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Erst Angst vor HIV, nun Hypochondrie
Hi Leute,
ich denke, dass ihr beim Lesen mehrmals lachen werdet, allerdings muss ich diese Last loswerden. Nur als Warnung: Der Text ist lang. Aber keines der Details ist unnötig.
Als ich Mitte November beruflich in Moskau war, hatte ich über das Internet (eine Flirt-Plattform, die eher in Deutschland gängig ist und nicht in Russland) eine Studentin kennengelernt. Wir haben gechattet und kamen relativ schnell zur Sache: Wir wollten uns treffen und das taten wir auch. Wir sind spazieren gegangen, sie hat mir die Sehenswürdigkeiten gezeigt, wir waren Kaffee trinken, sie hat mir von ihrem Studium und ihrem Thailand-Aufenthalt erzählt … und so weiter. Ein sehr nettes und anscheinend auch unfassbar intelligentes Mädchen.
Als wir auf dem Weg zurück zu meinem Hotel waren, haben wir angefangen, Händchen zu halten. Und dann war es auch relativ klar, dass sie „mein Zimmer sehen will“. Gesagt, getan. Wir liegen im Bett, und irgendwann kommen wir zur Sache. Also, SIE kommt zur Sache mit den Worten: „Da du so ein netter Kerl bist, denke ich, ich weiß, was wir jetzt tun sollten.“ Dann ist es passiert. Sex.
Ungeschützt? Nein. Natürlich geschützt. Ab und zu wollte mein kleiner Freund nicht so, wie ich es wollte, und ich musste ihn wieder auf Touren bringen, aber ansonsten saß das Kond. bombenfest. Vorher hat sie mich kurz mündlich befriedigt (und vor Beginn merklich gezögert), keine zwei Minuten. Als wir die Stellung wechselten, fing ich an, mich zu ekeln, da diese Frau unglaublich viele Pickel auf dem Rücken hatte (vorallem im Hüftbereich) und untenrum wirklich NULL rasiert war. Mit Kleidung war sie eine sehr attraktive Frau. Untendrunter sah das anders aus. Das ist keine unnötige Randbemerkung, also bitte weiterlesen …
Sie hat bei mir übernachtet. Bevor ich sie in mein Zimmer gelassen habe, habe ich alle möglichen Wertgegenstände im Safe gebunkert. Mein teures Macbook hat nicht reingepasst, also habe ich das unter dem Bett verstaut. Geschlafen habe ich demnach auch nicht wirklich, nur gedöst, aus Angst, dass sie mich beklauen könnte. Hat sie nicht, sie hat mich zu sich herangezogen, wollte Nähe.
Am nächsten Morgen war sie bereits um 9 Uhr wach. Wenn man bedenkt, dass wir erst um 5 Uhr eingeschlafen sind, ist das eine relativ kurze Zeit. Auch meinte sie, dass sie normalerweise länger schläft. Naja, wir haben es wieder getrieben. Wieder geschützt. Alles OK. Danach war ich eigentlich bloß genervt, weil ich unglaublich müde war. Sie sagte mir, dass sie noch bis 19 Uhr Zeit hat und gerne etwas mit mir unternehmen möchte. Alles klar, warum nicht. Also haben wir uns noch andere Flecken Moskaus angesehen. Gefrühstückt, Fotos gemacht, einfach eine schöne Zeit gehabt, die ich in dem Moment nicht so realisierte, weil ich unglaublich genervt und müde war.
Der Tag mit ihr neigte sich dem Ende zu, früher als 19 Uhr, ich sagte ihr, dass mein Chef mich anrufen möchte und ich deshalb ins Hotel muss, um eine Internetverbindung zu haben. Das war eine Lüge, ich wollte einfach nur noch meine Ruhe. Das typische One-Night-Stand-Arschloch.
Wir haben uns voneinander verabschiedet und sie war auffällig zögerlich. Diese Mimiken sind bei jedem Menschen anders, aber bei ihr hatte ich das Gefühl, sie möchte mir etwas sagen, kann aber nicht. Nun ja, wir haben uns einen Kuss gegeben und das wars. Handynummern haben wir ausgetauscht.
Als ich in Russland war, war ich die kompletten zwei Wochen erkältet. Die Temperatur hat mich sprichwörtlich eiskalt erwischt. So war ich mit dieser Frau im Bett mit einer Erkältung. Nach dem halben Wochenende mit ihr war ich immer noch erkältet und ging so auch zur Arbeit, mit jeder Menge Aspirin Complex. Sie schrieb mir Nachrichten. Wie toll ich doch sei. Was ich denn so mache. Und sie hat fleißig Bilder von den Dingen geschickt, die sie so macht. Sie wollte sich sogar noch einmal treffen, bevor ich zurückfliege. Ich sagte ab, es war mein letzter Tag vor dem Rückflug, den ich mit meinen dortigen Arbeitskollegen verbringen wollte.
Sie schrieb mir auch, dass sie sich erkältet hat. Und ich? Ich lachte. Ich fands lustig, dass ich sie angesteckt habe. Muss man dazu noch etwas sagen? Es ist zwar nur eine gottverdammte Erkältung, aber diese Einstellung … ich schäme mich heute dafür.
Zwei Wochen nach meiner Rückkehr nach Deutschland fing ich an, mir Gedanken zu machen. Mir fiel dieser strunzdumme Artikel ein, der auf einem namhaften Magazin Deutschlands veröffentlicht wurde: Bettwanzen können HIV übertragen. Haltlos. Absolute Panikmacherei, mehr nicht. Ich weiß nicht mal, wie ich auf diesen Artikel gekommen bin. Vielleicht habe ich ein Insekt gesehen und musste an diesen Artikel denken, keine Ahnung.
HIV. Das blieb hängen. Und ab hier beginnt der Spaß, meine Freunde.
Der Verkehr mit ihr war geschützt. Aber glaubt ihr, das hat mich in dem Moment interessiert? Ich habe eine unglaublich gut ausgeprägte Fantasie, ich kann ganze Filme in meinem Kopf laufen lassen. Gesagt, getan. Fragen kamen auf:
Warum wollte sie sich ohne Umschweife mit einem wildfremden Menschen treffen? Ich hätte sie abmurksen können. Sie hatte keine Angst.
Warum hat sie vor dem Oralvekehr gezögert? Weil sie Angst hatte, mich anzustecken oder weil sie Angst hatte, dass ich SIE anstecken könnte? Oder einfach nur, weil sie nicht gerne bläst, da Sper. bei Frauen ja nicht gerade als Geschmacksexplosion bekannt ist.
Warum hat sie auch beim Abschied so gezögert?
Sie war in Thailand. Da ist das Virus auch weit verbreitet. Hat sie es sich da evtl geholt?
Bilde ich mir das nur ein, oder hat sie Tabletten genommen, als wir gemeinsam gefrühstückt haben? Oder habe ich meine Vitamine genommen, die ich extra mit nach Russland nahm, um meine Abwehr auf Trab zu halten?
Ich war erkältet und wir küssten uns. Zungenküsse. Waren meine entzündeten Schleimhäute vielleicht „empfänglicher“ für Viren? Aber hatte sie überhaupt eine Wunde im Mund? Hätte man das geschmeckt?
Die Pickel auf ihrem Rücken. Der unrasierte Genitalbereich. Pickel: Anzeichen einer Infektion? Unrasierter Genitalbereich: Schon lange keinen Sex mehr gehabt, weil infiziert und jetzt die Gelegenheit ausgenutzt, es mit jemandem zu machen, der „bald eh wieder ganz weit weg ist“?
Warum ist sie auf einer deutschen Singlebörse angemeldet?
Und jetzt der Oberhammer (ich bin froh, dass ich das noch mit Humor sehen kann): Hat sie mir nachts ihr Blut verabreicht? Hat sie ihr Blut auf meine Pflegeprodukte wie Rasierer etc. geträufelt, damit ich infiziert werde, ohne es wirklich zu merken? Hat sie mir nachts etwas gespritzt? Würde man das merken?
Ich kontaktierte sie. Hey, sollte ich mein Blut testen lassen wegen unserer gemeinsamen Nacht? (Klasse formuliert, ich weiß, aber ich hatte so eine Angst, dass es einfach irgendwie raus musste). Sie fragte mich, ob ich Witze mache und dass sie absolut gesund sei. Dann fragte sie mich im Gegenzug, ob SIE nicht vielleicht zum Arzt sollte? Ob ICH nicht vielleicht krank sei? Was nicht abwegig war, da ich nie bei irgendwelchen Tests war und durchaus ungeschützten Verkehr hatte in der Vergangenheit (Gedanken wie HIV kamen mir damals nie). Ich hätte auch SIE angesteckt haben können.
Und das wars dann auch mit dem Kontakt. Danach noch ein bisschen Smalltalk und das wars. Sie war sehr abweisend. Verständlich. Auf Instagram habe ich gesehen, dass sie einen Freund hat. So viel dazu. Egal, weiter …
Als ich die Symptome googlete (unter anderem Depressionen und Abgeschlagenheit, beides traf bei mir zu), legte sich quasi ein Schatten über mich. Ich suchte nach HIV-Tests und wann man sie machen kann. Oh mein Gott. Erst nach drei Monaten? Heilige *******. Ich bin im Eimer. Das schaff ich nicht. Was soll ich jetzt nur tun? Die ganzen drei Monate in Angst leben?
Was blieb mir denn für eine Wahl? Also lebte ich in Angst. Jeden Tag googlete ich. Man sah mir meine Angst an. Ich war geknickt, ich war teilweise gelähmt. Ich habe mein Umfeld nicht mehr wahrgenommen. Ich habe mich aber niemals abgekapselt, denn ich wusste, wenn ich alleine bin, dreh ich durch. Mein Gesichtsausdruck war zu auffällig. Jeder hat mir meine Angst angesehen.
Ich fing an, meinen besten Freund die Lage zu schildern. Er hielt es für lächerlich. Er sagte, dass sie ein ganz normales Mädchen ist (nach meinen Erzählungen) und ich mich beruhigen soll. Nur weil es in Russland war, machst du dir nen Kopf! Du hattest vor dieser Russin eine Dro.- und tablettenabhängige Psychotante und VOR dieser wiederum eine, die jeden mal ranlässt und davor noch viele weitere, ECHTE Risikokontakte, weil ungeschützt. Das macht dir keine Bedenken, die Russin aber schon? Obwohl du ein verdammtes Gummi benutzt hast? Du machst dir doch nur nen Kopf, weil es in Russland war. Mach den Test. Wenn er negativ ist, ist gut. Du spinnst.
Immer öfter sprach ich das Thema an. Irgendwann war er genervt. Er war angepisst und alle meine anderen Freunde fanden meine Geschichte unglaublich witzig.
Vier Wochen waren vergangen, meine Schwester und mein Schwager waren auch eingeweiht in die Geschichte und sagten mir, dass da mit Sicherheit nichts ist. Ich soll warten, einen Test machen und gut ist. Für mich klang das alles nicht so leicht. Es war die Hölle. Ich bemerkte eine leichte Taubheit in meiner Leiste links, sofort dachte ich, dass meine Genitalien nun anfangen zu versagen und das Virus „dort anfängt, sich auszubreiten“ (dumm, ich weiß). Solche „Symptömchen“ hatte ich ständig.
Verschiedene Aids-Hilfe-Hotlines mussten sich meine Geschichte anhören. Alle waren mit der Zeit genervt, da sie ja auch Menschen betreuen, die wirklich HIV haben. Ich hatte keinen Risikokontakt, fertig. Wenn ich einen HIV-Test mache und er ist negativ, dann ist der negativ und wenn ich gewissenhaft Kond. benutze, BLEIB ich auch negativ.
Was sie haben, ist ein psychisches Problem. Sie müssen so schnell wie möglich zu einer Therapie gehen. Alleine werden sie aus diesem Teufelskreis nicht rauskommen. Verschwenden sie keine Zeit. Ihre Lage ist kritisch.
Das sagte die Frau der Hotline zu mir. Und ich nahm das nicht ernst.
5 Wochen waren vergangen, mein Chef war eingeweiht. Er hielt das Gejammer nicht mehr aus und schickte mich zum Arzt. Ich habe einen Termin ausgemacht und Blut abzapfen lassen. Das war ein Dienstagmorgen.
Im Laufe des Tages machte ich mir kontunierlich mehr Gedanken. Die Angst verstärkt sich. Bei der Arbeit kann ich mich kaum konzentrieren. Ich google natürlich fleißig weiter und bin mittlerweile ein Spezialist, was HIV angeht.
Als ich abends nach Hause kam, fertig vom Sport, saß ich mich erstmal hin und las die Nachrichten per App. Einer der Artikel lautete: „HIV-Epidemie in Moskau; Virus verbreitet sich explosionsartig in Russland“.
Und dann wars vorbei. Ameisen krabbelten meine Schläfen hoch, meine Augen waren kurz davor, zu explodieren und mein Bewusstsein wurde instabil. Ich begann zu zappeln, konnte nicht ruhig sitzen, atmete unglaublich laut und wurde hysterisch: Panikattacke.
Der Notdienst kommt. Alles, was sie tun können? Mich fragen, ob ich mich selbst umbringen möchte, weil falls ja, müssten sie mich in eine Klinik einweisen. Nein verdammt, ich will mich nicht selbst umbringen. Ich habe hier doch Angst um meine Gesundheit, also wäre Selbstmord ja wohl kontraproduktiv, oder nicht? Er schlug mir vor, zum nächsten Arzt mit Bereitschaftsdienst zu gehen. Gesagt, getan.
Dieser hörte mir geduldig zu und erkannte eine angstgefärbte Depression, die durch diesen „Vorfall“ in Russland ihren Auslöser gefunden hat. Er gibt mir zwei Tabletten Tavor und bittet mich, gleich am nächsten Tag zu meinem Hausarzt zu gehen.
Na gut. Ich ging zu meinem Hausarzt und wollte ihm von meinen Angstzuständen berichten. Allerdings kam er herein und sagte nur, dass er die Blutergebnisse hat. Mein Herz rutschte natürlich in die Hose, weil ich dachte, dass das Ergebnis erst am Donnerstag kommt. Er zählte auf: Weiße Blutkörperchen OK, Leberwerte OK, dies das … und der Labortest ist …
… NEGATIV.
Natürlich fällt mir ein Stein vom Herzen und ich verschnaufe erst einmal. Ich frage den Arzt, was das denn für ein Test war? Ein Antikörper-Test oder ein PCR-Test? Er sagte, dass es ein Antikörper-Test war und dieser zuverlässig ist. Mein Risikokontakt in Russland war einfach keiner, und selbst wenn ich mich in Russland angesteckt hätte, hätte man das auch schon nach 2 - 3 Wochen in diesem Test nachweisen können, da es sich hier um neueste Tests handelt (vermutlich der Test der 4. Generation mit p24-Antigen). Danach überweist er mich an einen Psychotherapeuten und schickt mich nach Hause.
Also war ich erstmal beruhigt. Haha. ERSTMAL. Das war kurz vor Weihnachten, und ich war kurz davor, in meinen wohlverdienten Urlaub zu gehen.
Die Zweifel waren so schnell wieder da, wie sie weg waren. Ein Antikörper-Test nach 5 Wochen negativ. Toll. Du musst noch einen machen. Nein, musst du nicht, es war GESCHÜTZTER VERKEHR und sie hat dir mit Sicherheit NICHT nachts ihr Blut eingeflößt. Alle anderen ECHTEN RISIKOKONTAKTE kannst du vergessen, bei denen ist der Test sicher.
Oder hat sie mich doch angesteckt? Irgendwie? Ich kriege es nicht aus dem Kopf.
Also wieder bei der Aids-Hilfe angerufen. Wieder das Gleiche: Sie haben ein ernsthaftes psychisches Problem und müssen so schnell wie möglich therapiert werden. Aber ein Test ist doch erst nach 12 Wochen aussagekräf…JA ABER DAS IST DAS MAXIMUM UND SIE HATTEN KEINEN RISIKOKONTAKT, GEHEN SIE ZUM PSYCHIATER.
Ich fühlte mich unglaublich allein gelassen. Verständlich, dass alle genervt sind. Alle wollen mir was gutes. Alle wollen mich beruhigen, aber schaffen es nicht. Ich glaube niemandem ein Wort. Im Weihnachtsurlaub bekomme ich regelmäßig Panik, mittlerweile auch wegen anderen Dingen außer HIV. Zum Beispiel Schlaganfälle. MS. Blutkrebs. Krebs generell. Jedes Mal, wenn diese Panik kommt, schlucke ich eine Tablette Tavor 0,5mg. Erst dann kann ich abschalten. Aber ich versuche, die Tabletten so gut es geht nicht zu nehmen, da sie mir auch Angst machen, da ich IM INTERNET gelesen habe, dass diese abhängig machen können.
Am zweiten Weihnachtstag fahr ich in die nächste Großstadt ins Krankenhaus und lasse mich neurologisch testen. Mir wird vorher Blut abgenommen. Verängstigt frage ich, warum das nötig ist. Nur als Routineuntersuchung. Na gut … die neurologischen Tests waren alle OK (nur klinisch), die Blutwerte waren auch alle OK laut Krankenhaus. Ich sah nur die erhöhten Leukozyten und gab das in Google ein. Mögliches Anzeichen? Natürlich, neben Blutkrebs auch die gute alte HIV-Infektion.
Während meines Urlaubs rufe ich mehrmals im Bezirkskrankenhaus für Psychiatrie an und lass mir versichern, dass meine Angst und Panik mir körperlich nicht schaden kann. Es ist nur Angst. Mir wird nichts passieren.
Aber da passierte was. Ständig merkte ich dieses Kribbeln im Hinterkopf. Mein Herz sprang manchmal und fühlte sich verkrampft an, so, als könnte es nicht richtig arbeiten. Aber in der Notaufnahme wurde auch ein EKG geschrieben: Mein Herz hat keine Probleme.
Aber dieses Kribbeln. Diese Ameisen, die links meinen Hals hochwandern. Sie machen mich wahnsinnig. Brustschmerzen. Engegefühl in der Brust. Unglaublich ausgeprägte Verspannungen, jede Trainingseinheit fühlte sich so an, als würde man mich filetieren. Der Muskelkater brutal wie nie zuvor. Meine Brust fühlt sich manchmal taub an, so, als würde etwas drauf“sitzen“. Und generell war meine Stimmung gedrückt. Bis ganz Tief unter die Erde.
Als wäre das alles nicht genug, entdeckte ich einen merkwürdigen, eher schwach ausgeprägten „Knubbel“ auf meinem Hals links. Kurz zuvor hatte ich dort einen Pickel, den ich beseitigte. Dieser „Knoten“ entstand in der Pickelregion und wollte auch nicht wieder verschwinden. Ich war so auf meinen Körper fixiert, dass ich einfach ALLES, was nicht gewöhnlich ist, als Gefahr ansah. Ja, das nennt man Hypochondrie. Meine Psyche hat mich überrollt …
Der Weihnachtsurlaub war vorbei, und ich ging erstmal wieder zum Arzt wegen dem Kribbeln und den allgemeinen Missempfindungen, die mich wahnsinnig machten. Der Arzt sagte, dass dieses Kribbeln am Kopf, dieses Gefühl von Krämpfen und Härte nur auf Verspannungen wegen meiner Angst zurückzuführen sei. Und der Knoten auf meinem Hals? Ein Lymphknoten, der vermutlich wegen dem Pickel angeschwollen ist. OK und ist das schlimm? Nein. Hast du andere Schmerzen in der Halsregion? Nein. Fieber? Nein. Also. Dann ist der Lymphknoten unbedenklich.
Dann sprach ich das Thema HIV an. Er rufte das Blutergebnis auf und bestätigte nochmals, dass ich kein HIV habe. Er erläuterte die Prozedur von so einem Test der 4. Generation (den ich als HIV-Spezialist schon in- und auswendig kenne) und meinte, dass dieses Ergebnis sicher sei.
Du hast kein HIV. Du musst keinen zweiten Test machen. Das Geld dafür kannst du dir wirklich sparen.
Wegen den Missempfindungen überweist er mich vorsichtshalber an einen Neurologen, um ein EEG zu machen. Falls noch ein MRT nötig sein wird, werde ich sterben vor Angst. Was ist, wenn sie etwas finden? Aber hey: Vor Angst sterben? Vor Angst, an einer Krankheit zu sterben, sterben?
Das Thema HIV war bis heute für mich durch. Der Kollege meines Hausarztes nahm mir die Angst. Zwischenzeitlich rauchte ich an der gleichen Zig. wie mein erkälteter Cousin und wurde dann folgerichtig auch ein paar Tage später krank. Der Gedanke HIV kam mir nicht mehr. Tavor? Brauch ich nicht. Ich bin einfach nur erkältet und fertig.
Nun, mein erster Termin bei der Psychotherapie stand an. Ich freute mich, da sich nun endlich jemand der Sache annehmen würde. Doch alles, was die Frau tat, war, mir zuzuhören, nahezu nichts zu meinem Befinden zu sagen und mir Escitalopram und Quetiapin zu verschreiben. Sie meint, ich brauche Therapiegespräche UND diese Medikamente, weil meine Angststörung zu stark ausgeprägt sei. Sie behandele mich nur überbrückend, da sie normalerweise nur stationär behandelt und nicht ambulant. Ich nahm den Rezeptzettel und ging etwas enttäuscht nach Hause.
Ich will nicht mit Tabletten zum Zombie gemacht werden. Wenn ich durch diese Tabletten nicht ich selbst bin, wie sollen mir dann Gespräche helfen? Ich habe die Tabletten nicht geholt. Der Rezeptzettel ist noch hier.
Morgen ist mein nächster Termin bei dieser Therapeutin, bevor ich dann am 10. Februar zu einer neuen Therapeutin gehe, die Gespräche mit mir führen möchte. Und heute, genau heute (27.01.2015), hatte ich wieder eine Panikattacke. Ich googlete mal wieder. Der HIV-Test der 4. Generation, der höchstwahrscheinlich bei mir durchgeführt wurde, ist nach 5 Wochen nicht wirklich sicher. Das p24-Antigen taucht nicht bei jedem auf. Zudem verschwindet das Antigen 4 Wochen nach der Infektion aus dem Blut und dann kann es sein, dass die Antikörper schon da sind oder eben nicht. Heißt also, dass mein negativer HIV-Test falsch-negativ sein könnte, da ich ihn 5 Wochen nach dem „Risikokontakt“ habe machen lassen.
Es fängt wieder an. Ich rufe wieder die Aids-Hilfe an. Wieder wird mir gesagt, dass das beileibe kein Risikokontakt war. Wieder wird mir gesagt, dass ich ein psychisches Problem habe und Hilfe brauche.
Und dieser Lymphknoten, der laut Arzt nur wegen einem Pickel angeschwollen ist? Dieser Knoten ist mittlerweile etwas größer, drückt und fühlt sich warm an. Er ist weich und lässt sich schieben. Dieser gottverdammte Knoten ist immer noch da. Und es ist schon ein Monat vergangen (ja, ich habe mich im Internet auch über Lymphknoten schlau gemacht). Die Leistenregion links, die sich so komisch anfühlte vor einem Monat? Genau DORT kann ich auch Lymphknoten ertasten. Dieses komische Gefühl kam von den geschwollenen Lymphknoten.
Ich habe also einen geschwollenen Lymphknoten auf dem Hals links, Taubheits- und Kribbelgefühle auf der Brust, Kribbeln im Kopf links, geschwollene Lymphknoten in der Leiste links, leichte Kopfschmerzen, leichte krampf-ähnliche Symptome im Kopf links und ein regelrechtes „Gewitter“ in meinem Kopf. Alles nur, weil ich mich in diesen HIV-Google-Teufelskreis begeben habe.
Am Donnerstag habe ich einen Termin bei meinem Hausarzt, wegen meinen Verspannungen. Ich werde ihm auch die Lymphknoten wieder zeigen, mal sehen.
Hypochondrie, immer wieder kehrende Angst, Panik, unerklärliche körperliche Symptome und der stets präsente Gedanke an HIV.
Seit ich aus Russland zurück bin, ist mein Leben nicht mehr das gleiche. Psychisch bin ich nicht mehr stabil, und auch körperlich geht es mir einfach nicht gut. Ob das nun von den Depressionen und Ängsten kommt, die sich mittlerweile generalisiert haben, oder ob es „reale“ Symptome sind … wer weiß. In der nächsten Zeit ist viel Psychotherapie und andweitiges „Ärzte-Shopping“ angesagt.
Hätte ich mich doch niemals mit diesem Mädchen getroffen. Das schlechte Gewissen macht mich zusätzlich fertig.
Und jetzt bin ich auf eure Reaktionen gespannt. Danke, dass ihr meinen Text durchgelesen habt.
28.01.2015 01:35 •
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