@Kuddel Ich glaub dir, dass du aufgeregt bist. Du hast dir ja schließlich viele Sorgen wegen dem Urlaub gemacht. Ich wünsche dir, dass du dich nach und nach etwas entspannen und die Zeit zumindest ein bisschen genießen kannst. Ich hab nochmal überlegt, dass dein Stolpern für mich (!) wirklich eher wie ein rein stressbedingtes Stolpern klingt. Die Schilddrüse ist ja wieder in der Norm, am Herz ist auch nichts, und du hast viele Ängste und Sorgen zur Zeit. Und rein von der Zahl der Stolperer her, ist das ja alles absolut in der Norm, also unter 500 am Tag, was so viel bedeutet, dass quasi jeder (so um die 70%) so viele Stolperer am Tag hat (also zwischen 1 und 500). Das Blöde ist eben nur, dass du zu den unglücklichen 30% gehörst, die sie spüren, und dir so große Sorgen darum machst. Was aber auch völlig verständlich ist in dieser unsicheren gesundheitlichen Phase. Trotzdem sehe ich weiter keinen objektiven Anlass zur Sorge, was das Herzstolpern betrifft. Ist ja nicht so, dass du immer mal ohnmächtig wirst oder keine Luft bekommst und die Ärzte dich nicht ernstnehmen. Da würde ich auch sagen: Geh nochmal zu einem anderen Arzt, der dich ernstnimmt.
Das Blöde am Stolpern ist, glaube ich, vor allem, dass man keine Kontrolle darüber hat. Es passiert in einem lebenswichtigen Organ, das ist uns bewusst. Und es kommt völlig willkürlich, einen Tag ganz viel, den anderen weniger. Es gibt keine so richtige Erklärung. Ärzte sagen immer nur, dass es nichts Schlimmes ist. Dass es was mit dem Nervensystem zu tun hat, muss man sich so ein bisschen selbst erschließen. Und selbst das wirkt nicht sehr greifbar, es ist schwammig und irgendeinen Test, der das bestätigt, kann man auch nicht machen. Und dann kann man auch nicht direkt etwas gegen das Stolpern tun. Okay, man kann Betablocker nehmen, aber die wirken nicht immer und können einen ziemlich lahmlegen. Antiarrythmika und Ablation kommen nur für schwere Fälle in Betracht. Also bleiben einem Allgemeinmaßnahmen, bei denen man aber nicht weiß, ob und wann sie helfen. Das alles ist wahnsinnig schwierig für alle, die gerne über alles die Kontrolle haben. Die vielleicht in einem Umfeld aufgewachsen sind, das sich sehr unvorhersehbar angefühlt hat, weshalb man ohnehin lieber auf der Hut ist und alles nach Möglichkeit kontrolliert, weil ja sonst was Schlimmes passieren könnte. Und nun sind da diese Stolperer, die sich eben völlig dieser Kontrolle entziehen. Und da schlägt das alte Programm im Kopf Alarm: Wir haben hier keine Kontrolle, das heißt, hier droht Gefahr! Alle auf die Barrikaden! SOS! Und hier kann es vielleicht helfen, sich das immer wieder bewusst zu machen: Hier springt ein altes Muster an, das früher hilfreich und notwendig war, aber jetzt nicht mehr zielführend ist. Dass wir gar nicht in Gefahr sind (ärztlich und durch zig andere, die auch Herzstolpern haben und immer noch leben, bestätigt). Und dass wir dieses Programm beruhigen können - mit sehr viel Zeit und sehr sehr vielen Wiederholungen. Und das wiederum kann sich sehr wahrscheinlich auch positiv auf die Stolperer auswirken, da sie ja was mit dem Nervensystem zu tun haben. Und je mehr man beruhigend darauf einwirkt, desto weniger stolpert auch das Herz (auch wenn es vielleicht nicht auf 0 zurückgeht).
Vielleicht auch noch was Hoffnungsvolles: Mein Vater hat mir erzählt, dass er auch lange Herzstolpern hatte. Zwar nur ab und an, aber er hat das immer als sehr heftig erlebt, mit einer langen Pause, bei der ihm schwindlig wurde, bis das Herz wieder weiterschlug. Er war deswegen nie beim Arzt, weil er ja nicht wirklich umgefallen ist, und mein Vater geht doch nicht zum Arzt, ich bitte euch (ist ihm später mal zum Verhängnis geworden, aber er lebt, also alles gut) Jedenfalls sagte er, dass es dann plötzlich weg war und er das seit vielen Jahren nicht mehr hatte. Sowas kann sich auch wieder ändern. Herzzellen erneuern sich auch mal und das kann auch die betreffen, die gerade so übersensibel sind. Und die neuen sind dann vielleicht etwas robuster und reagieren nicht so leicht auf extra Reize.
Und vielleicht auch nochmal zum Verständnis: Das Herz ist ein ganz sensibles, aber auch sehr robustes Organ. Sein Job ist es zu schlagen, deswegen hat es hier auch viele Mechanismen, damit das möglichst gewährleistet ist. Z. B. dass der Takt, der vom Sinusknoten vorgegeben wird, auch vom AV-Knoten oder von anderen Herzzellen übernommen werden kann, falls mal was ausfällt. Und darum sind auch alle Herzzellen miteinander verbunden, d.h. wird eine aktiviert, werden auch immer zwangsweise alle anderen mit aktiviert, egal ob das vom Sinusknoten kommt oder von woanders her. So nach dem Motto: Lieber einmal zu viel schlagen, als zu wenig (oder gar nicht). Darum entstehen eben diese zusätzlichen Herzschläge: Eine Zelle wird im Herzen aktiviert, also müssen alle anderen mitmachen, ob sie wollen oder nicht. Das Ganze ist aber bei einem organisch und elektrisch gesunden Herzen selbstbegrenzend, d. h. der Sinusknoten funktioniert ja trotzdem immer noch und löst dann den nächsten, normalen Schlag wieder aus. Bis dann wieder die andere Herzzelle aktiviert und wieder einen Extraschlag auslöst. Aber selbst wenn die sich tatsächlich abwechseln, also immer ein normaler und ein Extraschlag kommen, ist das trotzdem nicht gefährlich, weil das Herz ja trotzdem tut, was es soll: Blut durch den Körper pumpen. Beim rhythmischen Herzschlag wird eben bei jedem Schlag etwa gleich viel Blut gepumpt, in Ruhe etwa 70 Milliliter. Das heißt, es braucht etwa 70 Schläge, also ca. 1 Minute, bis einmal die 5 Liter Blut, die man hat, durch den Körper durchgewälzt sind. Und beim Stolpern wird beim Extraschlag etwas weniger Blut weitergeschoben, weil die Herzkammer noch nicht wieder vollständig mit Blut gefüllt war, sagen wir, vielleicht 40 Milliliter. Dann kommt die Pause, in der sich die Herzkammer mit mehr Blut füllt, so dass beim nächsten, normalen Schlag 100 Milliliter ausgeworfen werden. So dass in einer Minute ebenfalls das ganze Blut einmal durch den Körper transportiert wird, nur eben nicht ganz so gleichmäßig. Die Organe sind aber trotzdem jederzeit ausreichend versorgt, weil die Zeit zwischen dem Extraschlag und dem nächsten viel zu kurz ist, als dass das irgendeine Auswirkung hätte. Rein biologisch also wirklich irrelevant, deswegen wirken die Ärzte auch immer so völlig tiefenentspannt, das man sich fragt, ob die einen überhaupt ernstnehmen. Das Problem ist wirklich nur, dass man es merkt und dass man sich (unnötig) Sorgen macht, wenn man dazu neigt (siehe oben).
So, das war mein Wort zum Sonntag Vielleicht schreibe ich mal irgendwann noch ein Buch übers Herzstolpern
18.08.2024 08:08 •
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