Zitat von Steve83:Was ist denn eigentlich ständig mit diesen Zwangsgedanken gemeint ? Gibt es da konkrete Beispiele ? Für mich hört sich das alles wie eine extreme emotionale Instabilität an, so wie bei Borderlinern oder anderen Persönlichkeitsstörungen...
Oh gott, liebe ich ihn etwa nicht mehr? Wieso bin ich nicht mehr glücklich, wenn ich ihn sehe? Oh mein Gott. Eigentlich kann ich ihn direkt verlassen. Meine Gefühle sind weg. Alle. Warum fühle ich auf einmal nichts mehr?! Sonst wollte ich ihn doch jede Sekunde bei mir haben. Gestern wollte ich das noch. Nun aber nicht mehr. Ohjeohje. Sch... Er ist mir über Nacht völlig egal geworden. Was ist da nur passiert!? Hilfe. Was passiert mit mir?...
Und so weiter, und so fort. So ähnlich fängt's oft an. Bei mir damals war es so. Das geht rund um die Uhr so. Diese Gedanken drängen sich einem förmlich auf, und nicht nur alle paar Minuten - man ist den ganzen Tag ununterbrochen damit beschäftigt, diese Unruhe im Kopf zu bekämpfen und einen Weg raus zu finden. Es überfällt einen oft aus dem Nichts. Im weiteren Verlauf kommt das Gehirn mit anderen bescheuerten Gedanken daher (Eigentlich war er eh nie mein Typ. Irgendwie ist er auch voll langweilig. Ohje....) und führt einen teilweise in die hintersten Ecken (Vielleicht war ich auch mein Leben lang einfach nur bindungsscheu? Vielleicht hat (bitte irgendein hervorgekramtes Erlebnis aus der Kindheit o.ä. einfügen) mich damals SO geprägt, dass ich einfach niemanden mehr richtig lieben kann!?). Manchmal sind die Gedanken
so beknackt, dass man als gesunder Mensch nur lachen würde (Er kaut irgendwie sein Essen komisch... ).
In gewisser Weise hast du Recht - diese Störung (bzw der zunächst erst einmal unbeholfene Umgang damit) resultiert i.d.R. aus tiefen Unsicherheiten und persönlicher Instabilität. Das macht es aber nicht weniger schwierig bzw komplex, im Gegenteil. Oft haben die Betroffenen völlig den Bezug zu sich selbst verloren und sie sind extrem(!) leicht zu verunsichern. Sie versuchen, sich aus diesen Gedankenschleifen zu retten, indem sie z.B. Google anschmeißen und diverse Fragen a la
Woran erkenne ich, dass ich ihn noch liebe? stellen. Da sie aber eben in dieser Phase sehr leicht zu verunsichern sind, wird das Ergebnis, was sie eben noch beruhigt hat, nach nur kurzer Zeit direkt wieder angezweifelt. Keine Antwort ist gut genug, sie geraten in einen Strudel aus ständiger Rückversicherung und Nachfragen, Hinterfragen, genau-analysieren-wollen. Das Gehirn sehnt sich nach einer Sicherheit, die es einfach nicht gibt.
Völliger Irrsinn für jemanden, der nicht betroffen ist. Jeder gesunde Mensch ruht zumindest soweit in sich selbst, dass solche Fragen nicht weiter verunsichern und ja, sogar blöd wirken. Man winkt sie ab und hakt sie ab. Für jemanden, der von Zwangsgedanken befallen ist, artet das aber in Terror aus. Man weiß sich nicht mehr anders zu helfen, es ist kein Selbstvertrauen da, keinerlei Sicherheit. Man sucht daher alle Antworten außerhalb, findet aber keine Erlösung. Das Gehirn will immer mehr Sicherheit.
Was man anfangs leider erst mal nicht weiß ist, dass alle beziehungs- oder auch selbstbezogenen Lösungsansätze (a la
Stress vermeiden, Vielleicht hab' ich ja nur Bindungsangst!, Man sollte mal seine eigene Definition von Liebe überdenken! etc.) nicht helfen und das Ganze sogar nur verschlimmern. Die Störung an sich muss erst mal gelöst, die Gedankenkette unterbrochen werden. Das ist der rein medizinische Aspekt. Die Therapieform der Exposition hilft hier sehr. Man muss wieder lernen, dass Gedanken nur Gedanken sind und von ihnen keine Gefahr ausgeht. Alles, was gedacht wird, muss man so stehenlassen und aushalten bzw akzeptieren, so schlimm es auch ist. Das ist wirklich sehr schwer, wenn das Gehirn permanent nach Absicherung verlangt. Fast alles, was du hier liest, sind (teils bewusst, teils unbewusst) Wege der Rückversicherung.
Heute morgen hatte ich wieder so ein mieses Gefühl... ist auf den ersten Blick einfach nur eine Aussage, aber man erhofft sich insgeheim doch wieder eine Beruhigung von jemand anderem hier (
Ach, das kenne ich auch, mach dir keine Gedanken!)...
Wie gesagt, es ist wirklich sehr schwer zu erklären. Dass dir das alles bescheuert vorkommt, kann ich gut verstehen. Allerdings bringt es auch nichts, hier deine Zweifel an der Sache zu verstreuen. Sei froh, dass du nicht betroffen bist. ;D