Zitat von paradox1201:Man weiß es ganz sicher und zu fast 100%
Man weiß es nicht. Man redet es sich ein. Und die Frage dahinter ist, warum man seinen Verstand nicht dazu nutzt, sich mit der gleichen Intensität vom Gesundsein zu überzeugen.
In aller Regel ist es ein fehlgeleitetes Sicherheitsbedürfnis, das sich auf einer kindlichen Ebene bewegt. Wir vertrauen uns selbst und unseren eigenen Entscheidungen nicht und wollen die Verantwortung für unser Leben nicht übernehmen.
Stattdessen wollen wir bei jemandem auf den Arm, der uns garantiert, dass alles in Ordnung ist. In vielen Fällen ist das ein Arzt. Bei ausgeprägter Hypochondrie gerne auch viele Ärzte.
Der Weg in die Heilung führt aber darüber, bereit zu sein, die Verantwortung für das eigene Leben wieder selbst zu übernehmen und zu vertrauen. Spätestens dann, wenn man eine Diagnose erhalten hat.
Krank sein hat unglaublich viele Vorteile, auch wenn jeder Hypochonder seine Ängste verflucht. Es bewahrt einen vor anstehenden Herausforderungen, hindert einen am Arbeitengehen, schafft Auszeiten und vor allem ermöglicht es die Abgabe von Eigenverantwortung.
Man merkt das dann, wenn man an genau diesen Schrauben zu drehen beginnt. Zur Arbeit gehen, obwohl einem schwindlig und übel ist. Sport treiben, obwohl das Herz rast und stolpert. Nicht mehr googeln. Sich nicht mehr im Forum rückversichern, dass man an diesem Symptom nicht stirbt. Dann geht es einem meist erst mal noch viel schlechter.
Die Angst vor schwerer Krankheit und Tod ist die vor dem totalen Kontrollverlust. Die versucht man durch übertriebene Aufmerksamkeit zu verhindern, und weil man sich nicht zutraut, das eigene Leben zu retten und gut für sich zu sorgen, schreit man nach anderen.
Deswegen ist es auch so schwer, da auszusteigen. Da muss man nämlich aktiv selber ran. Man muss seine Gedanken steuern, seine Verhaltensweisen ändern, sich anstrengen, obwohl es weh tut. Und keiner ist da, der einem garantiert, dass man das richtig macht.
Aber die Entscheidung, die Verantwortung für uns übernehmen und tragen zu wollen, müssen wir mit allen Konsequenzen treffen, wenn die Angst aufhören soll. Indem wir uns Krankheiten und Schwäche einreden und uns davon überzeugen, dass diese tatsächlich vorhanden sind, schaffen wir uns die Legitimation, schwach sein zu dürfen. Wir können ja nichts dafür. Und dafür wollen wir Verständnis und Zuwendung - besonders dann, wenn die reale Welt nicht mehr bereit ist, unser Getue zu stützen.
Wie oft liest man hier, dass die Psyche schuld hat. Bulls.hit. Wir denken das, was wir denken wollen. Wir fühlen uns totkrank, weil das einfacher ist, als konsequent Verantwortung für unser Leben zu übernehmen.
Risiken gehören dazu. Niemand garantiert uns, dass wir nicht irgendwann lebensbedrohend krank werden. Es gibt sogar die absolute Sicherheit, dass wir eines Tages sterben werden. Die Frage ist aber, wie wir bis zu diesem Moment leben wollen.