ich bin auf dieses Forum gestoßen, da ich einem Rat meiner Therapeutin gefolgt bin: Statt in besonders ängstlichen Episoden meine körperlichen Symptome zu googlen, sollte ich das Internet nach Angststörung, Krankheitsangst und Hypochondrie befragen. So bin ich hier gelandet. Als stiller Mitleser habe ich mich durch die Berichte anderer Betroffener ein bisschen beruhigen können. Es tut gut zu wissen, dass es anderen fast genauso geht, wie mir. Deswegen möchte ich auch von mir berichten, in der Hoffnung anderen helfen zu können und natürlich, um mir selbst zu helfen.
Kurz zu mir: Ich bin 45 Jahre alt, männlich und schon immer ein introvertierter, schüchterner, ja ängstlicher Typ gewesen. Ich befinde mich seit 2 Monaten in ambulanter Psychotherapie (tiefenpsychologisch) und nehme seit einer Woche Escitalopram gegen Depression und Angst.
Sorge um meine Gesundheit hatte ich schon immer - mal mehr, mal weniger. Hauptsächlich ging es um Brust- und Rückenschmerzen und damit einhergehend die Angst vor Herzinfarkt und Lungenkrebs. Richtig akut wurde es im Sommer '23 - da bekam ich auch andere Symptome.
Wie kam es dazu?
Vor gut einem Jahr wurde bei meiner Partnerin Brustkrebs diagnostiziert.
Trigger
Sie hatte nach einem ausgiebigen Hausputz einen etwa 2cm großen Knoten in der Brust ertastet. Es folgten Mammographie, Sonographie, Biopsie. Schnell stellte sich heraus, dass es sich um ein Stage 1, Grad 2, hormonabhängigen Tumor handelt und es keine befallenen Lymphknoten und Fernmetastasen gab. Es war also gut zu behandeln. Die Heilungschancen lagen nahe bei 100%. Eine brusterhaltende Operation und Bestrahlung beseitigten das bösartige Ding. Seitdem nimmt sie Tamoxifen, um Rezidive zu vermeiden.
Die Behandlung zog sich bis in den Frühsommer hinein. In dieser Zeit wollte ich, so gut es ging, für sie da sein. Ich ließ mich, wann immer möglich, von der Arbeit freistellen und unterbrach mein Studium, dass ich neben der Arbeit betreibe für das Semester. Ich begleitete sie zu den Bestrahlungen. Machte mir ihr zusammen und auch für mich alleine Termine bei der Psychoonkologie. Ich versuchte alles, damit wir beide da unbeschadet raus kommen.
Im Sommer wurde es dann aber sehr stressig. Ich hatte viel auf Arbeit zu tun und musste Prüfungen im Studium ablegen. Das habe ich gut unter einen Hut bekommen und mir danach 2 Wochen Urlaub mit meiner Partnerin, der es immer besser ging, versprochen.
Am ersten Urlaubstag (Mitte August) begannen dann die Verdauungsprobleme.
Ich hatte fürchterlichen Durchfall und null Appetit, was sehr ungewöhnlich war, da ich eigentlich ein sehr guter Esser bin.
Am zweiten Tag fuhren wir tatsächlich in den Urlaub, obwohl ich immer noch appetitlos war und mein Magen-Darm-Trakt die sonderbarsten Geräusche von sich gab. Ich hatte dauernd das Gefühl, dass ich mal auf die Toilette müsste, aber da kam trotz Drücken nichts. Und so handelte ich mir Hämorrhoiden ein. Während der gesamten Urlaubswoche hatte ich mit Appetitlosigkeit und Verdauungsproblemen zu kämpfen. Schmerzen hatte ich nur minimale und sehr sporadisch. Mal ein Drücken, mal ein Ziehen.
Ich wurde immer besorgter, weil ich Magenverstimmungen nur als maximal eintägige Angelegenheiten kannte und googelte Symptome.
Ein Fehler. Ein großer Fehler. Ich war mir sicher, dass es entweder Darm- oder Bauchspeicheldrüsenkrebs sein müsse, was mir die ganze Urlaubsreise vermieste. In dieser Woche hatte ich 5 Kilo abgenommen.
Also nach dem Urlaub zur Ärztin. Blutbild. Überweisung zum Ultraschall und zum Proktologen wegen der Hämorrhoiden.
Blutbild war gut. Ultraschall: Fettleber (nicht überraschend) und Meteorismus - also auch nichts bedrohliches. Für mich dennoch beängstigend war, dass die Pankreasregion aufgrund der Luft im Darm nicht genau beurteilt werden konnte. Ich versuchte mich dadurch zu beruhigen, dass die HÄ explizit erwähnt hatte, die Werte für die Bauchspeicheldrüse erheben zu wollen (was auch immer man daraus lesen kann) und es da ja nichts gab.
Der Proktologe setzte mich auf Flohsamenschalen und behandelte in 3 Sitzungen die Hämorrhoidenprobleme.
Während dieser Zeit hatte ich immer wieder Auffälligkeiten mit dem Stuhlgang und der Verdauung im Allgemeinen. Jedenfalls bildete ich mir das ein. Vor allem, dass hin und wieder Schleim dabei war, der Stuhl alle möglichen Formen und Farben hat und auf dem Wasser schwamm, beunruhigte mich, da ich das als Symptom für eine Krebserkrankung ergoogelt hatte. Vergangene Woche war die letzte Sitzung beim Proktologen - ich soll die Flohsamenschalen weg lassen, Präbiotics nehmen und in einem Monat noch einmal kommen. Wenn der Stuhlgang dann immer noch doof ist, wird eine Darmspiegelung anberaumt.
Das komische war, dass die Magen-Darm-Beschwerden für einen Monat im November fast verschwunden waren. Ich hatte Mordsappetit, der Stuhlgang schwamm zwar noch immer, aber das schob ich auf die Ballaststoffe und ich nahm wieder zu, bis ich (leider) wieder mein Ausgangsgewicht erreicht hatte.
Zu dieser Zeit hatte sich meine Angst allerdings ein neues Opfer gesucht: Leberflecke und Warzen an meinem Körper. Ich stellte eine Verbindung zu den Verdauungsproblemen her: Das Leser-Trélat-Syndrom. Ich beobachtete Tag und Nacht meine Wucherungen am Körper. Zählte sie, pulte an ihnen rum und lebte in fürchterlicher Angst, dass sie sich vermehren würden.
Zu dieser Zeit begann ich die Psychotherapie, die ich dank der Verbindungen der Psychoonkologin schnell bekam. So ging die Angst vor den eigentlich normalen und unbedenklichen Hautphänomenen weg.
Und schwupps: Da waren wieder meine Verdauungsprobleme. Heftiger als je zuvor. Druckgefühle, Stechen in Bauch und Rücken, wechselnder Stuhlgang. Nächtliche Panikattacken in der Adventszeit. Ich begann wieder Symptome zu googeln. Ich besprach mit meiner Therapeutin den Einsatz von Antidepressiva. Sie stimmte zu und ich ließ mir Anfang des Jahres eins verschreiben, dass ich nun nehme.
Gestern Abend war ich alleine zu Hause und wurde wieder von Angst überwältigt. Erst hatte ich Symptome gegoogelt, dann mich an den Rat der Therapeutin erinnert.
Ich hoffe, dass ich mir hier die Angst von der Seele schreiben kann und vielleicht auch den ein oder anderen Rat erhalte.
Liebe Grüße und Alles Gute.
09.01.2024 11:00 • • 18.01.2024 x 1 #1