Hallo zusammen,
mir hat dieses Forum in den letzten Wochen bei Angstzuständen rund um mein Herz immer sehr gut geholfen mich wieder zu entspannen. Ich möchte deswegen auch einmal meine Leidensgeschichte erzählen, vielleicht hilft sie ja dem ein oder anderen und vielleicht könnt ihr mir die ein oder andere Ungewissheit erklären.
Also vorneweg: Ich bin 23 Jahre alt, 186 groß und mit 65 Kilo als Nicht-Raucher und jemand der Radsport macht eigentlich auch aus den bekannten Risikogruppen raus.
Meine Odyssee begann Anfang/Mitte März in diesem Jahr. Ich hatte immer wieder an den verschiedensten Stellen in der linken Brust kurzzeitige Schmerzen. Ich machte mir zunächst keine großen Sorgen darum, da ich in den Monaten davor viel rumsaß und für die Uni lernte, wenig Sport trieb und generell anfällig für Rückenschmerzen und Verspannungen bin. So plagen mich schon seit längerem immer wieder Schmerzen im Lendenwirbel. Darüber hinaus bin ich auch noch Linkshänder. Allerdings steigerten sich die Beschwerden zu der Zeit. Ich hatte auf einmal Probleme mit Kaffee. Wo ich früher problemlos 2-3 Tassen Kaffee trinken konnte, hatte ich auf einmal spätestens nach der zweiten Tasse das Gefühl, mein Herz fliegt gleich aus der Brust. Ein weiteres Symptom war ein seltsam beengendes Gefühl in der linken Brust, wenn ich mich auf die linken Seite lag. Dadurch entwickelte sich Nachts dann immer mal wieder so eine kleine Angst davor, dass doch irgendetwas mit dem Herz nicht stimmen könnte. Allerdings war die Angst nicht so ausgeprägt, dass ich mich irgendwie einschränkte, oder ich tagsüber mir irgendwelche Sorgen machte.
Kurz vor Ostern ging es dann wirklich los. Ich war am Abend Zuhause, war einige Zeit am PC und wollte ins Bad gehen. Im Bad angekommen, bekam ich auf einmal ein extrem unangenehmes Gefühl, dass ich so vorher noch nie und lustigerweise seitdem auch nie wieder bekam. Es war ein Gefühl, als würde einem vom zu schnellen aufstehen schwarz vor Augen werden, nur dass ich klar sehen konnte und das Benommenheitsgefühl fünf Mal stärker war. Meine Gedanken waren sofort: Oh Gott, es ist doch was am Herz. Jetzt kippe ich gleich tot um. Ich war von der Situation so beängstigt, dass ich aus dem Haus rennen wollte ohne Schuhe oder Schlüssel, was ich gerade noch so sein lies. Drei Minuten später kam das gleiche Gefühl wieder. Für mich genug um mich in die Notaufnahme zu begeben. Die Minuten danach hatte ich dann auch noch ein Zittern am ganzen Körper. Mittlerweile weiß ich, dass zittern durch Angst ausgelöst wurde. In der Notaufnahme angekommen wurde ein EKG gemacht, Blutdruck und Puls gemessen. Alles in Ordnung, nur durch die Angst etwas erhöht. In der Zeit in der Notaufnahme ging es mir mit der Zeit auch wieder besser. Auch die zwei Tage danach war wieder alles gut. Dann war ich allerdings mit Freunden abends mit viel Alk. feiern. Am nächsten Tag noch zusätzlich Kaffee getrunken und es ging los. Herzrasen und ein komisches beklemmendes Gefühl in der Brust. Wieder ins Krankenhaus (allerdings in einer anderen Stadt), wo Notfallpraxen sind (es war Feiertag). Herz abgehört und Blutdruck gemessen und wieder nichts gefunden, außer erneut etwas erhöhter Puls und Blutdruck, wohl wieder die Angst. Im KH war es kurz besser, daheim blieben die Symptome allerdings den ganzen Tag und es entwickelte sich ein Druckgefühl in der Brust. Zwei Tage später Sonntags wieder die selben Symptome. Das Druckgefühl auf der Brust war allerdings das schlimmste Gefühl dieses Mal. Egal wie sehr ich versuchte mich abzulenken, das Druckgefühl machte mich fertig. Wieder in die Notfallpraxis, wieder nichts gefunden. Das Druckgefühl blieb den ganzen restlichen Tag, allerdings war ich dieses Mal so beruhigt, dass ich trotzdem den Abend normal verbringen konnte und es einfach akzeptiert.
Danach war für etwa eine halbe Woche Ruhe. Dann bekam ich urplötzlich das Gefühl, ich bekäme keine Luft mehr. Sofort kamen auch die anderen Symptome wieder hoch. Wenigstens war es dieses Mal unter der Woche Nachmittags, bin dann also zum Allgemeinmediziner. EKG gemacht, Blut abgenommen, Blutdruck gemessen, usw.. Wieder alles in Ordnung. Dennoch waren die nächsten zwei Wochen die schlimmsten für mich. Immer wieder hatte ich dieses Druckgefühl. Nicht nur in der Brust, sondern auch im Magen jetzt. Ich musste in den Situation häufig aufstoßen und bekam dabei ein ganz seltsames Gefühl im Magen. Ein Gefühl wie Herzstolpern nur in der Oberbauchgegend. Dieses Gefühl habe ich bis heute noch und will das am Ende noch näher erläutern. Mein größte Angst in solchen Situationen war dann, einfach tot umzukippen und tagelang in der Wohnung zu liegen, ohne dass mich jemand findet da ich alleine wohne. Also bin ich in so Situationen immer raus gegangen unter die Leute. Ich dachte mir immer, wenn ich umkippe sind wenigstens Leute da, die mir vielleicht sogar noch helfen können. Dieses Gefühl konnte dann durchaus mehrere Stunden mich begleichten und es gesellten sich noch starke Kreislaufprobleme dazu. Das Schlimmste waren aber Dinge, die man in der Zeit hörte. An einem Sonntag sind gleichzeitig in Frankreich beim Radrennen, als auch in meinem Wohnort Freiburg bei einem Halbmarathon zwei 23-Jährige an einem Herzinfarkt gestorben. Meine Mutter erzählte mir eine Geschichte von einem Nachbarn, der auch mit Druckgefühl in die Notfallpraxis ging, bei denen ich auch an den Feiertagen war, dort für gesund erklärt wurde, raus ging und vor dem Krankenhaus mit Herzinfarkt zusammenklappte. Das sind natürlich genau die Geschichten, die man in solchen Situationen hören will! Ich konnte mir das dann jedenfalls ein wenig selbst erklären. Der Nachbar war schon älter und wohl in einer ziemlichen Stresssituation, was das in dem Alter sicherlich hervorrufen kann. Des weiteren wird man in der Notfallpraxis, anders als in der Notaufnahme, ziemlich oberflächlich untersucht. Bei meinem zweiten Aufenthalt wurde nur der Blutdruck gemessen und das auch mehr so beiläufig. Dann bekam ich eine Nachricht auf Facebook mit, wo jemand schilderte, ein Freund seines Vaters hätte unter der Dusche plötzlich einen Herzstillstand erlitten. Bis dahin war duschen immer etwas beruhigendes, seit dem ist es wirklich eine Angstsituation für mich die bis heute besteht.
Die zwei Wochen endeten dann noch einmal mit einem Besuch im Krankenhaus, weil das Druckgefühl wieder unerträglich wurde. Ich merkte allerdings, wie die Beschwerden bereits im Warteraum merklich besser wurden und schließlich dort verschwanden. Es wurde wieder alles gemacht. EKG, Blutabnahme usw. wieder alles in Ordnung. Die Ärztin gab mir den Rat, nicht mehr so viel auf meinen Körper zu hören und die Krankenschwester gab mir die EKG- und Blutwert-Papiere mit dem Kommentar Hier, ihre Papiere. Ein junges, gesundes Herz mit. Danach hatte ich die ersten Erfolge, dass ich die Angst unterdrücken konnte. Bekam dann von meiner Hausärztin noch ein paar Tabletten Tavor mit, die ich in den vier Wochen jetzt allerdings nur einmal nehmen musste. Zwischenzeitlich war ich auch beim Kardiologen, auch der fand bei EKG, Echo-Untersuchung und Belastungs-EKG nichts und redete mit mir die komplette Untersuchung über nur über Radsport und Radrouten im Schwarzwald. Er sah auch keinen Grund, der mich vom Hochleistungssport abhalten sollte.
Mittlerweile komme ich merklich zur Ruhe. Habe mir jetzt vor kurzen auch mal ein Blutdruck-Messgerät geholt, was mich zusätzlich beruhigt, wenn ich mal ein kurzes seltsames Gefühl habe. Allerdings habe ich noch einige Beschwerden die mich doch manchmal kurz aus der Ruhe werfen. Da wären zum einen diese oben geschilderten herzstolperartige Gefühle im Oberbauchbereich. Es ist ganz komisch zu beschreiben, eine Mischung so ein wenig wie Muskelzucken und Herzstolpern. Lange Zeit glaubte ich auch, es wären Herzstolperer. Ich bin mir allerdings mittlerweile relativ sicher, dass es aus dem Bauchbereich kommt. Können das Verspannungen sein? Oder Entspannungen eines Muskels? Bin am überlegen dahingehend noch ein Langzeit-EKG zu machen, um 100% auszuschließen, dass es vom Herzen kommt. Das Gefühl tritt häufig zum Beispiel beim lachen auf oder eben beim aufstoßen. Jedenfalls hatte ich dieses Gefühl vor der Odyssee nie gehabt.
Klar erkennbares Herzstolpern ist mittlerweile auch ein Problem. obwohl ich sie bereits seit einem Jahr spüre, also lange vor meiner Angst, und mir damals nie irgendwelche Sorgen machte, bereiten sie mir auf einmal plötzlich immer wieder mal kurze Sorgen. Totaler Quatsch eigentlich
Mein Druckgefühl ist immer noch da, allerdings nicht in der Brust, sondern jetzt direkt darunter. Es ist auch tatsächlich das, was mich noch am meisten verunsichert und was ich mir nicht erklären. Ich habe keine erkennbare Angstattacken, trotzdem bleibt dieses Druckgefühl häufig den ganzen Tag da. Hin und wieder bekomme ich davon doch wieder eine kurze Panikattacke. Wenn ich nüchtern darüber nachdenke, weiß ich, dass es nicht vom Herz kommen kann. Ich bin mir aber unsicher, ob es vom Unterbewusstsein kommt oder von körperlichen Problemen. Fürs Unterbewusstsein spricht, dass ich es nie beim aufstehen habe, sondern es sich dann über den Tag entwickelt. Häufig wenn ich nach dem wach werden noch ein bisschen im Bett rumliege. Außerdem spricht dafür, dass ich es, mit ganz viel Glück, durch Ablenkung vergesse. Da muss aber wirklich alles passen.
Was mich noch verunsichert, ist die Tatsache, dass ich bei körperlicher Arbeit verstärkt Schmerzen in der Brust bekomme. Habe deswegen begonnen, verstärkt meine rechte Seite zu belasten und die linke zu schonen. Ich habe zum Beispiel bei Küchenarbeiten, bei denen ich mich ein wenig ducken muss verstärkt ein ziehender Schmerz, der dann allerdings wieder weg geht, wenn ich fertig bin. Auch wenn ich irgendwas mit dem linken Arm trage, bekomme ich häufig einen Schmerz in der Brust. Ich muss allerdings sagen, dass ich auch durchaus beim Abtasten schon öfters unterhalb der Schulter einen starken Schmerz vom leichten Drücken bekam. Auch eingeklemmte Nerven spüre ich in der Brust manchmal. In dem Moment beunruhigen diese Schmerzen mich dann immer, allerdings verschwinden diese dann doch schnell wieder und ich denke dann, es kommt vom Rücken. Vielleicht die Wirbelsäule? Ich bin eben auch am überlegen, ob dieses Druckgefühl dadurch verursacht wird. Ich möchte da in der kommenden Woche auf jeden Fall noch zum Arzt gehen, denn ich habe nicht das Gefühl, dass ich meine Angst zu 100% mit diesen Schmerzen überwinden kann.
Leider kommt meine Angst in gewissen Situation dann doch noch durch. Wie gesagt, duschen ist mittlerweile eine Hölle für mich, und ich bekomme immer ein mulmiges Gefühl. Straßenbahn fahren löst hin und wieder eine Angstattacke aus. Ich muss dann sofort aussteigen, weil ich glaube ich kippe um. Draußen kann ich mich auch dann beruhigen. Zug fahren ist komischerweise kein Problem. Ein anderes Problem: Als ich zum ersten dieses richtig starke Druckgefühl in der Brust hatte, dachte ich, ich könnte mit sexueller Aktivität mich selbst runterbringen. War ein riesen großer Fehler, ich dachte wirklich am Ende, ich geh jetzt drauf. Das Druckgefühl wurde in den Sekunden danach furchtbar heftig. Und das Erlebnis belastet mich bei entsprechender Aktivität heute noch.
Immerhin, ich habe die letzten zwei Tage nach einer einmonatigen Pause angefangen, wieder Kaffee in geringerer und schwächeren Menge zu konsumieren. Ich versuche da jetzt wieder Schritt für Schritt ins alte Leben zurückzukehren. Nur leider mit dem Sport will es von der Psyche noch nicht klappen. Das bezieht sich allerdings rein auf joggen und Radsport. So war ich vor drei Tagen in Berlin und konnte dort bei über 30 Grad in der Sonne über zwölf Stunden 45 Kilometer zu Fuß zurücklegen. Meine Beine waren danach zwar ruiniert, aber irgendwie besonders schlapp war ich zu keiner Zeit. Mir war nur einmal kurz von der Sonne zur Mittagszeit schwindelig, nachdem ich aber von Pullover und Jeans auf kurze Hose und T-Shirt wechselte, hatte ich keine Probleme mehr. Darüberhinaus bin ich mit dem Nachtzug nach Berlin gefahren und hatte nur ein bis zwei Stunden leichten Schlaf. Das in Zusammenhang mit dem Kardiologentermin sollte mich doch eigentlich ausreichend beruhigen, dass mich Rennrad fahren nicht umbringen sollte, oder nicht? Aber so ganz durchringen konnte ich mich einfach nicht. Ich hoffe wirklich, ich kann mich in den nächsten Tagen endlich mal dazu überwinden.
Was mir selbst ein wenig half, war, dass ich mir nicht mehr versuchte einzureden, dass ich komplett gesund bin. Ich habe stattdessen versucht zu akzeptieren, diese Angstattacken als eine eigene Krankheit zu akzeptieren, die mich aber nicht umbringen wird.
Danke auf jeden Fall, wer sich das alles durchgelesen hat und vielleicht erkennt ja der ein oder andere sich wieder. Sorry, dass es so lang wurde. Allerdings war das jetzt die erste Möglichkeit für mich, mal wirklich alles zu erzählen. In Gesprächen mit Freunden oder Ärzten vergisst man ja doch immer mal das ein oder andere.
Liebe Grüße