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Vor rund zwei Jahren habe ich ein ziemlich prägendes Erlebnis gehabt, und seitdem fällt es mir schwer wenn andere mich berühren oder mir zu nahe kommen.
Ich kann nicht mal mehr zulassen, dass meine Familie mich umarmt oder Freunde.
Wenn es nach mir geht, können alle zwei Meter Sicherheitsabstand zu mir halten.

Damals hat jemand der mir sehr nahe stand mich gegen meinen Willen angefasst und ich bin damals in so eine Schockstarre geraten, dass ich mich nicht wehren konnte. Die Angst hat mich damals vollkommen gelähmt und ich konnte der Situation nur noch sehr knapp entkommen.

Heute lasse ich es überhaupt nicht mehr so weit kommen, weil ich Angst habe, dass wieder Dinge gegen meinen Willen geschehen und ich schlussendlich wieder unfähig bin zu reagieren oder mich zu wehren, deshalb halte ich alles und jeden von mir fern.

Ich habe mich verliebt und derjenige sich auch in mich, aber unsere Beziehung ist daran gescheitert, dass ich ihn einfach nicht an mich ranlassen konnte. Jegliche Situationen und Annährungsversuche haben mich an mein Trauma erinnert und ich habe direkt Panik bekommen, habe zu Weinen begonnen und bin abgehauen. Aber auch in dieser Situation habe ich nur sehr verspätet reagiert. Wieder nur Notbremsenmäßig. Zu ihm habe ich deutlich Nein gesagt, aber er hat es nicht ernst genommen und nicht aufgehört.

Ich will keine Panikzustände mehr bekommen, wenn mir jemand zu nah kommt, wenn mich jemand umarmt oder sonst irgendwie berührt, aber ich weiß nicht wie ich das machen soll und hoffe irgendjemand hat einen Tipp für mich, denn ansonsten sehe ich schwarz für meine Zukunft auf jeglicher Beziehungsebene. Wie soll ich so jemals eine richtige Beziehung führen? Jemanden finden der mich liebt?

06.04.2020 16:03 • 16.04.2020 #1


18 Antworten ↓


Hallo und Willkommen im Forum

Wenn dir durch koerperliche Uebergriffe Unrecht getan wurde,dann ist dein Befinden verstaendlich.
Du koenntest also in der Zukunft deine Reserviertheit ,was Umarmen und weiteres angeht erstmal klar kommunizieren und sehen,ob das respektiert wird.
Verstoesse sind immer ernst zu nehmen und klar zu benennen.

A


Angst vor Körperkontakt

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Hallo, danke dass du auf meinen Beitrag geantwortet hast.

Jedes Mal wenn ich den Menschen in meinem Umfeld offen sage, dass ich einfach kein Mensch für so etwas bin und nicht unbedingt umarmt o.ä. werden möchte, sehen sie es gleich als Angriff, also dass ich sie nicht mögen würde und sind dann wütend auf mich.

Mein Ex-Freund wusste davon was mir passiert ist und wir haben auch darüber gesprochen, aber im Endeffekt hat er es nicht ernst genommen und trotzdem getan was er wollte. Als ich dann daraufhin einen Schlussstrich gezogen habe, hat er sich vor den Kopf gestoßen gefühlt und mir vorgeworfen nach zwei Jahren müsste ich bereits darüber hinweg sein, was mir passiert ist, aber das bin ich nicht. Macht mich das zu einer Verrückten?

Liebe LunaSofi,

hier zeigt sich sehr deutlich,dass deine Grenzen uebertreten wurden und Personen wieder uebergriffig wurden.
Das ist nicht zu tolerieren,denn es zeigt, dass du mit deinen Wuenschen nicht respektiert wirst.
Da du noch sehr jung bist,fehlt dir im Moment noch die Erfahrung im Umgang damit.

Besonders manche Maenner nehmen oft nicht die koerperliche Selbstbestimmung einer Frau ernst und versuchen sich mit ihren Wuenschen durchzusetzen.

Ein junger Mann,der ein ehrliches Interesse an dir hat respektiert das aber und wartet bis du selbst dazu bereit bist.


Aussagen,wie wenn du mich wirklich magst/liebst,dann machst du auch xyz sind emotionale Erpressung.

Emotionale Erpressung habe ich schon oft erlebt, und da ich Angst habe am Ende allein dazustehen, mache ich meistens das was von mir verlangt wird.

Ich habe einfach Angst, dass ich niemals eine vernünftige Beziehung führen kann und als einsame Jungfer sterbe.

Ich habe so schon oft Streit wegen meiner Angst vor Körperkontakt, alle Menschen wollen immer in den Arm genommen werden, aber ich kann das einfach nicht und werde dann als arrogant und dumm dargestellt.

Ich habe dadurch nicht nur meinen Freund, sondern auch andere Freundschaften verloren, aber ich kann die Angst auch nicht einfach ignorieren, da sie sich in Panikattacken äußert, ich bin verzweifelt und fühle mich, als ich wäre ich nicht normal.

Liebe LunaSofi,
es ist wichtig,dass du zu deinen Erfahrungen und zu deinen Wuenschen stehst.
Eine Beziehung einzugehen und Dinge hinzunehmen,die dir unangenehm sind ist keine Vorraussetzung fuer eine gute Beziehung.
Du musst nichts mitmachen/zulassen,was du nicht moechtest.

Wie waere es ,wenn du dich jemand anvertraust,um deine Erfahrungen zu beprechen? Da kommen ggfs die Mutter,oder eine Beratungstelle in Frage fuer (junge) Frauen,die koerperliche/sexuelle Uebergriffe erlebt haben.

Da gibt es mMn 0 Toleranz und du solltest dich beraten und staerken lassen..

Ich stamme noch aus einer Zeit, in der Menschen einander nur in den Arm nahmen, wenn sie sich wirklich nah waren. Und ganz ohne Traumatisierung in dieser Richtung kann ich dieses Bussi-Bussi-Getue, das heute für viele zum normalen Umgang gehört, nicht ausstehen.

Es wird eine Pseudo-Vertrautheit erzeugt und zur Schau gestellt, ohne dass die Menschen, die sich daran beteiligen, einander auch wirklich vertraut sind. Die meisten kennen sich kaum näher. Und nicht wenige können sich eigentlich gar nicht leiden. Es ist nur Show.

Deshalb: Du hast jedes Recht, das zu verweigern.Das macht dich nicht zu einer Verrückten, sondern zur einzig Normalen unter den gedankenlosen Distanzunterschreitern .

Wenn Grenzen so massiv verletzt wurde, wie bei dir, ist es erst recht verständlich, dass du deine Grenzzäune nun höher ziehst und besser sicherst. Das ist wichtig und richtig. Der Mensch, der in deinen Arm darf, muss sich das verdienen. In meinen Augen sollte das übrigens immer so sein, bevor man sich körperlich nah kommt - auch ohne schlechte Erfahrungen.

Je mehr du dir Druck machst und denkst, du müsstest dich gängigen Verhaltensweisen anpassen, desto anstrengender wird das für dich. Vertrauen muss wachsen. Und das braucht Zeit. Zeit, die du dir mit aller Gelassenheit nehmen solltest. Wer davon läuft, weil er dich nich anfassen darf, wie es ihm beliebt, sollte idealerweise möglichst weit weglaufen .

Mit Menschen, dir dir wichtig sind, hilft Reden. Und wenn es nicht hilft, kein Verständnis und keine Akzeptanz erzeugt, dann sind diese Menschen es nicht wert, als wichtig betrachtet zu werden.

Was du dennoch angehen solltest, ist die Bewältigung des Traumas. Panikattacken sind blöde, und wenn es dir gelingt, mit Hilfe einer Therapie die wieder loszuwerden, hast du eine Menge gewonnen. Dafür einstehen, dass du kein Selbstbedienungsladen bist, an dem andere ihre ach so wichtigen Kuschelbedürfnisse abreagieren dürfen, kannst du aber ganz entspannt und selbstbewusst auch ohne Therapie.

Liebe Calima,
danke dass du mir geantwortet hast und ich danke dir für deine lieben Worte.

Bisher habe ich mich nicht getraut mit jemandem über dieses Trauma zu reden bzw mir professionelle Hilfe zu holen.
Die Leute mit denen ich bisher dieses Geheimnis anvertraut habe, haben mit Unverständnis reagiert (so wie mein Ex-Freund) und mir eingeredet es sei meine eigene Schuld gewesen, da ich mich zu spät gewehrt habe (was an der Lähmung) lag, dadurch traue ich mich nicht mit anderen zu reden und komme mir wirklich so vor, als sei dieses Trauma eigentlich gar nicht wert ein solches zu sein, haben andere doch viel schlimmeres erlebt.

Es ist das Verhalten von Tätern, dass sie dem Opfer die Schuld geben. Es ist elementarer Bestandteil ihres Tuns, denn es sorgt dafür, dass das Opfer der eigenen Wahrnehmung nicht mehr vertraut und sich selbst dafür verantwortlich macht, dass der Täter übergriffig wurde.

Sobald dieser Mechanismus greift, schnappt die Falle zu, denn wenn ich daran glaube, das, was mir geschehen ist, mir selbst zuzuschreiben habe, hoffe ich auch nicht mehr auf Unterstützung durch andere. Warum sollten sie mir helfen, wenn ich doch selbst schuld war? Das isoliert das Opfer und - nicht minder schlimm - lässt es auch an seiner eigenen Wahrnehmung zweifeln.

Fakt ist: Kein Opfer hat Schuld. Niemals. Egal, was es getan oder nicht getan, gesagt oder nicht gesagt hat. Was nicht ausdrücklich erlaubt wurde, ist verboten, wenn es um körperliche Nähe geht. Schweigen ist keine Zustimmung.

Dass andere das manchmal anders bewerten, hat vielerlei Gründe.

Ein wesentlicher ist nach meiner Erfahrung, dass Mädchen und Frauen oft zu hören kriegen, dass sie sich nicht so anstellen sollen. Sie werden - in der Regel von Männern - gern als hysterisch, zickig oder ähnlich nett etikettiert, wenn sie sich die Übergriffe - seien sie nun verbal, psychisch oder physisch - nicht gefallen lassen wollen.

Damit verlieren sie vordergründig an Attraktivität, weil kein Kerl eine Zicke will. In Wahrheit sind diese Männer nur stinkig, weil es nicht nach ihrem Willen läuft. Allerdings färbt diese Angst, von den Kerls abgelehnt zu werden, wenn Frau sich anstellt, gerne auch auf andere Frauen ab. Sie solidarisieren sich dann manchmal eher mit den Kerls, um zu beweisen, dass sie cool sind.

Unterm Strich sind sie weniger cool als bedauernswert. Denn sie nehmen Übergrifflichkeiten in Kauf, die sie eigentlich auch nicht wollen. Wenn nun eine Frau - so wie du - aus diesem Muster ausschert, konfrontiert sie das mit dem eigenen Verhalten. Und das möchten sich manche dann doch nicht näher anschauen müssen.

Liebe Calima,
du sprichst das aus, was ich fühle und selber denke.
Der Täter in meinem Fall hat danach sofort verleugnet dass das passiert ist und stellt mich als verrückt da und genau das tun auch alle andere.

Ich fühle mich gerade das erste Mal verstanden.

Zitat von LunaSofi:
Liebe Calima,danke dass du mir geantwortet hast und ich danke dir für deine lieben Worte.Bisher habe ich mich nicht getraut mit jemandem über dieses Trauma zu reden bzw mir professionelle Hilfe zu holen.Die Leute mit denen ich bisher dieses Geheimnis anvertraut habe, haben mit Unverständnis reagiert (so wie mein Ex-Freund) und mir eingeredet es sei meine eigene Schuld gewesen, da ich mich zu spät gewehrt habe (was an der Lähmung) lag, dadurch traue ich mich nicht mit anderen zu reden und komme mir wirklich so vor, als sei dieses Trauma eigentlich gar nicht wert ein solches zu sein, haben andere doch viel schlimmeres erlebt.
Es ist nicht zu spaet dich jemandem anzuvertrauen.
Du hast ggfs aus Unwissenheit/Mut oder aus Scham diesen Schritt noch nicht gemacht.
Aber jetzt solltest du das ueberdenken.
Bedenke,es geht um dein Leben und um dein Wohlbefinden als junge Frau. Koerperliche/sexuelle Uebergriffe sind ein grosses Unrecht und auch ein Straftatbestand.

Habt ihr irgendwelche Tipps für Foren, die einem bei so etwas helfen.
Erst mal abgegrenzt von einer normalen Therapie

Zitat von LunaSofi:
Habt ihr irgendwelche Tipps für Foren, die einem bei so etwas helfen. Erst mal abgegrenzt von einer normalen Therapie

Es gibt in jeder Stadt Beratungsstellen fuer Frauen.

Da kommt dann wieder meine Sozialphobie, mit der Angst vor fremden Menschen heraus. -_-

Zitat von LunaSofi:
Da kommt dann wieder meine Sozialphobie, mit der Angst vor fremden Menschen heraus. -_-
Eine Kontaktaufnahme ist auch telefonisch o per email moeglich.

Eine, wie ich meine, recht gute Anlaufstelle ist Pro Familia. Dort berät man über weit mehr Dinge als nur über Schwangerschaften. Das Ganze auch telefonisch.

Es gibt Beratungsstellen in fast jeder Stadt und Beratungen sind für Jugendliche kostenlos.

Zitat von LunaSofi:
Der Täter in meinem Fall hat danach sofort verleugnet


Noch eine kleine Anmerkung: Lass' die Anführungszeichen beim Täter weg. Er IST einer. Du musst ihn nicht schützen, indem du seine Täterschaft durch die Anführungszeichen in Frage stellst.

Nicht deine Wahrnehmung ist falsch, sondern sein Verhalten war es.
Sponsor-Mitgliedschaft

Zitat von Calima:
Noch eine kleine Anmerkung: Lass' die Anführungszeichen beim Täter weg. Er IST einer. Du musst ihn nicht schützen, indem du seine Täterschaft durch die Anführungszeichen in Frage stellst.
Ja,hier muss der Uebergriff klar benannt werden.

Zitat von LunaSofi:
und stellt mich als verrückt da


Das ist fatal, denn er ist derjenige, der am ehesten verrückt ist. Er ist abgerückt vom normalen Respekt vor den Grenzen eines anderen Menschen, vor deinen Grenzen.
Der Täter hat dir auch deine Unbefangenheit genommen. Das ist ein großes Unrecht und ein Tatbestand, den du nicht hinnehmen solltest.
Es ist verständlich, dass du zunächst eine Scheu vor einer Therapie hast. Aber sie könnte dir sehr viel helfen und sich positiv auf dein weiteres Leben auswirken, nicht nur auf dein Empfinden von Körpergrenzen in einer Partnerschaft.

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Dr. Reinhard Pichler
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