@Chrissiii
Du fragtest mich direkt, warum ich so sicher sagen kann, dass du nicht diese Krankheit hast, vor der wir uns alle fürchten. Natürlich gibt es nie, wirklich nie im Leben, absolut sichere Aussagen. Aber es gibt eine mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, und in deinem Fall liegt die bei dir vor. Schon weil du bereits mehr als gründlich untersucht wurdest und weil du noch zu jung bist. Ja, es gibt Ausnahmen, aber das sind die extremsten und seltensten Fälle.
Natürlich kann man immer grübeln. Mir könnte auch ein Dachziegel auf den Kopf fallen oder ein Meteorit. Aber wie wahrscheinlich ist das? Ist es das wert, durch ständige Gedanken daran sich das schöne Leben zu vermiesen?
Und noch etwas. Glauben. Ich meine das nicht religiös.
Aber warum glaubst du nicht den positiven Aussagen der Ärzte?
Das ist doch wesentlich zielführender, als das Schlechte zu suchen?
Ich spreche aus Erfahrung, ich schrieb doch schon, dass mich diese Gedankenhölle seit meiner Kindheit begleitet, ich kenne genau das, was du gerade erlebst.
Zwei Erfahrungen haben mir geholfen.
Ganz schlecht ging es mir nach dem Tod meiner Mutter.
Ich hatte plötzlich all die Symptome, die sie vor ihrem Tod hatte, war aber zum Glück noch viel zu jung für so etwas. Aber egal. Ich spürte all diese Symptome und mir wurde kochend heiß vor Todesangst. Ich lag schweißgebadet im Bett, tastete an mir herum, weinte, weil ich sterben muss.
Als ich es nicht mehr aushielt, ging ich tatsächlich zu einem Neurologen. Damals kam man noch schnell an einen Termin. Ich erzählte diesem erfahrenen Arzt meine ganze schreckliche Geschichte. Er untersuchte mich und dann gab er mir einen Satz mit auf den Weg, an den ich mich bis heute festhalte, wenn ich abzustürzen drohe.
Er sagte, die Wahrscheinlichkeit, in einer Familie zwei mal so eine Erkrankung zu haben, die ist geringer, als zwei Sechser im Lotto in einem Leben.
Und, man solle sich davor hüten, am furchtbare Krankheiten zu denken, wenn man sie nicht hat.
Natürlich hätte ich im Anschluss Googeln können, seinen rettenden Satz infrage stellen und dann wäre mir diese Rettung zerstört worden. Ich werde mich hüten daran zu rühren.
Wir müssen auch einmal glauben können und dem Guten im Leben vertrauen.
Wenn mir heute ein Arzt sagt, ich habe nichts, dann bin ich froh und beginne nicht zu zweifeln.
Und dann verlieren die Symptome, die damit natürlich nicht sofort verschwinden, ihren Schrecken.
Ich kann dir von einer weiteren Situation berichten. Da geht es tatsächlich um Lymphknoten,
passt also gerade.
Ich entdeckte einen Lymphknoten hinterm Ohr, weil ich mir eine schicke Frisur zugelegt hatte.
Sofort Todesangst. Absturz von einer Sekunde zur anderen. Von Lebensfreude zum sicheren Tod.
Ich ging zu meinem alten Hausarzt, der nun leider nicht mehr lebt. Er kannte mich und meine Angst von Kindheit an. Er sagte nur: Gehe mal ein Stockwerk höher, da ist der Zahnarzt.
Ich hatte übrigens eine starke Zahnarztangst.
Der fand einen Eiterherd an der Zahnwurzel, das war absolut eindeutig. Der Zahn kam raus.
Meine Erleichterung währte nur kurz.
Der Lymphknoten blieb.
Die Zweifel setzten ein, ich nenne sie Gift, Dämonen, die uns aus dem Lebensglück reißen wollen.
Immer wieder tastete ich diesen Lymphknoten, es lähmte mich, zerstörte wirklich mein schönes Leben.
Wieder rannte ich zu meinem guten Hausarzt, der mir geduldig erklärte, so ein Lymphknoten könne durchaus lebenslang vergrößert bleiben, wenn er durch die Vereiterung so lange kämpfen musste. Dann bleibt er halt etwas größer, na und?
Warum konnte ich Idiot das nicht glauben? Wieder kamen die Dämonen um mein Leben und das meiner Mitmenschen, die mit mir zusammen sind, zu vergiften.
Ich las über Morbus Hodgkin, Lymphome, sämtliche Formen der Leukämie.
Ich war sicher sterben zu müssen und rannte zu einem anderen Arzt.
Ob der mich durchschaute und es mit Absicht tat, ob er nur sorgfältig seine Pflicht tun wollte?
Ich weiß es nicht.
Er ordnete sofort einen ganzen Stapel von Untersuchungen an.
Lungenfunktion, EKG, Schädel Ct
Da wurde ich wach, sagte endlich einmal ganz klar NEIN!
Ich bin weder lungenkrank, noch herzkrank noch habe ich es im Kopf.
Ich wusste, dass ich mich durch diese, unnötigen Untersuchungen in eine ganz gefährliche Spirale begebe. Ich sagte ihm das und bin dort nie wieder hingegangen.
Das ist einige Jahrzehnte her. Der Lymphknoten ist jetzt tatsächlich fast verschwunden, ich taste aber tunlichst nicht mehr daran herum.
Was ich mit meiner Geschichte sagen will ist, man muss auch einmal etwas Gutes glauben, das einem gesagt wird. Warum immer das Schlechte suchen?
Ich weiß, dass du die Symptome hast, sie sind natürlich nicht eingebildet, aber sie werden auch vergehen, sie werden einen relativ ungefährlichen Grund haben und du wirst daran nicht sterben.
Ich wünsche Dir wirklich etwas Licht in deiner Lage.
22.10.2021 09:32 •
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