Ja, das stimmt, die Beeinträchtigungen sind tatsächlich immens. Und zumindest bei mir haben sie auch zugenommen. Bevor ich z. B. irgendwohin in den Urlaub fahre, schaue ich immer, wie die notfallmäßige ärztliche Versorgung vor Ort ist - richtig unnötig eigentlich Wenn ich eine alte Omi wäre, wäre es ja nachvollziehbar, aber so... Naja, und Urlaube, wo ich nicht schnell zum Arzt kann im Notfall, kommen (zumindest momentan) gar nicht in Frage. Ich könnte jetzt hergehen und sagen: Dann erst recht - gib der Angst keinen Raum!, aber das Problem ist, dass ich mich dann echt reinsteigere und dann vor Ort garantiert wieder irgendeinen Herzkasper bekomme, weil der Adrenalinpegel einfach schon Wochen vorher konsequent in die Höhe getrieben wurde
Arztbesuche sind für mich auch ein Alptraum. Früher war es genau anders herum - ich bin wegen jedem Mist zum Arzt, hab da schon morgens um 7 an der Tür gekratzt, damit der mir bloß schnell sagt, dass ich nix habe Irgendwann hat aber mal ein Arzt was entdeckt, was eigentlich gar nicht schlimm war, aber er hat es so doof verkauft, als dass ich tagelang nur noch geheult hab, weil ich echt dachte, ich hab Krebs. Seitdem arbeite ich daran, zumindest regelmäßig zu den Routineuntersuchungen zu gehen und dabei einigermaßen ruhig zu bleiben. In den ersten Monaten nach diesem Erlebnis musste immer mein Mann mitkommen, alleine ging das irgendwie gar nicht. Mittlerweile gehe ich überwiegend wieder alleine und jetzt hab ich auch alle wichtigen Vorsorgeuntersuchungen wieder regelmäßig gemacht, so dass ich nicht mehr soviel Angst haben muss, dass irgendwas Schlimmes viel zu spät entdeckt wird. Aber das war echt Aufbauarbeit und das ging auch nur mit Therapie
Insofern kann ich deine Angst vor Ärzten total gut verstehen.
Was die Familie anbelangt, so gehe ich mittlerweile total offen damit um. Es bleibt mir auch nicht viel, weil ich, wenn ich richtig schlimme Phasen hab, sowieso so fertig bin, als dass man es mir ansieht und ich, außer zum Heulen, zu nichts zu gebrauchen bin. Gott sei Dank ist das mittlerweile relativ selten so schlimm. Aber so richtig nachfühlen, was diese Angst einem für Qualen bereitet, kann natürlich keiner. Und das kann man - da gebe ich dir recht - auch nur schwer beschreiben. Wichtig war aber für mich, dass meine Freunde z. B. wissen, dass, wenn ich mich mal eine Zeit lang nicht melde oder mich nicht treffen kann, kein Desinteresse dahinter steckt, sondern eben einfach meine Erkrankung. Die müssen das gar nicht nachfühlen können, aber sie sollen es wissen, damit sie nicht denken, sie seien mir plötzlich nicht mehr wichtig. Naja, und mein Mann - der bekommt natürlich immer alles hautnah mit. Irgendwann hat er mal zu mir gesagt, ich solle ihn als meinen Blindenhund betrachten: In Phasen großer Angst bin ich blind für realistische Ansichten auf meine Symptome und er führt mich dann mit seinen Augen da durch. Das war so ein schöner Vergleich, das hab ich nie vergessen. Und es war auch einfach so unglaublich tröstlich - zu wissen, dass jemand da ist, der dich immer auffängt und hält, egal wie schlimm es wird.
22.03.2018 15:35 •
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