Guten Morgen tanilein,vielen lieben Dank für Deine Antwort. Es tut verdammt gut, verstanden zu werden.
Du hast ja auch ordentlich was durchgemacht.
Mir gings wie Dir. Ich habe seit Ende 2009 eine ziemlich heftige Zeit hinter mir. Ende 2011 dann meine allererste Panikattacke. Die hab ich noch gut in den Griff bekommen und war bis Ende 2012 recht Panikfrei. Dann kam dieser lange schneereiche Winter und ich hab beim Fahren bei Glatteis wieder eine Panikattacke bekommen. Ab da an gings dann nur noch bergab. Zumal die Arbeit mich zeitweise völlig überforderte.
Zitat von tanilein:
Sehr sehr langsam berappele ich mich zwar einigermaßen, aber was mir wirklich stinkt, ist, dass ich nun bemerke, dass ich angstfreie Zeiten kaum aushalten kann.
Obwohl das mein großes Ziel ist, angstfrei zu sein, macht mir genau das immer wieder große Angst.
Das war auch ein Gedanke, den ich mir gestellt hab. Ich hab im letzten Sommer versucht meine Angst auszusetzen. Mein Freund nennt sie immer mein kleiner Teufel im Kopf, der mir schlimme Dinge einflüstert. Also hab ich im Urlaub, als ich so gefrustet war, weil ich wieder die ganze Nacht Todesängste ausgestanden hatte, gedacht...so ich setzt das blöde Vieh (Teufelchen) jetzt am Straßenrand aus. Imaginationsmethoden sollen ja gut funktionieren. Hat sie auch...nur leider nicht so wie geplant. Ich hab das Vieh gedanklich an den Straßenrand gesetzt. Und keine 5 Minuten später wieder eingesammelt, weil ich es nicht ertragen konnte, dass ich es da sitzen lasse. Da kam mir auch der Gedanke, dass irgendwas in mir diese Angststörung festhält. Dass sie noch ne tiefere Funktion hat, als ich bisher dachte.
Zitat von tanilein: Meine Psychotherapeutin hat mir erklärt, dass das davon kommt, dass mir der Zustand, Angst zu haben, eben total vertraut ist.
Wenn ich nun also einmal relativ angstfrei bin, dann ist das ein Zustand, der mir fremd ist.
Und dieses fremde Gefühl macht mir dann wieder Angst. Also versuche ich unbewusst, diesen vetrauten Zustand wieder herzustellen und suche mir wieder die nächste Angst.
Die Angst als Selbstzweck quasi, so skuril das auch klingt.
Nein...klingt irgendwie, wenn man drüber nachdenkt, total logisch.
Zitat von tanilein:Aber soviel ich auch theoretisch über Ursprung und Struktur meiner Angst weiß, so wenig ist es mir praktisch möglich, sie abzustellen oder wenigstens einzudämmen.
Das ist ein echter Teufelskreis und bisher habe ich keine Strategie gefunden, um dem zu entkommen.
Leider hört da bei mir auch meine Fachkenntnis auf. Deswegen renne ich ja immer noch mit meiner Angst rum. Obwohl ich ja eigentlich wissen müsste, wie sie wegzubekommen ist...
Zitat von tanilein:Du schreibst in deinem Beitrag, die Psychotherapie habe bei dir zu einer Symptomverschiebung geführt ...
Kannst du mir das mal genauer erläutern ? Das interessiert mich.
Ich hatte anfänglich typische Panikattacken. Ich hab das einfach ignoriert, mich mit den Ängsten konfrontiert, Angst ausgehalten...etc. Also typisches Verhaltenstherapeutische Vorgehen. Die Panikattacken gingen dann auch zurück. Und stattdessen kamen dann diverse körperliche Beschwerden. Magen-Darm-Beschwerden, Kopfschmerzen, Herzbeschwerden (bzw. was sich danach anfühlte), extreme Verspannungen, Wahrnehmungstörungen, Schwindelgefühle. Was dann wieder anfing starke Angst auszulösen. So bekam ich meine Herzneurose. Wenn ich konkrete Sachen habe, vor denen ich Angst habe (wie z.b. die letzten Monate keinen Job zu finden), dann sind die körperlichen Beschwerden eher im Hintergrund. Wenn ich dann meine Angst ignoriere, oder wenn ich davor flüchte (essen, fernsehen, Ablenkung), dann kommen sofort die Körpersymptome zurück...oder wenn ich halt die Krise überstanden hab (wie jetzt mit der neuen Stelle).
Zitat von tanilein:Vielleicht finden wir zusammen einen Weg, diesen Teufelskreis Wohlbefinden-Angst-Angstbewältigung-Wohlbefinden-Angst zu durchbrechen ?
Das wäre wirklich schön . Ich versuche ja gerade zu vermeiden, meine Gefühle zu vermeiden. Auch hinsichtlich dem Fluchtverhalten Essen, dass ich habe. Hab da von ner Kollegin ein Buch empfohlen bekommen, in dem darauf eingegangen wird, dass Essen als Betäubung dient, wenn man dazu neigt ständig zu viel zu essen. Um eben die ganzen unguten Gefühle zu betäuben. Und dass es hilft, sich den Gefühlen zuzuwenden, statt zu essen. Und damit man es auch schafft auf Dauer normal und gesund zu essen.
Da die Achtsamkeit auch sagt, man soll seine Gefühle annehmen und sich ihnen zu wenden, ohne sie zu bewerten, arbeite ich derzeit daran. Aber scheitere noch oft daran, dass ich nicht klar fühle, was ich fühle...sondern mehr Körper spüre dann. Manches kann ich inzwischen übersetzen. Wut spüre ich zum Beispiel oft als starke Verspannung im Nacken, statt als Gefühl.
Zitat von tanilein:Ich wünsche dir und uns dafür jedenfalls alles Gute.
Das wünsche ich dir und mir ebenfalls
Zitat von tanilein:P.S. Übrigens: ich versuche auch seit geraumer Zeit, wieder abzuspecken. Mein derzeit negatives Körpergefühl befeuert meine Angst nur noch mehr.
Kenne ich auch. Hab durch die letzten 2 Jahre 30 Kilo zugenommen und versuche gerade mein Essen zu normalisieren. Hab ich weiter oben schon geschrieben .
Wenn es dich interessiert, kann ich dir den Namen des Buches gerne geben .
Liebe Grüße
Miiu Miau
Guten Morgen CelestineZitat von Celestine:Angst als Gewohnheit? Da habe ich mich lange gegen gesträubt. Wie krank ist das denn, dass man sich an sowas Fieses gewöhnen und es sich sogar durch Gedanken herbeizaubert?
Heute weiß ich, dass es so ist. Habe dies lange und intensiv in der Therapie bearbeitet. Dabei gibt es nicht nur einen Aspekt, es ist vielschichtiger!
1. Es darf mir nicht gutgehen (hat mit Erlebtem und Erlerntem aus der Vergangenheit zu tun)
2. Bei der Angst weiß ich, was ich habe und wie es funktioniert ( gibt Sicherheit, so paradox wie es klingen mag)
3. Die Neuronen in meinem Kopf kennen die Wege der Angst sehr gut, ist wie eine Autobahn, Und es kostet natürlich Überwindung diese zu verlassen und neue, unbekannte und schlecht befahrbare Wege zu nutzen
Dies sind so meine Erkenntnisse, an denen ich arbeite. Und es bedeutet wirklich ARBEIT, jeden Tag und immer wieder aufs neue. Bis irgendwann eine neue, angstarme Gewohnheit da ist...
Diesen Zustand wünsche ich uns allen!
vielen Dank für Deinen Beitrag. Ich habe ja auch stark die Vermutung, dass es sehr vielschichtiger ist, als ich bisher (bei mir) vermutet habe.
Interessant finde ich Deinen Aspekt: Es darf mir nicht gut gehen!
Ich hab mich auch schon gefragt, ob das bei mir irgendwo dahinter steckt. Wobei ich eigentlich davon überzeugt bin, dass es mir auf jeden Fall gut gehen darf...
Aber ich hab in der Reha feststellen müssen, dass mein Selbstbild hinter meiner eigenen Fassade doch ziemlich mies aussieht. Und ziemlich verdreht. Seit dem frage ich mich, ob das nicht doch auch ein Grund mit sein könnte. Dass ich denke, dass ich es nicht verdient habe zufrieden und glücklich zu sein...
Hast Du schon Erfolg bei Deiner Arbeit an deinem Ziel? Wie machst Du das? Hast Du Strategien dafür? Ich bin da sehr neugierig, weil mir bisher, bei all der Fachkenntnis, die ich habe, keine für mich einfallen. Klingt total blöd...ist aber leider so
Liebe Grüße
Miiu Miau