Zitat von PüppiPauline:Ach ist das ein Mist. Was mir so zu schaffen macht, dass ich vorher halt auch schon mal so ein Gedanken bzw. Gefühl hatte, diesem aber keine Bedeutung gegeben habe. Aber umso mehr lässt es mich zweifeln, weil dann immer kommt: es ist schon lange so. Hatte halt vorher auch schon mal Phasen wo er mich genervt hat und ich kein Bock auf ihn hatte usw. Aber das ist doch bei jedem mal so, oder? Das mit dem Liebesgefühl ist schwierig, bei mir ist immer so eine Abwehrhaltung da.
Irgendwie möchte ich dazu gerade einen Vergleich anstellen, so aus der alltäglichen Welt: Vorträge halten.
Stell' dir vor, du hast früher immer ohne Probleme Vorträge gehalten, vor Menschen frei gesprochen. Und irgendwann hast du gemerkt, dir macht das richtig Spaß und es ist auch ein Nervenkitzel dabei, wenn alle so gespannt zuhören und du die Leute lenkst. Vorträge halten, das ist dein Ding. Manchmal gibt es Momente, in denen du kurz nicht weiter wusstest, aber du hast dem keine Bedeutung geschenkt, weil du immer irgendwann den Faden wiederfandst und die Leute deine Vorträge trotzdem liebten. Gegen Mundtrockenheit hast du vorher was getrunken, hast deine Strategien entwickelt, wie du gut durch den Abend kommst. Du hast diesen unsicheren Momenten keine Bedeutung geschenkt.
Naja, und dann hast du mal gemerkt, dass es auch schlechte Vortragsabende von dir gibt, wo der Funke irgendwie nicht so überspringt. Und dann hast du gezweifelt und dich gefragt, ob das an dir liegt. Im schlimmeren Fall hattest du einfach auch mal einen sau miesen Abend. Du wolltest alles richtig machen, aber nix hat geklappt. Im noch schlimmeren Fall haben das auch alle anderen gemerkt und dich drauf angesprochen. Und jetzt kommen wir an den Punkt, wo deine Ressourcen nicht mehr ausreichen, du nicht mehr entspannt Strategien gegen die blöden Momente finden kannst, sondern zweifelst, schon allein, weil du nicht fassen kannst, dass du etwas, das du IMMER konntest, plötzlich nicht mehr kannst.
Deine Strategie ist ab jetzt eine verkrampfte: Du willst keinen miesen Abend mehr erleben, du willst jetzt auf jeden Vortrag extra gut vorbereitet sein. Und du stellst immer mehr fest, dass die beste Vorbereitung für einen erfolgreichen Abend nichts bringt, weil die Leichtigkeit verloren geht, die das Publikum von dir braucht, diesen Funken, den du vorher arglos überspringen lassen konntest. Und um das jetzt vollends eskalieren zu lassen und auf Beziehungen zu übertragen : Du siehst links und rechts Menschen, die offensichtlich ohne Probleme Vorträge halten, die sich sogar nichts aus ihrer Mundtrockenheit machen. Und noch dazu sagt man dir, dass du nur dazugehörst, wenn du entspannt Vorträge halten kannst. Von dir wird also ein Loslassen gefordert, was logischerweise sehr schwierig ist. Du hast also selbst, wenn du keinen miesen Abend mehr hast, auch keinen besonders guten. Und wenn du dir jetzt noch vor Augen stellst, wie überlebensnotwendig diese Vorträge laut anderer und deinen eigenen Erwartungen sind, ist die Katastrophe vorprogrammiert. Du rackerst dich ab, forderst dir dein Publikum ein und auch das merkt vielleicht langsam, dass deine Abende mit viel Mühe, fast Vorwürfen deinerseits verbunden sind. Dabei wollten sie doch nur einen schönen Abend haben, wenn der Künstler auftritt.
Der bessere Weg wäre also die Frage, ob du nicht erstmal ohne Riesenabendprogramm deine Entspannung zurückholst. Klar fällt allen Leuten auf, wenn du eine Zeitlang von der Bildfläche verschwindest. Aber das ist das eindeutig bessere, als sein Leben lang gebrochen und verbittert vor die Leute zu treten. Es ist also vielleicht erstmal nur ein kleiner Beitrag oder sogar nur ein kleines Lächeln in die Runde. Aber du hältst den Blick, du trittst vor die Leute. Das auszuhalten ist schon das Mutigste, was man sich vorstellen kann. Und nach und nach kannst du wieder mehr machen. Es sind zwar noch wacklige Schritte, du hast alles ganz kritisch im Blick. Aber du hast auch ein besser ausgeprägtes Gefühl dafür, was du tust und wie das den anderen gefällt. Und jetzt kannst du dich langsam freisprechen. Das mit dem Funken, der überspringt, kannst du nicht beeinflussen. Er kommt von ganz alleine, wenn du wieder gerne sprichst.
Aber du kannst nicht stotternd dastehen und diesen Funken einfordern! Solange du denkst, wie verrückt andere Menschen sein können, die frei reden, wie sie über dem Abgrund schweben und nicht mal ein Problem damit haben, solange bist auch du meilenweit von einem guten Abend entfernt. Aber anstatt die anderen bei ihren Vorträgen zu beobachten, bist du erstmal auf dich konzentriert. Du machst nur so viel, wie du aushältst. Du MUSST dir nicht mehr zumuten. Man kann auch mal absagen. Aber anstatt dein Leben lang Vorträge zu halten, die mehr schlecht als recht sind, ist es doch viel erfüllender, wenn du aus einer riesigen Bandbreite von Erfahrungen schöpfen kannst. Du weißt, dass es gefährlich sein kann, das haben deine exklusiven Erfahrungen gezeigt, aber eben deshalb kannst du die Menschen auch besser verstehen und für einen guten Abend sorgen. Ob am Ende der Funke überspringt, liegt außerhalb deiner Macht. Du kannst nur das beste dazu tun, dass er sich entfalten kann. Und dann wirst du am Ende vielleicht sogar die Pause lieben, in der du mal nicht weiter weißt, aber das Publikum dich gebannt anschaut und denkt, das sei Teil deiner genialen Lebensperformance.
Ich hoffe, ich konnte mich ein bisschen verständlich machen
@PüppiPauline Willst du wieder dahin, wo du den Dingen keine Bedeutung geschenkt hast? Wenn du in der Welt unterwegs bist, wird es immer gute und schlechte Dinge zu sehen geben. Aber zuhause bleiben ist ja irgendwie auch keine Lösung, oder?