Lieber Chrissiii,
vielen Dank für Deine lieben Worte!
Zitat von Chrissiii: Ich bin fasziniert, wie du den Umgang mit deiner Krankheit beschreibst.
Das ist lieb von Dir, vielen Dank! Es hört sich aber bestimmt besser an, als es im Endeffekt ist. Ich bin noch lange nicht auf dem Level von radikaler Akzeptanz, auf dem ich gerne wäre. Aber ich merke, dass das Konzept der radikaler Akzeptanz mit guttut. Ich habe auch wirklich viele Tage, an denen es mir alles andere als gut geht.
Aber inzwischen kann ich auch die Tage sehen, an denen es vielleicht mal etwas weniger ätzend und schlimm ist. Ich habe bereits mein Leben lang mit massiven Ängsten zu tun, und die Diagnose einer Erkrankung, bei der es plötzlich nie wieder Sicherheit geben wird, weil niemand etwas über den Verlauf sagen kann, das war der bislang härteste Lehrmeister, der mir begegnet ist...
Die erste Zeit war heftig, ich war wirklich nur noch von panischen Ängsten zerfressen, ich habe kopflos alles an Literatur gelesen, was ich in die Finger bekommen konnte, habe alle 3 Wochen meine Ernährung radikal umgestellt, jedes noch so obskure Heilversprechen inbrünstig recherchiert...
Und eines Tages war ich davon so erschöpft, dass ich mehr und mehr Schübe bekommen habe und es mir immer schlechter statt besser ging. Das war der Moment, an dem ich gemerkt habe, dass ich etwas ändern muss. Selbst meine Ärzte haben gesagt, dass ich ganz dringend loslassen muss, dass ich durch mein Verhalten und den Stress, den ich mir mache, meine Erkrankung verschlimmere.
Und dann habe ich angefangen, mich intensiv um meine Psyche zu kümmern. Und das hat dann die Verbesserungen gebracht, die mir die schon fast obsessive Beschäftigung mit der Erkrankung eben genau nicht gebracht hat. Ich kann nur bedingt beeinflussen, was mein Körper tut. Ich bin nicht ganz ohne Einfluss auf ihn, ich kann mich bemühen, ihn mit einer möglichst gesunden Lebensführung zu unterstützen, aber im Endeffekt tut er dann doch, was er will. Ich kann nur meine Einstellung zu all dem verändern. Ich habe eine ganze Zeit im worst case gelebt, obwohl der zu dem Zeitpunkt noch gar nicht da war. Ich habe mir quasi selber die Hölle geschaffen, vor der ich eigentlich Angst hatte.
Und dann wurde es besser. Ich bin nicht mehr in Panik geraten, wenn mein Handyakku mal leer war. Ich komme inzwischen mit einem MRT alle 1-2 Jahre aus, ich habe nicht mehr das Bedürfnis, meinen Kopf ständig durchleuchten zu lassen, um zu sehen, was sich vielleicht verschlechtert hat.
Ich mache die Untersuchungen, die nötig sind, aber abseits davon versuche ich, meine Psyche in Ordnung zu bringen, die ist meine Priorität geworden.
Zitat von Chrissiii: Mit der Aussage, dass nichts kontrolliert werden kann und man nicht viel außer ein paar begrenzte Dinge tun könnte, um eventuell gesund zu bleiben macht mir Angst
Das kann ich sehr gut verstehen, mir macht das auch immer noch Angst, aber ich akzeptiere es inzwischen als eine Realität, gegen die ich eh nichts machen kann.
Zitat von Chrissiii: Bin da wohl noch weit entfernt von, um solche Gedanken zuzulassen.
Das ist auch völlig ok, das braucht seine Zeit, ich habe Dir ja auch (wenn ich das richtig im Kopf habe) 7 Jahre Therapie voraus. Nach meinem dritten Jahr Therapie war ich auch noch völlig anders drauf. Es gibt also Hoffnung! Es kann besser werden mit den Ängsten, man braucht nur sehr viel Geduld und den unbedingten Willen zur Veränderung.
Zitat von Chrissiii: Ich würde am liebsten nur dauerhaft überwacht werden, um dann noch schnellstmöglich reagieren zu können
Deine Angst möchte das, ich glaube nicht, dass Du das wirklich möchtest. Was wäre das für ein Leben? Du würdest Dir damit selbst Dein eigentliches Leben vorenthalten. Ein Leben in konstanter Überwachung ist etwas für Endstadien von Erkrankungen. Du hast bislang noch nicht einmal Anfangsstadium, lebst aber in Teilen bereits ansatzweise so, als hättest Du bereits ein fortgeschrittenes Stadium.
Vielleicht solltest Du Dich wirklich einmal ganz genau fragen, wovor Du eigentlich ganz konkret Angst hast bei der Erkrankung. Welche Konsequenzen sie auf Deine Lebensführung hätte. Welche Einschränkungen Du in Kauf nehmen müsstest. Und dann wirf' einen Blick auf Dein Leben jetzt gerade und frage Dich, wie dicht dran Du an diesem erkrankten Zustand, vor dem Du solche Angst hast, jetzt schon dran bist. Ständige Angst, ständige Untersuchungen, sehr viele Gedanken drehen sich um die Erkrankung... Für mich klingt das so, als würdest Du Dir ansatzweise (ähnlich, wie ich es getan habe) die Hölle selber erschaffen, vor der Du solche Angst hast.
Zitat von Chrissiii: Das Thema ist nun in meiner Gruppe angekommen und die Therapie muss darauf ausgelegt werden bei mir.
Das ist super , und ich bin fest davon überzeugt, dass das der Weg ist, auf dem es Dir irgendwann besser gehen wird! Ich glaube an Dich!
Zitat von Chrissiii: Ich wünsche dir auch von Herzen alles erdenklich Gute und hoffe für dich, dass du auch weiterhin aufstehen wirst und dein Leben lebst.
Vielen lieben Dank, das ist lieb von Dir, und ich wünsche Dir das auch!
Ich drücke Dir alle Daumen und wünsche Dir ganz viel Kraft und Erfolg für Deinen neuen Weg !
LG Silver