ich schreibe hier, weil ich es nicht länger aushalte, die Sorgen und Nöte, die ich momentan durchstehe, in mich hineinzufressen. Da ich nicht nur unter Krankheitsangst, sondern auch unter Panikattacken mit Agoraphobie leide, wusste ich zuerst nicht, wo ich diesen Thread eröffnen sollte. Da ich aber davon ausgehe, dass die Panik von der Krankheitsangst kommt, denke ich, dass hier der beste Platz dafür ist. Um nachvollziehbar erklären zu können, woher meine Probleme kommen, erst einmal einige Infos zu mir:
Ich habe Ängste, seit ich denken kann, war schon immer ein ängstliches Kind, da ein Teil meiner Familie väterlicherseits unter Hypochondrie leidet (jedoch nie in Behandlung gewesen ist). Mir selbst geht es nicht anders. Mit 14 das erste Mal Panikattacken aufgrund neurologischer Symptome und Migräne mit Aura, die damals neu aufgetreten ist. Mit um die 20 dann wieder, als ich zum Studieren weggezogen bin, in einer extrem heftigen Prüfungsphase kamen die Ängste wieder. Als ich ein weiteres Mal für ein Aufbaustudium umgezogen bin, habe ich erstmalig eine kognitive Verhaltenstherapie wegen generalisierter Angststörung und Panikattacken mit Agoraphobie gemacht. Die Therapie hat wahnsinnig gut geholfen und ich war für etwa 5 Jahre völlig angstfrei.
Mit Mitte 20 ging es dann von vorne los, nur dieses Mal anders: Ich hatte einen besonders heftigen Migräneanfall und wurde vom Neurologen ins MRT geschickt. Schon vor diesem MRT war ich der festen Überzeugung, todkrank zu sein, entweder ein Aneurysma, einen Hirntumor, MS, Schlaganfall oder sonst eine Erkrankung, die mein Hirn betrifft, zu haben. Fast hätte ich das MRT nicht gemacht, aus Angst, eine schwerwiegende Diagnose zu bekommen. Ich habe es dann doch gemacht weil ich mir bewusst war, dass Vermeidung nichts bringt, habe aber ständig darauf geachtet, wie der Mitarbeitende, der das MRT gemacht und die Bilder gesehen hat, sich mir gegenüber verhalten hat, ob er irgendwie den Anschein machte, dass er irgendeine schlimme Neuigkeit vor mir verbergen wolle.
Ich musste dann eine Woche lang auf das Ergebnis warten, das mir von der Sprechstundenhilfe meines Neurologen telefonisch durchgesagt wurde. Heraus kam, dass mein Gehirn vollkommen gesund sei, man jedoch als Zufallsbefund ein Lipom gefunden habe, das jedoch keine Probleme verursache. Ich solle jedoch nach 6 bis 12 Monaten zur Sicherheit noch einmal ein MRT machen. Als ich nachfragte, was genau das bedeute, konnte mir die Sprechstundenhilfe nichts sagen. Auf meinen Wunsch hin, mir das alles nochmal vom Arzt selbst erklären zu lassen, hieß es nur, der nächste Termin sei in 3 Monaten frei. Seitdem bin ich nie wieder bei diesem Neurologen gewesen.
Was ich stattdessen gemacht habe, war googeln. Und heraus kam natürlich: Tumor. Dass da stand gutartig oder dass gefühlt jeder Mensch, der einmal in seinem Leben durchgecheckt wird, irgendwelche Anomalien im Gehirn hat, hat mich natürlich nicht interessiert. Ich hatte immer nur im Kopf: Tumor. Du hast einen Tumor. Und was, wenn dieser Tumor anfängt zu wachsen? Ich habe dann natürlich Symtome entwickelt. Sehstörungen, dunkle Flecken vor den Augen, Kribbeln im Gesicht... alles Dinge, die meiner Meinung nach von diesem Lipom kommen mussten. Als ich mich immer weiter zurückgezogen habe, immer reizbarer wurde und regelrecht depressiv, habe ich mir erneut Hilfe geholt und eine weitere Therapie spezifisch für das Problem Hypochondrie gemacht. Auch diese Therapie war wahnsinnig hilfreich und hat super geholfen. Was ich allerdings nie wieder getan habe, ist ein weiteres MRT. Auch bin ich seit diesem Vorfall damals nie wieder beim Neurologen gewesen, aus Vermeidung. Ich wollte ja nicht, dass meine heile Welt, die ich mir gerade wieder aufgebaut hatte, durch eine schlimme Diagnose zunichte gemacht wird.
Jetzt ist es wieder so. Ich hatte ein wahnsinnig nervenaufreibendes Jahr. Zweimal Jobwechsel, da der Job, den ich Anfang des Jahres neu begonnen hatte, der reinste Horror war. Jeden Tag 12 Stunden arbeiten, wenig Gehalt, stundenlanges Pendeln. Ich konnte nicht mehr. Ich weiß noch, dass ich mich gewundert habe, dass ich noch keine psychischen Probleme davon bekommen habe. Im Sommer habe ich dann dem Himmel sei Dank nach kurzer Bewerbungsphase einen neuen Job angefangen, der besser bezahlt ist, tausendmal bessere Bedingungen hat, tolle Kollegen. Kurzum: Ich mag diesen Job! Allerdings muss ich immer noch rund 60 Minuten einfache Strecke pendeln, oft ist Stau, oft habe ich mich darüber geärgert.
Und eines Morgens auf dem Weg zur Arbeit habe ich plötzlich auf die Ferne Schilder nicht mehr lesen können, alles war verschwommen. Ich war so panisch, dass ich sofort umgedreht und nach Hause gefahren bin. Als ich dann in meiner Panik meine Hausärztin anruf (dieser Anfall war schon wieder abgeklungen, sobald ich zu Hause war), sagte diese mir, sie würde mich gerne zum Augenarzt und zum Neurologen überweisen. Als das Wort Neurologe fiel, war für mich alles vorbei. Oh Gott, ich habe doch einen Tumor. Ich werde sterben. Ich will nicht sterben, war alles, was ich denken konnte. Und was hab ich gemacht? Natürlich bin ich nicht zum Neurologen gegangen. Stattdessen war ich beim Augenarzt, weil mir schon Monate vorher aufgefallen war, dass ich auf Entfernung schlechter sehe. Heraus kam, dass ich eine Hornhautverkrümmung habe und kurzsichtig bin, daher Brille verordnet bekommen.
Aber das Verrückte ist, dass ich diese Brille nicht anziehe. Alles fühlt sich so unwirklich an, wenn ich sie trage, mir wird schwindelig, mir wird schlecht, und ich bilde mir ein, dass die Sehstörungen damit zwar besser sind, aber nicht weg. Und natürlich bedeutet das für mich, dass es doch am Gehirn liegen muss. Seitdem habe ich mich ständig mit der Thematik beschäftigt und natürlich sehe ich jetzt immer auf die Entfernung verschwommen. Ich kann verschnörkelte Schriften nicht mehr gut lesen, kontrolliere ständig meine Augen, rückversichere mich bei Freunden und Familie. Dazu kommt, dass ich im Dunkeln alles, was leuchtet (also Scheinwerfer, Ampeln, Sterne, Mond) förmlich doppelt sehe. Besonders bei grünen Ampeln ist das extrem, auf die Ferne sehe ich die Lichter doppelt. Bei roten und gelben Ampeln ist das Phänomen nicht so stark ausgeprägt. Aber auch bei Mond und Sternen ist es so, dass ich diese irgendwie verwischt sehe, so als wäre dahinter ein zweites, schwächeres Abbild. Das macht mir extreme Angst.
Dazu kommt, dass ich in den letzten vier Wochen dreimal auf der Arbeit ausgefallen bin, weil ich morgens völlig panisch aufgewacht bin. Ich konnte einfach nicht arbeiten gehen. Weil ich noch in der Probezeit bin, habe ich Angst, meinen Job zu verlieren. Was mich so mürbe macht ist die Tatsache, dass ich seit einigen Wochen jeden Tag trotz furchtbarer Angst (und jetzt auch wieder Angst vor der Angst) auf die Arbeit gefahren bin, ich habe mich durchgeboxt, weil ich weiß, dass ich mich damit konfrontieren muss. Aber trotzdem habe ich seit jetzt glaube ich sechs Wochen jeden Tag ein furchtbar beklemmendes Gefühl, ich kann mich nicht richtig freuen, muss ständig weinen, fühle mich völlig ausgelaugt, ängstlich und depressiv. Mein Leben ist einfach nicht mehr so, wie es mal war, und das, obwohl ich mir jedes Mal alles so hart erarbeitet habe!
Ich verstehe nicht, warum es nicht besser wird ich muss dazu sagen, dass ich dennoch wieder Dinge vermeide. Ich habe furchtbare Angst davor, alleine zu sein, und vermeide das, so gut es geht. Auch alleine Auto fahren oder einkaufen gehen mache ich fast gar nicht mehr. Außerdem vermeide ich es zu lesen (was ich eigentlich liebe), weil ich jedes Mal denke, ich kann die Wörter nicht richtig erkennen. Aber wenn ich es versuche, stelle ich auch sofort irgenwelche Symptome fest und bekomme fürchterliche Panik
Einmal hatte ich morgens auf dem Weg zur Arbeit das schreckliche Gefühl, den Radio-Moderator nicht mehr richtig zu verstehen. Also dass mein Hirn die Informationen nicht mehr richtig verarbeitet. Seitdem achte ich ständig darauf, was ich sage und denke. Und jedes Mal, wenn mir ein Wort nicht einfällt oder mir ein komischer Gedanke in den Sinn kommt, werde ich panisch. Ich habe regelrecht das Gefühl, verrückt zu werden, schizophren, paranoid oder sonst was. Ich schaue Dinge an und erschrecke auf einmal, oder ich höre Geräusche und kriege Panik. Dann kommt jedes Mal die Frage Setzt mein Hirn jetzt vollständig aus? Ich weiß gar nicht, wie ich das richtig erklären soll. Es ist so, als wäre ich gar nicht richtig da. Und ständig achte ich darauf, was ich sage und denke. Ich kann nachts nicht schlafen, weil ich Angst vor Alpträumen habe. Ganz schlimm sind auch die wirren Gedanken vorm Einschlafen oder kurz nach dem Aufwachen, völlig sinnfreie Satz- und Wortfetzen gehen mir da durch den Kopf. Als hätte ich überhaupt keine Kontrolle mehr über meine Gedanken. Ich habe furchtbare Angst, meine Sprache zu verlieren, meine Sinne.
Wenn ich abgelenkt bin, ist das alles auf ein deutlich geringeres Maß gesunken, dann nehme ich alles nicht so stark oder überhaupt nicht war. Wenn ich Freunde und Familie frage, ob ich noch normal rede, sagen sie alle, dass mit mir alles in Ordnung ist. Aber sobald ich wieder anfange darüber nachzudenken, was mein Hirn macht, geht es von vorne los. Ich denke, ich muss ständig aufpassen, dass ich nicht den Verstand verliere. Ich habe teils Erinnerungslücken, die mir Angst machen. Neulich hatte ich zum Beispiel die Katze meiner besten Freundin auf den Schoß und auf einmal ist mir nicht mehr eingefallen, wie sie heißt. Das hat vielleicht so 5-10 Sekunden gedauert, bis mir der Name wieder einfiel, aber in dieser Zeit hatte ich furchtbare Todesangst. Ich denke dann sowas wie Oh Gott, bald kannst du dir nicht mal mehr selbst die Schuhe zubinden oder sowas. Neulich bin ich morgens aufgewacht, hab im Halbschlaf meinen Mann geküsst und gesagt bis heute Abend, obwohl ich ja erst noch ins Bad musste, mich anziehen und alles. Solche Dinge erschrecken mich zutiefst und machen mir furchtbare Panik.
Deshalb kann ich mich natürlich auch auf der Arbeit nicht mehr konzentrieren, ich bin ständig wachsam und alles ist angespannt und auf Flucht vorbereitet. Was soll ich nur tun?
Ich habe nun endlich einen Termin bei einem anderen Neurologen, der Termin ist am Mittwoch. Und ich hab solche Angst, dass da was Schlimmes bei rauskommt! Am liebsten würde ich den Termin absagen und so tun, als wäre alles in Ordnung. Auch ein großes Blutbild wollte ich mir mal machen lassen... und ich befürchte, dass mein Hirn erst wieder Ruhe gibt, wenn ich auch tatsächlich wieder im MRT war. Aber ich hab solche Angst! Was, wenn es doch etwas ist? Ich will nicht sterben... ich hab ja noch mein ganzes Leben vor mir.
Eigentlich wollte ich nie Psychopharmaka nehmen und habe das auch nie in Erwägung gezogen. Mein Mann nimmt welche seit er auch einmal eine extreme Panikphase während des Studiums hatte, und er besteht jetzt darauf, dass ich mir helfen lasse. Ich überlege aber auch, wieder eine Therapie zu machen, sofern ich zeitnah einen Platz zu bekommen. Ich brauche einfach Hilfe vielleicht könnt ihr mir ja etwas raten? Ich bin einfach nur müde und traurig, dass diese blöde Angst immer wieder zurückkehrt andererseits weiß ich im Rückblick auch, dass alles viel zu stressig war dieses Jahr. Dazu kommt mein übersteigerter Perfektionismus, ich will immer perfekt sein, strukturiere meinen Tagesablauf extrem gut durch... und jetzt ist gar nichts mehr davon übrig, weil ich keine Kraft mehr habe...
Eure völlig verzweifelte
artemis
26.11.2018 13:10 • • 03.05.2019 x 1 #1