Hallo jes,
ich will auf keinen Fall in Deine individuelle Therapie eingreifen und Dich verunsichern. Deine Therapeutin kennt Dich natürlich viel besser als ich und welche Schritte für Dich gut sind, müßt Ihr miteinander festlegen.
Trotzdem, vom Prinzip, wie sich Ängste stabilisieren, ist das Nachgeben und die Toilette aufsuchen letztendlich eine Vermeidung bzw. Flucht vor der Angst vor negativer Bewertung durch die soziale Umgebung. Ich möchte Dir auch erklären, warum dies so ist. Stuhldrang ist ein natürliches und sinnvolles Gefühl, das uns signalisiert: Achtung, Darm ist voll und muß entleert werden.
Wenn der Stuhldrang - wie bei Dir - aber diese Funktion gar nicht mehr erfüllt, sondern nur noch Angst auslöst oder bereits aus einer Angst heraus als Gefühl ausgelöst wird, dann kann Dein Gehirn den Unterschied zwischen Angst (oder anderen Gefühlen) und Stuhldrang nicht mehr erkennen und löst in allen möglichen Stresssituationen Stuhldrang als Gefühl für alles aus. Du bist also nur noch am Rennen. Das Problem ist aber nicht das Stuhldranggefühl, sondern Deine Angst davor, Deine Angst, es könnte passieren und dies sei dann eine Katastrophe, nicht nur unangenehm, sondern eine Katastrophe wie ein Erdbeben, ein Vulkanausbruch, ein Zunami oder ähnliches. Dies Bewertung ist das Problem. Die muß letztendlich geändert werden und das Verhalten muß dann dazu passen. Ich habe jetzt Angst, aber keinen Grund, auf die Toilette zu gehen. Ich vertraue meinem Körper und fliehe jetzt nicht aus der Situation.
Achtung: es kann Dir niemand versprechen, dass dieses Gefühl nicht schon so heftig gesteigert gelernt ist, dass dann auch mal was in die Hose geht. Das darf nur zum Umziehen führen, nicht zum Aufgeben, sonst ist die Angst noch stabiler geworden. Ist es Dein Gefühl, das entscheidet, was Du tust - oder bist Du es selbst, der über Dich und Dein Leben entscheidet und auch bereit ist, dort wo es notwendig ist, negative Folgen zu tragen, um etwas wichtigeres zu lernen?
Auf die Toilette gehen kann durchaus ein sinnvoller Zwischenschritt sein, um z.B. überhaupt wieder raus zu gehen, einkaufen zu gehen usw.
Aber es bleibt dabei - Dein Gefühl wird Dich solange beherrschen, bis Du ihm nicht mehr die Macht über Dich und Deine Entscheidungen gibst. Dann wirst Du das Gefühl verlernen und es wird nur dort noch auftreten, wo Du wirklich schei. musst. Dies Ziel kann man durch massive Konfrontation, aber auch in kleinen Schritten erreichen. Man darf es aber nie aus den Augen verlieren und vorher stehen bleiben.
Ich wünsche Dir Erfolg dabei, wieder selbst mehr über Dein Leben zu bestimmen - und Dich nicht durch irgendeinen Drang, der seinen Sinn verloren hat, bestimmen zu lassen.
Herzliche Grüsse
Bernd Remelius
P.S. Empfehlung: Wolf,D. Ängste verstehen und überwinden sowie Merkle/Wolf, Gefühle verstehen, Probleme bewältigen - beide aus dem PAL Verlag.