Hallo Leute,
ich möchte euch von meinen Erfahrungen/meiner Geschichte erzählen. Ich bitte euch dies erst zu nehmen, obwohl ich im Verhältnis noch sehr jung bin.
Angefangen hat alles ganz plötzlich, November 2014 im Physikunterricht. Damals war ich erst 12.Mir wurde von einem Moment auf den anderen ganz schwindlig und ich bekam Panik. Die Woche darauf spürte ich innere Unruhe und hatte die Vermutung,irgendetwas stimme mit meinem Herzen nicht. Nachdem ich meiner Mutter davon erzählte, schickte diese mich zum Arzt.
Toll, nichts gefunden. Aber ich wusste doch, dass irgendetwas sein musste.Weiterhin mit einem mulmigen Gefühl fuhr ich ich ein paar Tage später mit meiner Mutter zu ihrer Freundin nach Stuttgart.Am Abend gingen die beiden auf ein Konzert und ich blieb alleine mit der Mutter der Freundin in der Wohnung.Alles war ganz normal, bis ich mich schlafen legte. Im bett grübele ich nämlich immer noch eine Weile rum bis ich dann einschlafe, und so kam es, dass ich mich an die Physikstunde erinnerte und mein Fokus automatisch auf meinen Puls fiel. Während ich so darauf achtete, meinte ich eine Abnormalität in meinem Herzrhytmus zu verspüren. Ich bekam Angst, dann Panik. Meine Mutter war nicht erreichbar (ist ja auch logisch auf einem Konzert),also rief ich meinem Vater an und sagte ihm ,dass ich ihn liebe, ja sogar meiner Klasse schickte ich eine Voicemail und sagte ihnen, wie gern ich sie doch hatte. Zu diesem Zeitpunkt dachte ich wirklich :Ich sterbe! Dies war meine heftigste Panikattacke. Mein ganzer Körper zitterte und mein Kopf war ganz eklig warm (von innen heraus) und total benebelt.So fühlt sich Panik nämlich bei mir an.Die Mutter der Freundin hatte keine Ahnung was sie nun tun sollte, sie sprach ja nicht mal deutsch,sogar meinen Namen kannte sie nicht.Wir spekulierten ob wir den Krankenwagen rufen sollten oder nicht.Am Ende lief es darauf hinaus, dass ihr Sohn (der neben an wohnte) mich zum Krankenhaus fuhr.
Noch nie hatte ich mich so mieserabel gefühlt, denn das Ergebnis der Untersuchung war :mir fehlt NICHTS!
Umsonst ruinierte ich jedem das Wochenende.
In der Wohnung wieder angekommen, schlief ich heulend neben meiner Mutter ein.
Die Wochen darauf waren auch nicht viel besser als diese Nacht. Jede Sekunde messte ich meinen Puls, ich konnte nicht alleine zu Hause bleiben,konnte keinen Moment genießen und wippte immerzu mit dem Fuß, denn nur Leute die leben und einen Puls haben, können mit dem Fuß wippen (meine Logik damals).In der Zeit hatte ich zahlreiche Arztuntersuchungen, das Ergebnis blieb immer das gleiche: GAR NICHTS. Da wünschte man sich schon manchmal, man hätte doch einen Herzfehler. Am meisten fürchete ich mich vor der Nacht. Ewigkeiten schlief ich bei meiner Mutter im Bett. Manchmal konnte ich gar nicht schlafen, denn ich hatte permanent Angst. Meine Mutter half mir sehr. Aber ich wünschte mein Vater wäre anders mit der Situation umgegangen. Er schieb alles immer nur auf die Pubertät und sagte mir, ich solle halt einfach damit aufhören. Ehrlich, das verletzte mich dermaßen, dass er mich diesbezüglich so im Stich ließ. Auch mein Hausarzt sagte diesselben Dinge:Ja ,schau, du bist jung, du bist gesund.du bist doch schlau, du weißt, dass du keinen Herzinfakt bekommen wirst Dieses Gerede machte mich wütend.Ich wusste das ja alles, aber es half nicht. so zog sich das insgesamt 3 Monate.Einmal erlaubte mein Vater mir nicht, bei meiner Mutter zu schlafen und ich musste zu meinem Bruder ins Zimmer (er war da zu jung, um was mitzukriegen).Das Elternzimmer lag am anderen Ende der Wohnung, meine Eltern würden nichts im Ernstfall mitbekommen. Und ich bekam wieder Angst, weinte und messte meinen Puls die ganze Nacht durch. Meine schulischen Leistungen sanken und ich konnte plötzlich meine Freunde nicht mehr ausstehen.
Da beschloss meine Mutter mich zum Psychologen zu schicken. Die erste Psychologin war grauenvoll. Sie hörte mir nie zu, war voller Vorurteile und zwang mich meinen IQ zu prüfen. Ich wollte nie meinen IQ wissen. Mir war klar ,dass ich nicht dumm bin und damit war ich auch zufrieden.Dieser Test gehört halt dazu (seufz), aber zudem zwang sie mich meine Familie als Tiere zu malen. Die passenden Tiere fielen mir sofort ein, aber ich weigerte sie zu malen ,da ich meine Familie damit nicht verletzen wollte.Als wir dann alle vier zusammen in die Berge fuhren, kam was kommen musste. Meine Mutter hatte mir von der Tankstelle ein Wissensmagazin gekauft. Blöd nur, dass in dem Magazin ein Artikel über das Herz war. Dieser versorgte mich leider mit allerlei Informationen, wie z.B. ab wann ein Herzinfarkt kritisch wird. So kam es, dass ich mich seitdem immer nur so weit von Menschen entfernte und an Orte ging, wo sie mich in der Zeitspanne entdecken und Hilfe holen können.Das schrenkte mein Leben so unglaublich ein.Nach dem Abschluss ging es dann zum 2. Psychologen, der mich nicht behandeln wollte, zum 3. der sich nicht traute mich ohne Medikamente zu therapieren (ich betonte,dass ich nie Selbstmordabsichten hatte,aber er meinte ich könne jeden Moment tot über dem Gartenzaun liegen, wenn ich nicht sofort eine Dose Pillen schlucke oder ,dass ich Gott spielen wollte und vom nächsten Hochhaus springen würde, weil ich denke ich könne fliegen ?!?!)Schließlich wurde ich zu einer Klinik gelotst, mit dem Grund, einen Namen für meinen Zustand zu finden. Das war im August 2015.Aber ich wäre ja nicht ich, wenn ich mir nicht den nächsten Stein in den Weg gelegt hätte. Denn mir wurde plötzlich etwas bewusst (Nicht dass euch dasselbe passiert wie mir ,könnt ihr ruhig ein paar Zeilen überspringen, bis zum -)
Mir wurde bewusst, dass man ja auch im Schlaf einen Herzinfakt bekommen kann. Das traurige war, dass ich in diesem Moment wieder alleine schlafen konnte und dieser blöde Gednke alles versaute.Nun schlief ich im unteren Teil vom Stockbett meines Bruders mit meinem Anti Sterbe vorrichtung. Ich schlief mit einem alten Metallwecker neben mir. Meine Theorie war, dass ich im Falle eines Herzinfaktes mit letzter Kraft den Wecker vom Bettrand schlagen und somit meinen Bruder wecken könnte, der dann Hilfe holen würde.(Im Hinterkopf wusste ich natürlich wie bescheuert diese Idee war, aber irgendwie musste ich ich ja eine Methode finden, um mehr oder weniger ohne Angst einschlafen zu können).
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Im Herbst kam dann die Diagnose: Hyperchondrische Störung / Cardiophobie. Die Klinik war eigentlich ganz oke. Sie schlugen mir vor entweder in Therapie zu gehen oder ,ihre Empfehlung, bei ihnen zu bleiben, aber da gäbe es jeden Samstag Familientherapie und das wollte ich nun wirklich nicht. Zwischendurch ließ ich den Bereitschaftsdiendst mitten in der Nacht kommen, während ich meinen Kopf mit einem Packen Tiefkühlerbsen kühlte ( ich hatte gelesen, bei einem Schlaganfall sei es besser man hält das Gehirn kühl.Zwischendrin mischten sich immer wieder andere Ängste ein, z.B. wie schon erwähnt Schlanganfall haben oder sich von innen heraus selbst zu verdauen)Im Dezember kam ich dann wieder zurück zu meinem endgültigen Psychologen ( es war No.2, der mich damals ohne Diagnose nicht behandeln wollte).Witzigerweise hat er einmal eine Studie zum Thema Herzinfarkt geleitet.
Ungefähr ein Jahr später war mein letzer Termin bei ihm.Ich glaube gar nicht , dass seine Therapie mir so geholfen hat, sondern allein der Fakt, dass ich Hilfe bekam, mir Halt gab. Irgendwie wurde es auch automatisch mit der Zeit besser, denn irgendwann schnallte auch mein Gehirn: Jo Mädel, du stirbst nicht. Abschließend muss ich sagen, dass ich von Zeit zu Zeit mal wieder meinen Puls messe oder auf ihn achte. Ganz selten springe ich noch beim einschlafen ängstlich auf, und schlafen kann ich nun wieder ganz alleine bei geschlossener Tür. Dennoch betrachte ich mich nicht als vollständig geheilt, aber endlich kann ich mein Leben wieder genießen.
Hier noch mal die Symptome, die ich damals verspürte:
Panik
Zittern
Herzrasen
vermeintliche Rhythmusstörung, innere Unruhe (ziemlich heftig, nahezu die ganze Zeit)
den Drang zu vergewissern, dass ich noch lebe
Depressionen
Schlaflosigkeit
musste immer in der Nähe von Menschen sein und an einem Ort in der Nähe von medizinischer Versorgung
Medikamente habe ich während der ca. 2 Jahre nicht genommen
nur ein paar Schlaftabletten auf pflanzlicher Basis und eine Zeit lang Neurexan
Für alle, welchen die Angst noch zu schaffen macht : Es muss irgendwann einfach besser werden! Schaut euch einfach mal ein Diagramm zum Thema Angstkurve an
Viele Liebe Grüße
24.08.2017 14:55 •
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