Mir geht es genau wie Euch. Die extreme Angst vor Krebs habe ich seit der frühesten Kindheit.
Ich denke, weil das eben die Angst vor dem Schlimmsten ist, das ich mir vorstellen kann. Das absolute Ende. Und das sucht sich die Angst natürlich.
Bei mir war es auch immer so, dass ich es nie wissen wollte. Andere wollen sich ja gerade immer wieder rückversichern, verbringen Stunden in Wartezimmern nur um zu erfahren, dass sie nichts haben. Aber bei vielen kommt nach einiger Zeit der Teufel Angst wieder durch eine andere Hintertür.
Bei mir war es als Kind schon so, dass ich es nicht wissen wollte, wenn ich denn Sterben muss.
Da war eine beispielhafte Situation.
Ich hatte einen völlig harmlosen Grützbeutel und meine Ma zwang mich zum Arzt.
Er wollte das Ding rausschneiden und einschicken, ich habe wie von Sinnen gebrüllt und geschrien, dass ich es nur rausschneiden lasse, wenn er es vor meinen Augen im Klo runterspült. Das gab ein Riesen Hin und Her, er sagte, das sei eine reine Routine, der Grützbeutel sei absolut harmlos, aber es ist eben ärztliche Vorschrift, alles ins Labor zu schicken, was man rausschneidet. Er macht sich sonst strafbar. Ich habe so getobt und gesagt, dann lasse ich es eben nicht rausschneiden. Und er musste es dann vor meinen Augen runterspülen, weil ich sonst ständig geglaubt hätte, er holt es heimlich aus der Mülltonne.
So war ich also schon als Kind und ich weiß, dass es durch die Ängste meiner Mutter kommt. Die rannte ständig zum Arzt und erzählte von tödlichen Krankheiten. Sie hatte selbst ein Medizinstudium…
Als sie dann, Jahre später tatsächlich tot war, trotz ihrer ständigen Vorsorgen und Arztbesuche, nahm meine Angst Überhand und ich sah die einzige Lösung in der Flucht nach vorne und ging zum ersten Mal in meinem Leben zum Arzt. Er war der beste Gyn, den man sich vorstellen kann. Ich bat um eine Beratung und erzählte sehr offen und detailliert von meinem seelischen Zustand.
Ich war allerdings noch sehr jung, gerade 28.
Er nahm mir alle Angst, untersuchte mich, lachte dabei immer, alles super. Er sagte auch, ich könne jederzeit zu ihm kommen, egal womit. Das war einfach toll.
Ich hatte natürlich noch oft tödliche Sachen entdeckt, war dann völlig aufgelöst bei ihm, aber er konnte mich sofort auffangen und ich verließ die Praxis stets mit breitem Grinsen.
Ich war dann bestimmt 10 Jahre lang zweimal im Jahr zur Vorsorge bei ihm.
Vier Wochen vor dem Termin begannen Übelkeit, Bauchkrämpfe und Durchfall.
Der Tag selbst war von heftigen Durchfällen, Zittern, Weinen usw. begleitet.
Danach war ich immer glücklich und geradezu euphorisch.
Bis das Spiel von Neuem begann.
Irgendwann sind wir leider umgezogen und ich habe die Anfahrt nicht gepackt.
Erst ging es noch, aber es war gefährlich in dem Ausnahmzustand so eine Strecke zu fahren, ich konnte vor Zittern nicht einmal mehr die Kupplung treten und bei der Parkplatzsuche bekam ich Heulkrämpfe. Ich war ja absolut sicher, in der nächsten halben Stunde mein Todesurteil zu erhalten.
So war ich nie wieder bei einem Arzt.
Ich entschloss, mich dieser Angst nicht mehr auszusetzen.
Ich vermied jeden Blick auf meinen Körper, jedes Abtasten, jeden Artikel zum Thema.
So ist das bis heute.
Wenn ich etwas meine zu spüren warte ich ab.
Wenn es nicht weggeht, sage ich mir ok, du hast es jetzt, jetzt zerfrisst es dich, aber es ist ja deine Entscheidung.
Eine Diagnose und Behandlung wäre für mich noch weniger zu ertragen.
Ich habe einen Hausarzt, der über meine Angst Bescheid weiß, wenn es gar nicht geht, kann ich dorthin, nur zum Sprechen und bisher konnte er mir dann erklären, dass meine Symptome nichts mit der befürchteten Sache zu tun haben.
Natürlich ist mir klar, welche Gefahren mit dieser Haltung verbunden sein können.
Aber ich komme so ganz gut zurecht.
Mir geht es lange Phasen sehr gut.
Weil ich zu viel Angst vor Diagnosen habe, die oft auch überzogen sind und Leute wie mich in nicht zu ertragende Ängste stürzen. Die Erfahrung musste ich bereits einmal machen.
Ich habe hier immForum schon einmal von dem Drama geschrieben.
Ein unsensibler Satz eines Arztes stürzte mich in die tiefste Krise meines Lebens.
Ich war damals sicher, nun sterben zu müssen. Qualvoll.
Eine Diagnose und die damit verbundene Behandlung wäre für mich nicht akzeptabel,
ich möchte es lieber bis zum Schluss nicht wissen und dann eben hinnehmen, dass es mit mir zu Ende geht. Das wäre für mich erträglicher als eine Behandlung.
Tut mir leid, wenn ich das so krass schildere.
Ich finde natürlich jeden bewundernswert, der den richtigen Weg schafft.
13.04.2022 08:06 •
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