Hallo alle zusammen!
Ich bin jetzt seit ein paar Wochen in der Therapie.
Gleich am Anfang hab ich eine Familienaufstellung gemacht, bei der rausgekommen ist, dass ich mich noch nicht von meinen Eltern gelöst hab und sie sich auch nicht von mir. Meine Mutter ist mir ständig im Nacken gesessen und hat in mir Schuldgefühle versucht einzureden, wenn ich mich zu wenig gemeldet hab. Das war sicher mit ein Grund, warum ich Bindungsangst habe, weil ich nur solch eine Art von Bindung gewohnt war, also so oder so sein musste, um geliebt und nicht kritisiert zu werden. DIesen Mechanismus hab ich unbewusst sicher auf meine Beziehung übertragen, er ist mir aber jetzt bewusst und das Verhältnis zu meinen Eltern hat sich schon sehr gebessert.
Was mir bei euren Beiträgen aufgefallen ist (und bei meiner eigenen Denkweise), dass wir gefühlsmäßig alle keine Graustufen kennen. Wir verlangen von uns selbst und unseren perfekt zu sein - das kann aber kein Mensch erfüllen. Abgesehen davon haben in unserem Herzen mehrere Menschen Platz, sodass das, nur, weil wir einen anderen Menschen außer unserem Partner attraktiv finden, nicht automatisch heißt, dass wir unseren Partner nicht mehr lieben. Leider sind wir keine monogamen Wesen und daher auch nicht für die perfekte immerwährende Liebe zu einem einzelnen Menschen gemacht. Ich weiß nicht, ob euch das hilft.
Etwas, das sicher bei uns allen noch reinspielt, ist, dass jeder Mensch unterschiedliche Nähebedürfnisse hat. Ich denk, gerade für uns Sensibelchen ist es wichtig, unsere Partner nicht anzulügen und ihre Nähe zu suchen, auch wenn uns gerade nicht danach ist. Wahrscheinlich haben wir nie gelernt auf uns und unsere Bedürfnisse zu hören und nach ihnen zu leben ohne Angst zu haben, dass wir dann kritisiert werden. Sei perfekt ist zu unserem Lebensmotto geworden, und genau darum, weil wir den Perfektionsgrad, den wir uns selbst auferlegen, niemals erfüllen können, setzen wir uns alle so unter Druck. Wenn es dann noch dazu um einen Menschen geht, den wir für ganz besonders liebenswert halten, der mit uns im Boot sitzt, führt das dazu, dass wir innerlich ausflippen. Bei einem Typen, der uns nicht wichtig genug ist, oder bei dem wir das Gefühl haben, dass er oder sie nicht von uns emotional abhängig ist, wir uns das niemals passieren. Deshalb tun wir uns ja viel leichter mit den Badboys oder Mädchen, denn sie erwecken unseren Beschützer- bzw. Jagdinstinkt nicht. Erst die emotional verletzliche Seite von Menschen rührt an unserem Problem, weil wir eine Nähe mit diesen Menschen erleben, mit der wir nicht gelernt haben, umzugehen.
Ich glaub, das wichtigste ist, dass wir den Menschen, die mit ins zu tun haben, reinen Wein einschenken und versuchen sollten, in jedem Moment nur das zu tun, was uns auch wirklich gut tut, was sich also mit dem Bauchgefühl vereinen lässt. Wenn wir also keine Lust auf Sex haben, sollten wir uns nicht überreden lassen usw, weil wir uns sonst noch mehr vom anderen distanzieren. Ich denk, solang der andere weiß, dass wir es nicht bös meinen, sondern einfach anders sind, wird er uns das auch nicht übel nehmen. Vielleicht gelingt es uns so mehr und mehr wir selbst sein zu können und irgendwann auch zu begreifen, dass wir gar nicht mehr flüchten müssen, weil wir im Grunde eh so sein dürfen, wie wir wollen.
Gute Nacht,
Artphelia