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Hallo liebes Expertenteam,

im letzten Jahr habe ich mir eine Herzmuskelentzündung eingefangen. Lange habe ich das nicht bemerkt. Irgendwann bekam ich dann beim Sport plötzlich Herzrhythmusstörungen und Herzrasen. Daraufhin ging es mit dem Notarzt ins Krankenhaus. Dort wurde ich für einige Tage untersucht. Man fand außer einem etwas grenzwertigen EKG nichts und schickte mich wieder heim. Mir ging es dann wochenlang nicht gut also bin ich auf eigene Faust nochmal zum Kardiologen. Der hatte nach einem Belastungs-EKG den Verdacht auf einen Herzfehler und schickte mich zum Herzkatheter ins Krankenhaus. Auf den Termin musste ich 3 Wochen warten. Das war für mich die Hölle, weil ich immer Angst hatte jeden Augenblick tot umzufallen.

Seid Januar gilt die Herzmuskelentzündung als ausgeheilt. Es ist nichts zurückgeblieben ausser einem gelegentlichen Stolpern. Mein Problem ist jetzt, dass ich keinen Sport mehr machen kann. Wenn ich es versuche krampft sich in mir alles zusammen und Angst steigt hoch, die manchmal bis zu Panik geht. Vor einigen Wochen ging das soweit, dass ich Herzrasen bekam, mit einem Puls zwischen 130 und 190 über eine halbe Stunde. Seitdem ist Bewegung für mich der Horror.

Derzeit versuche ich mich dem mit ganz kleinen Schritten wieder anzunähern. Ich gehe mal eine halbe Stunde spazieren oder fahre auf dem Heimtrainer Fahrrad. Mache Liegestütze und Situps. Dieses kribbelige Bauchgefühl geht aber einfach nicht weg.

Ich habe vor eine Verhaltenstherapie zu machen. Leider geht das ja nicht von heute auf morgen. In der Zwischenzeit will ich aktiv etwas tun, um meinen Zustand zu verbessern.

Gibt es etwas, was sie mir raten können?

16.07.2008 06:38 • 17.07.2008 #1


1 Antwort ↓

Hallo Sportler (nicht ex_!),

erst einmal etwas zu Deiner Beruhigung (wenn Du es von mir annehmen kannst): das, was Du beschreibst, ist eine klassische Situation, wie ein einmaliges angstbesetztes, körperbezogenes, nicht erwartetes und Deiner direkten Kontrolle entzogenes Ereignis eine Lernerfahrung auslöst, die zu einer stabilen Koppelung zwischen ähnlichen Situationen (Bewegung, Sport treiben, sich körperlich anstrengen) und Angst führt.

Dies ist erst einmal biologisch sogar sinnvoll, weil Angst Dich vor einer Mißachtung körperlicher Krankheitsanzeichen gewarnt hat.

So, nun kommen bei manchen Menschen weitere, meist unbewußte Prozesse hinzu, die die Angst auch dann festigen, wenn die körperliche Ursache bereits nicht mehr existiert. So ähnlich entstehen z.B. auch chronische Schmerzen. Du hast also eine Art Angstgedächtnis entwickelt.

Welche Faktoren beim Einzelnen dazu führen, ist individuell sehr unterschiedlich. In der Regel treten aber immer auf: übermäßige, auf Körpervorgänge gelenkte Aufmerksamkeit (d.h. Du beobachtest Dich sehr, nimmst jedes kleine Anzeichen wahr, vertraust Deinem Körper sozusagen nicht mehr wie früher); danach eine negative Bewertung (jetzt geht es wieder los, ich falle bestimmt gleich um und sterbe usw.); diese Bewertung löst dann erneut Angst mit allen körperlichen Begleiterscheinungen aus und man fühlt sich in seiner Angst bestätigt (ich hab es ja gewußt, es geht schon wieder los, furchtbar ...) Der Lernkreislauf ist erneut geschlossen und bestärkt worden. Die Angst bleibt erst einmal stabil.

Dies erst einmal zu Deiner Information. Du siehst, Deine Reaktionen sind verständlich, die Angst bringt Dich auch nicht um, sondern zeigt Dir nur an einer Stelle eine Gefahr für Dich an, die es nicht mehr gibt.
(vgl. auch Wolf,D., Ängste verstehen und überwinden, PAL Verlag)

Sich das (immer wieder !) klar zu machen, ist der erste wichtige Schritt, die Angst auch wieder zu verlernen. Das reicht aber nicht. So schnell läßt sich unser Gehirn nicht überzeugen, dass es falsch liegt. Du glaubst ja selbst noch dran.

Der zweite Schritt muß deshalb sein, Dein Gehirn durch Dein Verhalten zu überzeugen, dass es keine Angst mehr auslösen muß, weil die Gefahr vorüber ist. Dazu mußt Du Dich so verhalten, als gäbe es auch wirklich keinen Grund mehr für die Angst. Die wird anfangs trotzdem als Gefühl noch da sein, aber Du mußt Dich so verhalten, dass Du sie begrüßt (ah, da bist Du ja wieder. Ich weiß Du willst mich schützen. Das ist nicht mehr notwendig, weil die Gefahr vorüber ist. Ich vertraue meinem Körper wieder) und dann ist es wichtig, Deine Aufmerksamkeit darauf zu lenken, was Du tust, nicht was Du fühlst oder was in Deinem Körper vorgeht. Also nicht flüchten oder ausweichen, sondern das tun, was Du vorhast (Dich bewegen, Sport treiben).

Da unser Körper aber keine Maschine ist, darfst Du Dich dabei nicht überfordern. Also nicht so tun, als sei nichts passiert, alles gleich wieder wie früher versuchen usw. Dein Körper braucht Deine Rücksicht, wo es angemessen ist.
Also, Du machst das schon richtig. Schrittweise mehr belasten, immer nur mehr machen, wenn der Schritt zuvor ohne Angst zu bewältigen ist, d.h. Geduld, Geduld und Üben,Üben. Aber auf keinen Fall davon laufen und ausweichen. Ist die Angst zu stark - ausruhen, bis es wieder geht, erneut belasten und immer mit einem Erfolg am Tag aufhören. Dann wirst Du es sicher schaffen - eventuell auch mit therapeutischer Unterstützung.

Ich wünsche Dir eine gute Einstellung und Vertrauen zu Dir und Deinem Körper, dass er es schon richten wird, wenn Du ihn forderst, aber nicht überforderst.

Herzlichen Gruß

Bernd Remelius




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