Ich habe immer weitergearbeitet, egal, wie beschissen es mir ging. Allerdings hatte ich bei all den üblen Symptomen, wie Schwindel, Erbrechen, Ohnmacht, Herzrasen und -stolpern, Atemnot, Kopfschmerzen und Panikattacken nie einen Antriebsverlust.
Arbeit hat mich vor dem Absturz bewahrt, auch wenn sie mich ungeheuer viel Kraft gekostet hat. Meinem Selbstwertgefühl hat es unglaublich gut getan, weiterhin meinen Lebensunterhalt verdienen zu können und meinen Platz in der Gesellschaft zu haben. Mein Job war für mich immer auch ein Raum für Anerkennung und positive soziale Kontakte. Viele meiner Symptome konnte ich am ehesten überwinden, wenn ich gearbeitet habe und funktionieren wollte. Besonders das ganze Hypochondrie-Gedöns ist da ist deutlich zurückgedrängt worden.
Ich habe immer wieder mit dem Gedanken gespielt, mich krank schreiben zu lassen, vor allem, wenn ich Nächte ohne Schlaf hinter mir hatte. Irgendetwas hat mich aber immer davor gewarnt. Ich hatte mordsmäßig Schiss, nicht mehr zurückzufinden, wenn ich erst einmal ausgestiegen wäre.
Gut getan hat mir auch die Struktur. Der Zwang, morgens aufzustehen, zu duschen, Haare zu waschen, mich anzuziehen und pünktlich in der Schule zu sein war gleichzeitig große Last und Rettungsanker. Ich bin auf dem Heimweg oft beinahe im Auto eingeschlafen, weil ich so erschöpft war, aber gleichzeitig war ich auch ungeheuer zufrieden mit mir selbst.
Ich war stolz auch mich, weil ich nicht aufgab - und das hat mir letzten Endes auch geholfen, mich an den eigenen Haaren wieder aus dem Sumpf zu ziehen.
09.12.2020 12:00 •
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