Hallo Gennevilliers,
ich bin es nochmal.
Die Angstgedanken nicht zu füttern, ist das a und o, wie Reconquista schreibt.
Allerdings...wie schafft man das?
Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass es manchmal ein Antidepressivum braucht, damit die richtigen Schritte in die richtige Richtung Wirkung zeigen können.
Man erlebt sich ja in solch einer schwierigen Phase, wie du bist, diesen angstmachenden Gedanken völlig ausgeliefert.
Da braucht es eine andere Hirnchemie (durch beispielsweise ein AD).
Das darf man nicht als einfache Lösung ansehen.
Die Einnahme eines ADs ist in vielen Fällen die Voraussetzung, dass man an sich therapeutisch arbeiten kann. Zunächst einmal muss in den Organismus etwas Ruhe einkehren und man muss aus diesem Alarm-Modus irgendwie raus.
Mein AD hat damals 6 Wochen gebraucht bis es wirkte. Diese Zeit war hart. Ich habe nie Beruhigungsmittel genommen, weil ich Angst davor hatte. Von meinem AD bin ich zwar auch irgendwie abhängig, aber ohne dass ich je die Dosis gesteigert habe und fast ohne Nebenwirkungen.
Ich stelle es mir so vor, dass es in einer Angstkarriere einen Kipppunkt gibt (ähnlich wie beim Klimawandel). Wenn man über einen bestimmten Punkt drüber ist, werden da chemische Prozesse angestoßen, die sich irgendwie verselbständigen.
Wie ihr merkt, bin ich keine Medizinerin, ich spreche aus dem wie ich es in 3 Jahrzehnten als Mensch mit Angsterkrankung wahrgenommen hab.
Die ersten 20 Jahre meiner Zeit im Umgang mit Angst, konnte ich diese händeln. Dann mit 35 Jahren, auch in einer für mich sehr stressigen Zeit (kurz nach meiner Hochzeit, wir sind ins Ausland gezogen, Tausende Kilometer von zuhause entfernt), habe ich mich meinen angstmachenden, sich verselbständigenden Gedanken völlig ausgeliefert gefühlt.
Mithilfe von Sertralin habe ich mich recht schnell wieder auf ein Level berappelt, von dem aus ich mich dann erst wieder in eine gute Richtung weiterentwickeln konnte.
Ich habe nie eine Gesprächstherapie gemacht und war nie in einer Klinik. Das waren keine bewusste Entscheidungen dagegen. Das hat sich so ergeben.
Ich hab nach meinem Zusammenbruch, relativ schnell wieder in meinem Leben Fuß fassen können. Vielleicht war es auch Glück und Zufall. Und vielleicht auch meine Art, auch in dieser schwierigen, für mich fast unaufhaltbaren Phase (was körperliche und psychische Symptome anging) alle Dinge im Alltag irgendwie weiterzumachen, immer mit Übelkeit und Angst an meiner Seite (Rausgehen, Autofahren, Treffen mit anderen Leuten, Reisen...). Ich glaube ich wusste schon damals, dass dauerhafter Rückzug für mich und meine Angsterkrankung das schlechteste ist, was ich machen kann.
Aber der Gamechanger war für mich Sertralin.
Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht dankbar bin, dass es diese Tabletten gibt.
Ich bin jetzt 54, bin immer noch beschenkt mit Mann und Kind, und erlebe die üblichen Auf und Abs.
Ich bin mir bewusst, dass bei einer größeren Krise, verursacht von außen (z.B. Krankheit, Tod mir nahestehender Personen) meine Angsterkrankung wieder an Größe und Schwere zunehmen kann/wird. Wie ich das dann hinkriege, weiß ich noch nicht...
Ich versuche mit meinen Aufgaben zu wachsen.
Hey Gennevilliers, ich wünsche dir echt von Herzen, dass du deinen Weg findest.
Ich wollte die Mut machen, indem ich dir von mir erzählt haben.
Alles Gute!
Haferflocke
25.03.2024 11:46 •
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