Ich bin ja im letzten Jahr hier im Forum aufgeschlagen, weil mich Corona stark getriggert hat. Ich wäre damals gerne den klassischen Weg des Meidens gegangen und hätte mich am Anfang am liebsten zu Hause verbarrikadiert.
Da das aber - glücklicherweise - nicht möglich war, weil ich zum einen arbeiten und zum anderen meinen Vater versorgen musste, der 6 Kilometer entfernt wohnt, hatte ich die Wahl, mich der Angst hinzugeben oder zuzusehen, dass ich es irgendwie für mich geregelt kriege.
Dabei habe ich, wie schon zu anderen Zeiten meiner Angst, mal wieder festgestellt, wie viel besser es mir sofort geht, wenn ich aktiv etwas tun kann. Also habe ich an Informationen eingesaugt, was ich kriegen konnte und dann Strategien entworfen. Ich war die Erste - und lange Zeit die Einzige - mit Maske überhaupt und mit FFP-Maske im Besonderen an meiner Schule. Ich habe permanent Druck gemacht, Konferenzen nicht in Präsenz stattfinden zu lassen und meinen Aufenthalt im Lehrerzimmer auf ein MInumum beschränkt. Und ich habe meine Studis gebeten, in meiner Gegenwart MNS zu tragen, lange bevor diese verpflichtend waren.
Irgendwie hat Corona damit nach und nach seinen Schrecken verloren. Am Anfang war jeder Besuch im Supermarkt wie ein Spießrutenlauf, den ich in Hektik und nassgeschwitzt hinter mich gebracht habe. Dann habe ich begonnen, die Zeiten so zu wählen, dass ich auf wenig Kundschaft stoße. Da ich Lebensmittel ohnehin nur im Biomarkt kaufe, kam mir das entgegen. In den Dro.geriemarkt bin ich an freien Unterrichtstagen morgens zur Ladenöffnung gefahren. Die meisten Leute kommen später, und ich bin auch heute noch oft allein im Laden, wenn ich um diese Zeit gehe.
Auch an das Treffen mit meiner Tochter und meinen Enkelkindern habe ich mich rangetastet. Nachdem wir uns monatelang gar nicht gesehen haben, haben wir begonnen uns draußen zu treffen. Erst auch da mit Maske, mittlerweile ohne, aber mit Abstand. Das Treffen mit einzelnen Freunden ist dem gefolgt. Meinen Vater besuche ich nach wie vor nur mit FFP-Maske, die ich auch trage, wenn ich ihn im Auto fahren muss, obwohl das verboten ist.
Ich merke inzwischen, dass ich bei manchen Dingen tatsächlich bewusst vorsichtig sein muss, weil ich sie nicht mehr als bedrohlich wahrnehme, nachdem bisher nichts passiert ist. Heute war ich z.B. mit Tochter und Enkelkind beim Schlittenfahren und stand am Schlittenhang immer wieder maximal 1,50m von fremden Leuten weg - ohne Maske. Das wäre mir noch vor 2 Monaten nicht passiert.
Auch wenn im Freien und für die kurzen Momente das Risiko gering ist, muss ich darauf wieder ein wenig bewusster achten, vor allem angesichts der Virusmutationen. Dennoch: Die Strategie, mich der Situation zu stellen und gangbare und sichere Wege zu suchen, mich in der Öffentlichkeit zu bewegen, hat mich insgesamt stark entlastet. Ich habe nach wie vor großen Respekt vor der Krankheit und kann meine Impfung kaum erwarten, aber ich kann wieder normal leben - so wie die Umstände Normalität eben zulassen, wenn man sich in sicherem Rahmen bewegen will.
Dankbar bin ich grade für den Distanzunterricht. Es wird tatsächlich wieder eine neue Herausforderung werden, angesichts der Virusmutation ab voraussichtlich Februar wieder in der Klasse zu stehen. Auch da überlege ich bereits, wie ich das für mich entschärfen kann. Eine Strategie wird sein, die Studis zu bitten, sich FFP-Masken statt der normalen MSN zuzulegen. Eine weitere, meine Aushilfstätigkeit in der Grundschule, die Ende Januar vorerst endet, nicht zu verlängern, obwohl ich bereits darum gebeten wurde. Die Unwägbarkeiten dort sind mir doch zu groß, zumal viele Eltern einfach total unvernünftig sind. So viel bescheuertes Pseudo-Glucken-Getue wie in den letzten vier Monaten habe ich selten erlebt.
Fazit: Handlungsfähig bleiben ist für mich essenziell. Vielleicht kann das ja auch bei dem/ der einen oder anderen unter euch ein Weg sein, nicht so sehr der Angst nachzugeben?