Conchi,
als ich eben deinen Beitrag über deine Kindheit gelesen habe, musste ich an meine eigene denken, die zwar ganz anders verlaufen ist, aber mit einem ähnlichen Resultat endete.
Hier meine Kindheit in Stichworten:
- nach außen hin idyllisches Familienleben
- Vorzeigefamilie mit überduchschnittlich gutem Familieneinkommen
- alle Kinder auf dem Gymnasium (was meinem Vater extrem wichtig war)
Es schien also alles perfekt - wäre da nicht mein cholerischer Vater gewesen, der es besonders auf mich, seine älteste Tochter, abgesehen hatte.
In meiner Familie bekamen wir Kinder nur Liebe und Anerkennung, wenn die schulische Leistung stimmte.
Sobald mein Vater unzufrieden mit uns war, rastete er aus.
Meine Brüder bekamen das nur in verbaler Form zu spüren. Bei mir kannte seine Wut keine Grenzen.
Er hat so oft die Kontrolle über sich verloren und einfach zugeschlagen - sei es wegen einer 5 in Mathe oder wegen irgendeinem anderen Vergehen.
Mal war es ein spontaner Faustschlag ins Gesicht, mal musste ich mit ihm in den Keller, wo er mir die Hose herunterzog und er meinen *beep* Hintern entweder mit einem Gürtel oder einem Pantoffel bearbeitete.
Ich habe mein Leben lang in Angst vor meinem Vater gelebt - später entwickelte sich daraus ein abgrundtiefer Hass.
Meine Mutter hat das alles nur zu bagatellisieren versucht, um das Image der Bilderbuchfamilie aufrechtzuerhalten.
Sie hatte zwar auch Angst, dass mein Vater es eines Tages mit seiner Gewaltbereitschaft zu weit treiben könnte, aber oft stellte sie es einfach so dar, als sei diese körperliche Züchtigung für ein so schlechtes Kind wie mich absolut gerechtfertigt.
Im Rückblick denke ich, dass ich auch von meiner Mutter nie wirklich geliebt wurde. Ihr Verhältnis zu meinen Brüdern war viel liebevoller.
Ich fühlte mich während meiner Kindheit und Jugend einfach nur unverstanden, einsam und ungeliebt.
Mit etwa 16 habe ich dann Bulimie bekommen - vielleicht ein Ausdruck dafür, dass ich das Leben einfach nur zum Kotzen fand.
Kurz nach dem Abitur bin ich mit meinem damaligen Freund zusammengezogen - und es ging mir in jeder Hinsicht nach und nach besser.
Aber meine Kindheit hat Spuren hinterlassen.
Ich habe eine Art Argwohn gegen meinen Körper, bzw. gegen meine Gesundheit entwickelt.
So richtig kann ich es nicht benennen, aber ich ich habe immer das Gefühl, da muss noch etwas kommen, mich erwartet noch eine Art Strafe - vielleicht weil ich es meinem Vater nicht recht machen konnte, weil ich damals die Bulimie entwickelt habe, einfach weil ich es nicht verdient habe, ein glückliches, gesundes Leben zu führen.
Auch wenn ich heute natürlich weiß, dass das alles Quatsch ist, hat sich tief in meinem Inneren die Idee verankert, Glück und Gesundheit stehen mir nicht zu.
Jetzt habe ich viel über mich geschrieben.
Conchi, um nun wieder auf dich zurückzukommen: ich sehe da einige Parallelen, auch wenn wir unterschiedliche Kindheitserfahrungen gemacht haben und heute vor unterschiedlichen seelischen Baustellen stehen.
Wir müssen wohl irgendwie versuchen, mit unserer Vergangenheit abzuschließen und nicht länger all das Schlechte von damals in die Gegenwart zu transportieren.
14.08.2015 08:57 •
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