Zitat von Sarahh: Ich hab so ein blödes Kopfkino.
@Sarahh Genau. Und heute ist es ein
neuer Film. Du warst beim Arzt. Er sagt, es ist kein Krebs. Hey, was wäre ich
froh gewesen! Ich denke immer, ich hab' Kopfkrebs, wenn ich sowas hab' (gibt's das eigentlich?).
Schau, es ist so. Du beobachtest Dich extrem genau, steigerst Dich in jede Anormalität hinein, so weit, dass Du die selbst Diagnosen von den Ärzten jeweils in Zweifel ziehst.
Was Du möchtest, ist eine Absolution. Ich kenne das so gut, ich gehe beim Zahnarzt (für mich der REINSTE HORROR) raus, er hat gesagt, es ist alles gut und ich denke, vielleicht hat er doch was übersehen und würde am liebsten zurückgehen. Ich gehe also hin, kriege meine Absolution (alles gut!), glaube dann aber nicht daran.
Daran sieht man, dass es da gar nicht um das körperliche Symptom geht, sondern um was ganz anderes. Ich kann mich in meine Zähne so 'reinsteigern, dass sie pulsieren, und dass ich denke, sie fallen gleich aus, und wenn ich zum Arzt gehe, findet er nichts. Wenn ich mich wieder beruhigt habe, sind die Zähne wieder gut. Ich habe nicht mitgezählt, wie oft ich wegen Phantomzahnschmerzen beim Arzt war. Es war sehr, sehr oft.
Das ist mit dem Herzen, dem Atem, der Haut in den allermeisten Fällen auch so. Du kannst Dich in alles so 'reinsteigern, dass es sich tatsächlich schlimmer anfühlt (oder auf der Haut aussieht) als es ist.
Das ist die Macht unserer Gedanken. Und genau mit denen bringt man diese Symptome meist eben auch wieder zum Abklingen. Wenn man sie eben nicht weiter schürt, weil man darauf vertraut, dass es nichts Schlimmes ist. (Du hast ja Lieben was ist von Byron Katie gelesen – was wärst Du ohne diesen Gedanken?)
Was bedeutet es, wenn man die Absolution (in dem Fall eines Arztes) so unbedingt sucht?
Dass man Angst hat. Sich alleine fühlt. Sich selbst nicht vertraut, unsicher ist. Unbedingt das Urteil einer allwissenden, unfehlbaren Autorität möchte. Eine, die einem sagt, es ist alles gut. Dass man gern das Gefühl von Frieden, Sicherheit und Geborgenheit hätte. Weil einem genau das fehlt. Und vielleicht ist das der Schlüssel zum Ganzen.
Und was bedeutet es, wenn man die Absolution bekommt, aber dann nicht an sie glaubt?
Dass man so tief verunsichert ist, dass – wenn man in dem Moment ehrlich zu sich selbst ist – keiner von außen helfen kann. Auch nicht der fünfte Kardiologe, Hautarzt oder Zahnarzt.
Das Problem liegt dann also wahrscheinlich woanders. Man kann sich fragen, woher dieses tiefe Gefühl von der fehlenden Sicherheit und Geborgenheit und dem Vertrauen in andere (insbesondere Autoritäten (in diesem Fall Ärzte)) kommt.
Denn: Würden wir die Absolution annehmen, könnten wir uns entspannen, durchatmen, wissen, es ist alles gut. Wir könnten die Symptome ein bisschen beobachten, wie das meiste würden sie wahrscheinlich einfach weggehen, so wie eine Erkältung oder so. Wir würden die Macht unserer Gedanken nicht dazu nutzen, uns aufzureiben und uns in eine Angstspirale zu treiben. Wir wären erleichtert und würden vorausschauen. Das machen übrigens die allermeisten Leute so.
Ich weiss nicht, woher es bei Dir kommt. Das kannst Du selbst herausfinden. Bei mir weiss ich heute einfach, dass ich als Kind extrem emotional vernachlässigt, abgelehnt wurde, mein Vertrauen in meine Autoritäten/Bezugspersonen (Eltern) immer wieder missbraucht wurde und mir dadurch jegliches Urvertrauen fehlt.
Solche Erkenntnisse allein lösen das Problem nicht. Aber es hilft in dem Moment der Angst, sich dadurch darüber klar zu werden, warum die Angst gerade so stark ist. Viel, viel stärker als sie sein müsste. Weil man eben ein großes Vertrauensdefizit hat, dadurch sehr misstrauisch ist und fast nichts mehr glaubt; da kann ein Arzt dann Recht haben, so viel er will.
Wenn man sich in dem Moment also klarmacht, dass 99 Prozent der Angst grade gar nicht von dem aktuellen Problem kommen, sondern von einer traumatischen Erfahrung, die gerade getriggert wurde, hat man die Chance, das auseinander zu sortieren. Dann kann man 99 Prozent zum Beispiel auf schlimme Kindheitserfahrungen buchen und 1 Prozent auf eine im Erwachsenenalter berechtigte Sorge. Wenn die Angst aber nur noch 1 Prozent beträgt, dann hilft wiederum auch einfach die Nachricht vom Arzt, dass es nichts Schlimmes ist. Dem Erwachsenen, der selbst für sich sorgen kann, weil er jetzt groß ist, reicht das.
Gegen die 99 Prozent Angst, die gar nichts mit der aktuellen Situation zu tun hat, kommt weder ein Arzt noch der Papst an.
Wenn wir Angst haben wollen, suchen wir uns ein Objekt. Heute Zahn, morgen Hautausschlag, übermorgen ein Ziehen im Bein, dann unnatürliches Schwitzen, Atemnot, Frieren trotz schönen Wetters, you name it.
Die 99 Prozent tun weh. Furchtbar weh. Wir spüren sie, als wären sie echt. Aber sie gehören zu einer anderen Situation. Verschieben wir sie erstmal dahin, weil sie da hingehören.
Und wenn wir wieder ruhig sind, überlegen wir, wie wir uns dem Trauma stellen können. Aber auch das geht erst, wenn wir aufgehört haben zu hyperventilieren.
Ich wünsche Dir ganz viel Ruhe und Selbstvertrauen für diesen Abend und die Nacht.