennt oder Schluss macht, körperliche Nähe zulässt... Ich zwinge ihn nicht dazu, aber ich hab versucht ihm klarzumachen dass dieses Schwanken zwischen Nähe und Distanz sehr schmerzhaft für mich ist und dass ich nicht weiß wie lange ich das noch durchhalte.
Tief in meinem Inneren weiß ich, dass ich in dem jetzigen Zustand nicht ewig weitermachen kann. Ich brauche von ihm den Wille an sich zu arbeiten.
Aber ist das überhaupt möglich? Wie bekomme ich ihn dazu es wirklich zu wollen, wie kann ich den Leidensdruck erhöhen dass er es sich von sich aus mit diesem wahrscheinlich für ihn sehr verstörenden Thema auseinander zu setzen? Dadurch dass er die ganzen schlechten Verhaltensweisen der letzten Beziehung einfach so abgelegt hat, habe ich immer noch Hoffnung. Ich hoffe es gibt hier ein paar Leidensgenossen die mir erzählen können wie es ihnen ergangen ist und wie sie mit der Entscheidung umgegangen sind ob es einen Wert hat weiter zu bleiben und auf Besserung zu hoffen oder ob es besser ist einfach zu gehen und den Partner mit seinen Problemen stehen zu lassen.
16.11.2017 18:54 • • 28.03.2018 #1