Eigentlich bin ich auch an einer Therapie interessiert, auch wenn sich meine Krankheitsängste über die Jahre schon ziemlich manifestiert haben dürften.
Allerdings kann ich mir keine Therapie vorstellen, wo einem (verkürzt ausgedrückt) gesagt wird, dass man nichts hat und nichts haben wird. Das kann
nämlich auch mal nach hintengehen. Leider ist es nun mal so, dass die meisten Menschen wohl an Krebs sterben, und davon sind viele noch keine Alten,
wo man sich sagen würde, an irgendwas muss man im Alter ja sterben. Wir leben in einer Umwelt, die zunehmend verseucht wird, anders kann ich mir
die Zunahme an diversen Krebserkrankungen nicht erklären. Lebensmittel, Kosmetik, Kleidung... alles mit Chemie, Luft und Wasser sind sicherlich auch nicht
mehr das, was sie vor 100 Jahren waren.
Ich weiss nicht, wo so eine Therapie ansetzt. Für mich wäre das nur denkbar, wenn man lernt, die Signale des Körpers richtig zu deuten, also normal,
und nicht überzogen, aber auch nicht fahrlässig oder sie gar ganz ignorieren oder auf die Psycho-Schiene schieben. Dazu einen neuen Blickwinkel auf die
eigene Existenz finden.
Interessant finde ich den Ansatz, den BeJoB beschrieben hat. Offensichtlich hat er es irgendwie geschafft, eine andere Einstellung zu erlangen.
Vermutlich beinhaltet die Einstellung auch eine Relativierung der eigenen Angst, sich selbst nicht so sehr wichtig zu nehmen. Den Sinn des Lebens nicht
darin zu suchen, bis zum Schluß gesund zu sein (auch wenn man natürlich die Gesundheit anstrebt) sondern ein erfülltes Leben zu leben, egal wie lange
es währt und egal wann es endet und womit es endet.
Mir hilft bei akuten Ängsten immer der Spruch: Solange man keine Diagnose hat, kein Grund zur Panik. Für Panik ist immer noch Zeit, falls man es schwarz
auf weiß hat.
Wo ich aber noch immer nach einem Ausweg suche ist diese latente Angst. Ab wann muss man zum Arzt? Ab wann sind Symptome ernstzunehmen?
Darauf finde ich als Laie keine Antwort, und ich bin so gestrickt, dass ich es mir nicht verzeihen könnte, aus Fahrlässigkeit etwas zu versäumen.
Momentan bekomme ich immer wieder Reize von meiner Blase, immer so ein klein bisschen, mal mehr, mal weniger, nicht dringend, aber eben immer wieder
mal zwischendurch. Jeder würde sagen, kleiner Blaseninfekt, in zwei Wochen vorbei (geht schon eine Woche so), ich aber habe auf einen Teststreifen
gepinkelt, der zeigt alles normal an, also fragt sich mein Hirn, wenn es keine Blasenentzündung ist, was bleibt dann noch übrig? Kann doch nur was
Schlimmes sein. - Das ist vermutlich eben mein Problem, andere würden nicht auf diese Ideen kommen, die würden erst zum Arzt gehen, wenn Blut kommt.
Mit Krankheitsängsten denkt man immer das Schlimmste. Harmlose Dinge machen einem keine Angst, daran stirbt man ja nicht, warum sollte man über
Harmloses nachdenken, wenn es doch genug schlimme Alternativen gibt? Dabei zählt nicht mal die Wahrscheinlichkeit, mit der es so sein könnte, sondern
es zählt, wie katastrophal es wäre. Je schlimmer das Szenario, desto größer die Angst, die Wahrscheinlichkeit bzw Unwahrscheinlichkeit wird dabei ausgeklammert.
Es nützt einem ja nichts, wenn es zu 99% nicht ist, aber man selbst das 1% ist.
Ich frage mich immer, woher diese Angst kommt, die mich so sehr ausbremst und mir so massig Energie abzieht. Zum einen hatte ich schon als Kind Ängste, da
war es Tollwut. Als Teenager dann Angst vor AIDS. Und danach kam noch die Angst vor Krebs dazu, und diese Angst wird permanent befeuert, weil man an allen
Ecken und Enden, ob man will oder nicht, mit diesem Thema konfrontiert wird. Überall sterben Leute, aber sie sterben meistens nicht an Unfällen sondern an Krebs.
Und manche sind nicht viel älter als man selbst, einige sogar jünger.
Der nächste Punkt ist das schlechte Gewissen. Ich bin übergewichtig und kämpfe seit ich denken kann gegen jedes Kilo. Und natürlich liest und hört man
immer wieder, dass Übergewicht zu den Risikofaktoren für praktisch jede Krankheit gehört, so auch zu Krebserkrankungen. Das lässt einen nicht kalt. Dazu kommt
ja auch noch, dass man bei jemanden, der üppig ist, bestimmte Dinge auch schlechter diagnostizieren kann. Während bei anderen geschwollene Lymphknoten am
Hals schon einfach so sichtbar sind, muss man bei mir ordentlich zugreifen, um überhaupt was ertasten zu können. Ich mag mir auch gar nicht vorstellen, in welche
Konflikte Menschen geraten, die übermässig Alk. trinken oder rauchen. Der Alk. säuft sich die Angst vielleicht weg, aber der Raucher?
Und als dritter Punkt sei gesagt, dass mich Ängste vor allem dann überfallen, wenn ich zu wenig unter Menschen bin, und das ist meistens der Fall. Ich könnte
mir vorstellen, hätte ich neben meinem Mann auch Familie und wirklich gute Freunde, dann wäre man ein Stück weit geborgen. Ich glaube tatsächlich, dass
Ungeborgenheit einen großen Teil zu Krankheitsängsten beiträgt. Man fühlt sich nicht als Teil eines großen Ganzen sondern separiert, überflüssig. Die Natur aber
beseitigt überflüssiges.
Gerade, wenn man mit seiner Lebenssituation nicht zufrieden ist, vielleicht sogar meint, Zeit zu verschwenden oder gegen seine eigentliche Natur zu leben, ist man,
denke ich, sehr anfällig für Krankheitsängste. Bis heute ist nicht geklärt, inwiefern eine unglückliche Psyche zu Krebserkrankungen beiträgt. Und das macht dann auch
wieder Angst. Ein Teufelskreis.
Ich weiß nicht, wie mein Weg aus den Krankheitsängsten heraus sein könnte. Einfach nur wegreden in der Therapie, wo man alles auf die Psyche schiebt, ist für mich
nicht denkbar. Ich möchte nach wie vor die Kontrolle haben, soweit es halt geht und auch gesund ist. Desweiteren arbeite ich an meiner Lebensweise. Versuche, mich
gesund zu ernähren, achte auf Inhaltsstoffe und Verpackungen, wasche neue Kleidung sehr sorgfältig, spüle nach jedem Waschgang zweimal nach. Ich arbeite daran,
mein Gewicht weiter zu reduzieren. Rauchen tue ich sowieso nicht, und Alk hat mir noch nie geschmeckt. Und ich habe angefangen Sport zu treiben.
Psychisch ist es schwerer. Es wird mir niemals egal sein, ob ich eines Tages Krebs bekomme oder nicht. Das KANN mir einfach nicht egal sein. Also könnte ich lediglich
versuchen, diese Angst davor zu relativieren. Das Leben als etwas zu begreifen, was das Risiko einer Erkrankung nun mal per se beinhaltet. Und das keiner, der tut
was er kann, daran schuld ist, wenn dann doch was passiert. Auch wenn man nicht den perfekten gesunden Lebensstil hat. Übergewicht ist keine Schuld sondern
ein Resultat. Die einen kommen mit Sport runter, bevor sie wegen Problemen und Druck durchdrehen oder zusammenbrechen, die anderen kompensieren mit Essen, jeder
kompensiert damit, womit er am besten kann. Sport hat bei mir noch nie geholfen, ich war hinterher nur noch zusätzlich körperlich kaputt, die Probleme waren immer
noch da. Durch Essen oder sich verkriechen (also das Gegenteil von Auspowern) können manche Menschen ihre Mitte wieder finden, so hat jeder seinen Weg, auch
wenn es gesündere und weniger gesündere gibt, man hat es sich nicht rausgesucht, was für ein Typ man ist.
Sicherlich muss ich an meinem Schuldkomplex arbeiten, mir auch Fehler verzeihen können, so auch, mal etwas zu übersehen oder zu versäumen, so lange es nicht
grob fahrlässig ist. Es kann nicht der Weg sein, ständig zu Ärzten zu rennen, sobald man meint, da ist was, nur, damit man seine Pflicht getan hat und nicht schuld
daran ist, wenn was passiert bzw etwas schon zu weit fortgeschritten ist. Ich muss begreifen, dass Krankheit und Tod, auch wenn man es nicht möchte, ein Bestand-
teil des Lebens sind, auch in einer modernen Gesellschaft. Und man das Leben geniessen soll, und es wahrscheinlich rein gar nichts nützt, wenn man ständig auf der
Hut ist, ja nichts zu übersehen. Wahrscheinlich würde es einen dann irgendwo anders erwischen, wo man gerade nicht darüber nachdenkt.
Also sage ich mir, solange die Symptome mit der Blase nicht schlimmer werden, will ich versuchen, es auszuhalten (psychisch). Denn ich mache mir nichts vor, wenn
ich die Blase abklären lasse, kommt was anderes und damit dann auch eine neue Angst. Gestern habe ich - ich schlafe auf dem Bauch - wiederholt den Eindruck gehabt,
dass irgendwas links in meinem Bauch drückt, ich dachte erst, ich liege auf einem Stück zusammengerutschter Decke, aber dem war nicht so. Kein Mensch würde dabei
was denken, ich dachte, habe ich einen Tumor im Bauch? Dass der dann schon sehr groß sein müsste, um durch meine Bauchmuskeln und das Bauchfett zu drücken,
das interessiert meine Angst nicht. Ich habe also meinen Bauch abgetastet, nichts gefunden, und versuche, nun wieder normal zu sein und es bis zum nächsten
regulären Arzttermin auszuhalten, ohne jede freie (!) Minute daran zu denken.
Jedenfalls würde ich mir so sehr wünschen, ein Stück weit von dem Trip runterzukommen. Zum einen verdorben man sich so viel Lebenszeit, verschwendet Energie für
nichts, zum anderen wird man älter, wo die Einschläge gewissermaßen näher kommen, also sollte man wirklich was dagegen tun, um nicht völlig gaga zu werden.