Hallo Rockabella!
Vielen Dank für Deine ausführliche Antwort und die teils harten, aber niemals unfreundlichen Wort. Ich habe diese tatsächlich mit Wohltat gelesen - ganz so, als würde mir endlich mal jemand gehörig den Kopf waschen. Vielleicht habe ich exakt dies gebraucht... Denn:
ICH HABE ES WIEDER GETAN!
Bereits gestern, wie der geneigte Leser meines Threads vielleicht mitverfolgen konnte, war ich nach einer Panikattacke im Krankenhaus um befürchteten Lungenkrebs abklären zu lassen. Nur wollte die Ärztin nicht so recht, wie ich wollte. Ich wollte mir die Lunge röntgen lassen. Dafür gab es, nach einer ausführlichen Anamese, für sie aber keinen Anlass... Die Lungenwege sind frei, keine erhöhte Temperatur, keine geschwollen Lymphknoten,... Ihr könnt das alles nachlesen...
Typisch für meine Karzinophobie ist, dass immer alles nach dem gleichen Muster abläuft. Lediglich die Zeitspanne zwischen den einzelnen, nachstehend beschriebenen Steps wird immer kleiner...:
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STEP 1: Ich bemerke irgendeine Auffälligkeit an mir und meinem Körper, tröste mich aber mit dem Gedanken, dass morgen schon vielleicht alles wieder gut ist. Natürlich konzentriere ich mich dabei, ob bewusst oder aber unbewusst, schon auf dieses Problem. Aber erst mal nicht verrückt machen, denke ich mir - und taste bereits in dieser Phase mehrfach an dem Problem herum... Vielleicht hat sich ja nach ein paar Stunden schon was verändert?! Lieber mal überprüfen... Sicher ist sicher... Nein,... ist immer noch so! Aber, wie gesagt, erst einmal eine Nacht drüber schlafen...
STEP 2: Gleich nach dem Aufwachen mal überprüfen, ob das Problem noch besteht. schei.! Ja! Es ist immer noch da! Ist es vielleicht sogar schlimmer geworden?! Mal abtasten, mal tief in mich rein hören! Ja! Ist es schlimmer geworden? Glaube ich zumindest! Aber wird schon nichts sein! Jetzt bloß nicht schon wieder in die Falle tappen... Nein! Dr. Google wird nicht befragt! Erstmal ins Auto setzen, Einkaufen gehen um für den Abend was Leckeres für die Freundin zu kochen. Die Gedanken kreisen. Schon während der Autofahrt zum Supermarkt... schei., welche Zutaten wollte ich noch mal besorgen? Und warum ist mir so schwummerig vor Augen, während ich durch die langen Reihen der Supermarktregale wandele. Könnte das was mit dem Problem zu tun haben? Nein! Bestimmt nicht! Du hast Krebsangst, und das weißt Du ja, sage ich zu mir. Jetzt mach Dich nicht verrückt! Koche entspannt für Deine Liebste - wird schon wieder vorbei gehen! Am Abend, während des Kochens, kreisen die Gedanken immer noch! Und dies deutlich stärker! Na, das Rinderfilet mit der Thymian-Kräuterkruste ist ja nun angebraten und kann in den Backofen. In der Zwischenzeit die Freundin ja nicht schon wieder mit dem Problem behelligen (sie kennt das ja schon zur Genüge und war mehrfach schon dabei, in der Notaufnahme des Krankenhauses). Nein, ert mal (ganz heimlich) im Bad nachgucken, überprüfen, in mich rein hören, ob das Problem immer noch besteht! mist! Ja! Es ist noch da! Hat es sich verschlimmert? Egal! Jetzt nicht verrückt werden und den Abend zusammen mit der Freundin so entspannt wie nur irgendwie möglich ausklingen lassen. Ich bin aber nicht entspannt! Das Gegenteil ist der Fall... Vielleicht mal heimlich, bei einer getarnten Streicheleinheit, bei der Freundin nachgucken oder tasten, ob das bei ihr genau so ist... Das Problem... Meist geht das nicht so einfach... Und außerdem ist sie eine Frau, und ich ein Mann. Die Mädels sind doch, rein anatomisch gesehen, ganz anders... Aber die gleichen Lymphknoten haben sie doch?! Oder?!
STEP 3: Nein! Es wird nicht gegoogelt! Auf keinen Fall! Die nächsten Tage bringe ich auch so rum! Aber warum muss gerade jetzt im Frühstücksfernsehen ein Beitrag laufen, welcher das Problem zum Thema macht. schei., zu spät weggeschaltet und schon viel zu viel gehört! Warum müssen die auch die bedeutendsten Fakten und Symptome immer gleich zu Anfang nennen?! Nimmt den keiner Rücksicht auf die vielen Hypochonder, Karzinophobiker und alle anderen, die nicht ganz richtig ticken?! Nö! Warum auch!
STEP 4: Also gut! Einmal nur! Nur einmal kurz in Google gucken, was wirklich hinter dem Problem stecken könnte... Bestimmt was ganz harmloses! Suchbegriffe wie Krebs, Malignom, etc. dringend vermeiden. Ich will mich ja nur kurz informieren. Ja, ich verspreche mir auch selbst, nur mit einem Auge hinzusehen und die Texte nur zu überfliegen... Bestimmt gibt es eine ganz einfache Erklärung für dieses... KREBS?! schei.! Da steht KREBS!... Also doch mal ein wenig genauer lesen... Nur zur Beruhigung! Gibt ja nicht nur den einen Artikel...
STEP 5: Nach unruhiger Nacht wache ich auf. schei., diese ganzen Informationen! Das hätte ich nicht tun sollen! Was haben wir in der Therapie gelernt, faktum!? Niemals googeln - aber jetzt ist es ja eh schon zu spät! Panik macht sich breit! Ich muss zum Arzt! Sofort! Aber bei meinem Arzt bekomme ich so schnell keinen Termin? Warum muss gerade heute das Abrechnungssystem aussteigen? Egal! Es gibt ja noch die Notfallpraxis im Krankenhaus! Ist ohnehin viel praktischer, denn die kennen mich ja noch nicht so genau wie mein Hausarzt und werden mit Sicherheit unvoreingenommen an das Problem herantreten... Also los! Die haben ja praktischerweise 24/7 geöffnet!
STEP 6: Toll! Wir haben mal wieder Step 6 erreicht! In der Notaufnahme schildere ich mein Problem. Leichte Überdramatisierungen sind nicht verkehrt, wie ich gelernt habe, denn sonst speisen sie Dich mit einmal Blutdruckmessen und kurzem Check-Up einfach wieder ab - und verweisen Dich zurück an den Hausarzt! Aber der hat doch keine Zeit! Zumindest ist blöderweise gerade einmal wieder Wochenende! Und bis Montag kann ich nicht warten! Ich brauche Gewissheit! Jetzt! Sofort! Pronto, bitte!
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Die Wartezeit zwischen Anmeldung und der ersten Anamese ist grauenhaft. Heute, einen Tag später, sitze ich erneut in der Notaufnahme... Aber in einem anderen Krankenhaus. Zum Glück haben wir hier ja so einige in der Großstadt!
Warum aber müssen gerade jetzt die schwer Kranken in ihren Betten, mit ihren Infusionen, Beatmungsgeräten und technischem Schnickschnack, den ich nicht verstehe, an mir vorbei geschoben werden?! Und warum piepst es hier eigentlich überall? Gesprächsfetzen von Ärzten und Krankenschwestern (...in der Fünf haben wir einen Notfall... / ...Endstadium... / ...den können wir nur noch sedieren...) tragen auch nicht gerade zur Entspannung bei. Und warum rennen die beiden jungen Ärzte jetzt eigentlich?!
Nach endlos langer Wartezeit werde ich endlich aufgerufen und soll der Schwester in eine circa 3x3 Meter große Kabine folgen. Keine Tür, lediglich ein Vorhang, wird geschlossen. Und hier, am Sonntag, geht es nun richtig ab. Durch den Vorhang höre ich alles, was sich so auf dem Gang abspielt. Die haben nämlich nicht nur eine, sondern sage und schreibe acht dieser schrecklichen Kabinen. Ich höre Schreie, wildes Fußgetrappel und Gesprächsfetzen, die ich hier nicht weiter veröffentlichen möchte.
Geschlagene 45 Minuten später kommt dann endlich der Arzt zu mir. Ich schildere ihm panisch, am ganzen Körper zitternd, mein Problem - Verdacht Lungenkrebs, hauche ich. Zum Glück stellt der sich nicht so störrisch an, wie meine letzte Ärztin gestern. Insgeheim habe ich mir auch vorgenommen, das Krankenhaus nicht eher zu verlassen, bevor mir die Lunge geröntgt wurde. Dem hat er auch gleich zugestimmt, nachdem ich meine Krankengeschichte ein wenig an die gestrige Version angepasst hatte. Schmerzen im Rücken, manchmal nächtliches Schwitzen, Druckgefühl auf der Lunge... Mit DIESER Story musste er es einfach tun.
Blöderweise kam er dann aber erstmal mit dem Vorschlag, mir Blut abzunehmen. Hallo?! Ich bin hier um einfach nur meine Lunge röntgen zu lassen und meine Angst vor Lungenkrebs loszuwerden. Wer weiß, was bei einer Blutuntersuchung dann noch alles rauskommen könnte. Das will ich gar nicht wissen. Als ich mich gerade vehement dagegen weigern wollte, hatte ich die Nadel schon im Arm. Danach hat er mich, genau so, wie die Ärztin gestern, abgehört und ihre Aussagen bestätigt. Lungenwege sind frei. Keine Anzeichen einer Bronchitis. Für ihn hörte sich meine Lunge tadellos an. Nicht, wie er sagte, wie bei vielen anderen Rauchern sonst.
Beruhigt hat mich das Ganze natürlich nicht. Lungenkrebs kann man ja nicht hören. Als dann noch einmal die Schwester eintrat um ein EKG zu machen und den Blutdruck zu messen, war ist fast schon wieder mit dem Gedanken befasst, einfach zu gehen. Nochmal: ICH WILL WISSEN, OB ICH LUNGENKREBS HABE (bzw. dass ich diesen NICHT habe), und nicht auf Herz und Nieren durchgecheckt werden. Eine Information reicht mir vollkommen! Wer weiß, was bei den anderen Test noch rauskommen und Spielraum für neue Interpretationen meinerseits zulassen könnte. Dies würde mich sofort wieder zu Step 1 katapultieren.
Weitere 45 Minuten später, nachdem ich durch zahlreiche, endlos lange Flure geirrt bin, fand ich schließlich die Röntgen-Station. Das Röntgen ging sehr schnell, hörte sich aber unheimlich an. Fast schon körperlich spürte ich die Strahlung, wie sie durch meinen Körper drang.
Die anschließenden 1,5 Stunden waren eine einzige Qual. Zurück in meiner 3x3-Meter-Kabine ging ich auf und ab, wie ein Tiger im Käfig. Es dauerte endlos, bis der Arzt endlich den Vorhang zurückzog und meinte:
Ihre Lunge ist einwandfrei! Ich habe mir soeben die Röntgenbilder angesehen. Ich kann Sie beruhigen! Da ist gar nichts! Ihre Blutwerte sind ebenfalls top! Keine Spur von einer Entzündung! Das EKG ist ebenfalls vollkommen normal - und den leicht überhöhten Blutdruck messe ich Ihrer Aufregung zu.
Erleichtert verließ ich anschließend die Notaufnahme und habe mir geschworen, schon heute mit dem Rauchen aufzuhören. Oder eben spätestens morgen. Ganz gewiss aber nächste Woche in acht Tagen!
In diesem Sinne...
Best,
Faktum!
24.03.2013 17:08 •
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