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Hallo liebes Forum,

gibt es jemanden unter euch, die diese Agoraphobie im Griff hat, wenn nicht sogar überwunden hat?

Aktuell betreibe ich sehr viel Konfrontation weil ich entschieden habe, mich von diesem unnötigen Wahnsinn nicht länger einschränken zu lassen. Hierzu war ein diverser Druck von Außen nötig. Im Rahmen meiner aktuellen Ausbildung muss ich häufig zu Seminaren in den Wald. Der Wald, die Natur an sich, die Weite und die Höhe sind Dinge, die mir wahnsinnige Angst machen und Orte, die ich bis vor kurzem nur spärlich besucht habe. Aktuell suche ich diese Orte häufig auf und verbuche wahnsinnig tolle Erfolgserlebnisse. Von Mal zu Mal werde ich mutiger, mein Selbstvertrauen steigt endlich. Aber: dieses verdammte, zermürbende Gefühl namens Angst denkt nicht im Traum daran zu schrumpfen. Zumindest hindert mich diese Angst aktuell nicht mehr daran, diese Orte aufzusuchen, obwohl es natürlich noch viele Situationen die ich mir noch nicht zutraue. Die Kontinuität ist entscheidend, dann kann mehr Mut wachsen.

Mich interessieren eure Erfahrungen mit Konfrontationnen - im Speziellen bezogen auf Agoraphobie.

Liebe Grüße

12.10.2021 18:39 • 25.10.2021 #1


17 Antworten ↓


Hallo Elle,

du machst im Grunde genommen alles richtig. Du wirst die Situationen 80x aufsuchen müssen um beim 81. Mal eine Besserung zu spüren. So sagt man

Normalerweise nennt sich das Expositionstherapie mit dem Ziel der Habituation. Man geht in die gefürchtete Situation (zum Beispiel alleine in den Wald) und wartet / spürt bis die Angst weniger wird und "taataaa" - man soll merken dass die Angst irgendwann wieder verschwindet und man es überlebt hat.

Neuste Studien zielen aber auf eine neue und bessere Technik namens Extinktionstherapie ab.
Da gab es vor kurzem die weltweit größte Angststudie dazu und die schien sehr gut gelaufen zu sein. Publikationen stehen noch aus.
Aber das Konzept des Inhibitionslernens kannst du hier nachlesen:

https://panikattacken.at/expositionstec...niken.html

Oder einfach mal googeln.

Genau das mach ich gerade mit mir selber und es funktioniert recht gut.
Auch wenn es schneller gehen könnte aber das wird dann hoffentlich noch besser wenn meine Therapie anfängt.

A


Wird diese Agoraphobie jemals verschwinden? Aktueller Kampf

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Hallo Elle,

ich habe durch meinen Therapeuten nicht mit der Konfrontation begonnen, da er der Meinung ist, dass das lediglich bei 25% aller Betroffenen wirklich die Angst verringert oder tatsächlich komplett entfernt.

Ich hatte ebenfalls das Problem, dass ich nicht alleine in den Wald bei uns gehen konnte, also bin ich jeden Tag einfach so weit gegangen, wie ich mich wohl gefühlt habe. Sobald Angst aufkam, habe ich einfach wieder umgedreht, anstatt das volle Ausmaß der Panik abzuwarten und Auszuhalten.
Das habe ich auch in allen anderen Bereichen wie Einkaufen, Autofahren usw. gemacht.
Es hat zwar recht lange gedauert, aber mit jedem Mal ging mehr.
Aktuell geht das alles wieder problemlos.

Eine wirkliche Konfrontation hatte ich nur einmal bewusst gehabt, als ich mit der U-Bahn alleine zur Arbeit gefahren bin und bei Hin- und Rückfahrt bewusst die volle Ladung Panik ausgehalten habe.
Die Erkenntnis war zwar, dass ich eine Panikattacke überlebe und nicht Ohnmächtig werde, die Angst selbst verschwand aber nicht.

Vielmehr lernte ich dadurch, dass ich starke Erwartungsängste an bestimmte Situationen habe und wenn ich mit der Erwartung rein gehe, oh mein Gott das wird sicherlich total schrecklich, was passiert?
Es wird schrecklich. Quasi eine selbsterfüllende Prophezeiung.

Durch Meditation habe ich für mich gelernt, dass ich meine Panik weder als meinen Herr und Meister ansehe, der mir sagt was ich kann und was nicht, noch dass ich sie als Feind ansehe und gegen sie Kämpfe.
Ich habe sie als mein Begleiter akzeptiert, der immer bei mir ist.
Wenn ich also in eine neue Situation gehe, gehe ich mit positiven Gedanken und Gefühlen ran, dass ich das schaffe.
Und falls doch negative Gedanken, Emotionen und Panik aufkommt, dann denke ich mir immer
Panik mein alter Freund, schön dass du auch hier bist. Komm, setz dich auf meine Schulter und wir gehen das gemeinsam an.
Danach bleibe ich bewusst bei dem Gefühl, dass in mir ist, sei es Unruhe, Anspannung oder Herzklopfen, bis es wieder weg ist.

Das hat für mich aber erst funktioniert, nachdem ich alle anderen Angstsituationen wie Einkaufen, Autofahren oder in den Wald gehen, angstfrei erledigt hatte und jetzt nur noch mit meinen Erwartungsängsten ringe.

Hi @elle

Ich habe keine Agoraphobie im eigentlichen Sinne, sondern eher eine 'agoraphobische Komponente', die zudem sehr eng (und vorwiegend) an meine Sozialängste gekoppelt ist.

Somit habe ich bspw. eigentlich kaum Probleme in Wäldern oder anderen Orten, die vergleichsweise wenig von Menschen frequentiert werden und/oder einen 'gefühlt' ausreichenden Sichtschutz ('Deckung') bieten.

Wirklich ins Schwimmen komme ich vor allem auf offenen Plätzen in Städten (egal, ob gerade belebt oder unbelebt), Fußgängerzonen! , Einkaufspassagen, großen Räumen, belebten Straßen und dergleichen. Und bei Tageslicht i.a.R. auch spürbar mehr als bei Dunkelheit.

Ich hab's in der Vergangenheit schon häufiger mit Exposition i.w.S. probiert und tue dies auch weiterhin für mich selbst, wenn mir danach ist. Dadurch konnte ich (subjektiv) allerdings keine wirklich spürbare Verringerung des Angstgefühls an sich feststellen, sehr wohl aber das Aushalten dieser Angst trainieren, so dass es sich eben nicht mehr so sehr wie ein 'Kampf' anfühlt, sondern häufiger eher auf das Level einer 'unangenehmen Situation' schrumpft, die sich aber vergleichsweise gut ertragen lässt. Klappt 'Tagesform'-bedingt zwar auch nicht immer und zuverlässig, aber verbessert die Gesamtsituation imo dennoch schon merklich.

Bei mir wurde es nach bestimmten Konfrontationen schlimmer, deshalb habe ich mich damit abgefunden und für mich akzeptiert, dass manche Dinge einfach nicht mehr gehen. Es kommt immer auf die Vorgeschichte, Prägungen, Kindheit usw. an, jeder Mensch ist unterschiedlich, dem einen helfen sie, dem anderen nicht. Ich habe gelernt, die Angst anzunehmen und nach ein paar Jahren wurde es besser und jetzt ist es gut. Ich habe damals gemerkt, dass der Kampf dagegen nur noch mehr Leid erzeugte und mich nicht weiter brachte. Erst das Annehmen, was man auch lernen kann, hat mich weiter gebracht.

@-IchBins-
Welche Dinge gehen bei dir denn "einfach nicht mehr"?

Ich denke, verschwinden für immer, wird eine Angsterkrankung nie. Aber mit der Zeit entwickelt man so seine Umgangsmethoden. Man besser, man schlechter.

Man akzeptiert alles mehr, manches funktioniert, manches eben nicht, und Veränderungen finden auch statt. Wichtig bleibt, dass man so viel wie geht tut und die Einschänkungen soweit im Rahmen hält.

Man vergisst immer so schnell, dass das eine Erkrankung ist und alle Erkrankungen einen gewissen Umgang brauchen, den man eben zu beachten hat.

Wir alle wollen verständlicherweise keine Ängste mehr empfinden, aber aus bestimmten Gründen fühlen wir uns bedrohter als manch andere. Und man kann nur gelassener werden, wenn man 1. Bedrohungen überhaupt erkennt und 2. Mechanismen entwickelt um damit umzugehen.

Hier liegt unsere wesentliche Aufgabe und nicht verzweifelt darüber zu sein, dass wir eben bissle anders wahrnehmen als andere.

Zitat von EddardStark:
@-IchBins- Welche Dinge gehen bei dir denn einfach nicht mehr?

in öffentlichen Verkehrsmittel längere Strecken fahren (bestenfalls gar nicht), in engen Räumen aufhalten z. B. kleine Wartezimmer in Arztpraxen (ich geh dann halt raus), wenn ich irgendwo hin muss und keine Toilette in der Nähe ist, Fliegen, lange Spazierengehen allein, Fahrtstuhl fahren, lange Sitzen, lange Stehen, Gesprächs-Kontakt mit fremden Menschen, egal ob am Telefon oder persönlich über einen bestimmten Zeitraum. Menschenmengen oder da, wo viele Menschen sind, war ja jetzt eine Weile nicht möglich und das hat mir sehr gut getan. Bin immer entspannt, wenn ich morgens mal los muss und kaum jemand auf der Straße oder den Wegen ist.

Aber es ist auch garnicht mehr dein Ziel das alles zu können?

Zitat von EddardStark:
Aber es ist auch garnicht mehr dein Ziel das alles zu können?

Ich leide schon über 20 Jahren (diagnostiziert) an meiner Angsterkrankung und ich habe mich nun damit abgefunden, dass diese Dinge nicht mehr funktionieren.

Ich muss kein Ziel haben, denn der Weg ist das Ziel.
Wenn du meine anderen Beiträge gelesen hättest, wüsstest du mehr darüber.

Außerdem kann man das nicht verallgemeinern. Es kommt immer darauf an, wer was wie erlebt hat, die Prägungen, Kindheit usw. Zudem kommen körperliche Einschränkungen hinzu usw. das sollte nicht vergessen werden und die Kraft, die man dafür benötigt, muss man erst einmal haben und irgendwann darf es auch mal gut sein, nach all den Jahren der Konfrontationen. Ich bin auch nicht mehr die Jüngste und somit bin ich für mich genau auf dem richtigen Weg.

@EddardStark Hey, vielen lieben Dank! Diese Studie finde ich sehr interessant, habe auch schon aus eigener erfahrung festgestellt dass die Angst sich bei Versagen in der s.g. Expositionstherapie/Verhaltenstherapie arg verfestigen kann.... Genau...ich muss es tausend mal machen..

Leider hatte ich am montag einen richtigen Rückfall... War gerade auf dem Weg zu einem Menschen, der mir sehr wichtig ist.. hatte mich sehr auf dieses Treffen gefreut und dann - ZACK! Panik auf der Autobahn.....bind ann runter gefahren um über Land weiterzufahren....keien Chance. War noch schlimmer als Autobahn....Treffen abgesagt, die Person (zurecht) überfordert....und ich fühlte mich 3 Tage wie eine Vollversagerin.

Diese Kacke geht mir wirklich ziemlich auf die Nerven. Ich werde dran bleiben und üben bis es mir hochkommt. Und zwar die Strecke von Montag werde ich am Wochenende üben....dass sich ja nix verfestigt.

@sw00sh wow, sehr inspirierend was du da schreibst. Bei mir ist wohl der Hass aktuell zu groß um die Panik als alten Freund zu betrachten. In meiner ersten Therapie wurde mir nahe gelegt, wenn die Panik aufkommt, sie einfach so über mich ergehen zu lassen. Hat sogar mal geklappt aber das will mir aktuell nicht mehr so gelingen, zumal die Ängste bzw. die Panik tatsächlich nur in angstauslösenden Situationen (Höhe, Weite, Tiefe) herausplatzen....

@-IchBins- finde es toll, dass du auf deine Art und Weise damit umgehst und du klingst auch sehr versöhnt mit dir selbst. Ich denke, das ist der Schlüssel bei all den Psycho-Dramen. Sich selbst nicht dafür zu verachten. Mir fällt das noch sehr sehr schwer, ich messe mich an gesunden voll funktionierenden Personen, zu denen ich mich meistens selbst zähle, aber wenn mich diese Kack Angst dann einschränkt fühle ich mich dermaßen klein...

Leute, danke für eure Beiträge. Tut so gut, zu wissen, dass es noch Andere mit ähnlichen Problemen gibt, die damit umgehen können. Hut ab

@elle
Versöhnung mit mir selbst, das ist ein schöner Ausdruck, Danke!
So kann man es tatsächlich sagen. Es gibt immer einen Weg, manchmal dauert es halt, bis man ihn gefunden hat. Dazu muss man mehrere Abzweigungen einschlagen, aber auch das ist völlig in Ordnung, denn nur so lernt man und jeder Stein auf einem der Wege ist eine neue Herausforderung. Manchmal muss man ihn umgehen, manchmal einfach weg kicken oder in der Hand halten und ihn an eine andere Stelle legen...die Entscheidung liegt bei dir niemand hat das Recht dir zu sagen, wie du dein Leben leben willst oder zu leben hast...

@elle Erzähl mal mehr über den "schlechten Tag".

Auf der Landstraße wurde es schlimmer?
Was waren die Symptome? Was hast du gemacht? Wann wurde es besser und wie lange hat es gedauert und warum wurde es besser? Weil dein Körper nicht mehr kommt oder du dich wieder sicher gefühlt hast?

@EddardStark Ja, meine Agoraphobie platzt insbesondere dann heraus, wenn ich weiß (oder auch nur das Gefühl habe), hoch zu sein. Hoch im Sinne von Höhenmetern... also Landschaftlich hoch gelegen, das macht mir Angst, insbesondere, wenn ich im selben Moment auch noch Aussicht habe (Weite ist hier auch sehr triggernd... weite Felder bspw waren dort zu sehen). Auf der Autobahn hätte ich es sogar besser schaffen können, da die Aussicht dort nicht so intensiv ist wie auf der Landstraße, was ich vorher aber nicht abschätzen konnte. Ich bin diese Strecke auf der Autobahn ja schon gefahren, das heißt, ich hab sie gemeistert und hätte einfach darauf vertrauen sollen, diese nochmals zu meistern, wenn auch mit Angst. Naja Situation is vorbei, is gelaufen jetzt.

Was ich gemacht habe...ohman. liest sich wahrscheinlich wie ein schlechter Scherz jetzt. Ich bin also gefahren....bis ich gemerkt habe, oh mist, jetzt wirds aber übel mit der Aussicht, egal, ich muss das schaffen...fahre und fahre und bekomme Panik und wende mitten auf der Straße. Total gefährlich, ich weiß aber war niemand hinter mir oder vor mir. Drehe also um, bis ich bei Häusern bin (sicherer Ort für mich) und halte an. Rufe eine Freundin an, heule ihr die Ohren voll blablabla. Entschließe mich es nochmal zu versuchen, drehe wieder und fahre die schwierige Strecke.... ich komme ein gutes Stück weiter, leider wird es schlimmer, es geht höher, Aussicht wird schlimmer, ich drehe wieder mitten auf der Straße um, diesmal überall Autos die denken ich bin total verrückt .... mir egal in solchen Situationen, drehe also um und fahre zurück zu den Häusern. Fertig mit den nerven. Rufe die Person an....kann nicht kommen... fühle mich wie ein Vollversager.

Es wird also besser, wenn ich die angstauslösende Situation verlasse und eine für mich sichere Situation aufsuche (Häuser). Habe also vermieden. Kacke.

@elle
Ich finde, du hast das richtig gut gemacht. Irgendwann klappt es. Das einzige, was du dir in einem derartigen Moment noch lernen kannst ist, dich nicht dafür verurteilen und auch nicht ärgern. Das bringt meist nicht weiter. Besser wieder und wieder versuchen, wenn du dich bereit dafür fühlst. Du hast doch gar nichts vermieden. Vermeiden heißt, es gar nicht erst zu versuchen. Aber das hast du doch, alles richtig gemacht...
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@elle
Ich finde nicht, dass du vermieden hast. Im Gegenteil, du hast dich ins Auto gesetzt, es versucht so weit wie es ging und hast aufgehört, als es zu viel wurde.
Das ist vollkommen in Ordnung.
Und beim zweiten Mal bist du sogar noch weiter gekommen, das ist doch ein Erfolg!

Vermeidungsverhalten wäre, wenn du dich gar nicht erst ins Auto gesetzt und sofort nach einem Vorwand gesucht hättest, dort nicht hinzufahren.

Ich glaube aber, du willst aktuell zu viel und bist dann enttäuscht, wenn es nicht klappt.
Mach kleine Schritte. Setzt dich ins Auto und fahre eine Strecke, von der du weisst, dass diese deine Panik triggert und fahre so weit es geht. Und wenn es dir reicht, drehst du einfach wieder um.
Und das machst du sooft die kannst, am besten jeden Tag.
Du hast selbst gesehen, dass es bei dir funktioniert, weil du bereits beim zweiten Mal direkt danach schon weiter gekommen bist.

So habe ich alle meine Angstsituationen wie alleine Einkaufrn, Autofahren, im Wald spazieren gehen usw. besiegt. Es braucht Zeit, aber ich fand diese Herangehensweise wesentlich besser, als das sture Aushalten der Panik.
Zumal ich danach physisch und psychisch echt fertig bin.
Und diese kleinen Erfolge tun einfach unfassbar gut, wenn man jedes Mal ein Stückchen mehr geschafft hat

A


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Dr. Christina Wiesemann
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