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Hallo zusammen,

ich habe vor einiger Zeit über meine Erfolge mit Hypnose gesprochen. Nachwievor ist keine einzige Panikattacke mehr aufgetreten und ich habe diese berühmte Angstblockade nicht mehr, d.h. ich kann mich durchaus angstbehafteten Situationen aussetzen, um dann gute Erfahrungen zu machen. Und genau das habe ich die letzten Tage und Wochen versucht. Jedoch mit mäßigem Erfolg. Nach einer entsprechenden Situation war ich immer total erschöpft - währendessen spürte ich eine starke, innerliche Anspannung und andauernden dissoziativen Gefühlen, die eben nicht in Panik ausufern, sondern auf einem konstanten Level bleiben. Hinzu kommen erschwerend seitdem Tinnitus auf beiden Ohren (stört vorallem beim Einschlafen) und Mißempfindungen im Magen/Darm-Bereich (Reizdarm-Beschreibung passt – hatte damit damals auch schon mal Probleme). Wenn es dann ganz arg ist, bin ich auch noch sehr lichtempfindlich und ein echtes Elendsgefühl stellt sich ein.
Mein Hypnosetherapeut meinte, das sei ganz normal und würde mit der Zeit weggehen. Ich merke aber, wie sich durch diese Empfindungen eine Angst vor solchen Situationen aufbaut.
Was nun? Ich habe bereits eine 2 jährige Gesprächstherapie hinter mir, hab mal 1 Jahr lang Opripramol genommen – und eben vor kurzem die Hypnose. Kennt jemand solche Episoden? Wieder zum Arzt? Therapeuten wechseln? Oder akzeptieren und durch – in der Hoffnung, dass es besser wird?

13.09.2009 21:48 • 18.09.2009 #1


Zitat von Fury80:
Oder akzeptieren und durch – in der Hoffnung, dass es besser wird?
Wenn Akzeptieren wirklich wohlmeinendes Akzeptieren ist und nicht einfach in todesverachtende Selbstquälerei ausartet, dann könnte das ein Weg sein...

Aber: Therapie ist nicht nur Konfrontation und Umkonditionierung allein. Wenn Deine Symptome bzw. die frühere Vermeidung aufgrund der Symptome für Dich irgendeinen Nutzen hatte, werden voraussichtlich so lange Symptome wieder kommen oder schlimmer werden, wie Du diesen Nutzen nicht auf gesundem Wege erreichen kannst. Aus meinen Erfahrungen heraus kann ich Dir nur empfehlen, die Funktion/den Nutzen der Erkrankung herauszufinden. Andernfalls droht m.E. eine Verschiebung der Symptome auf diese körperliche Ebene oder über kurz oder lang ein erneutes Auftreten der Angst.

Liebe Grüße
Christina

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Wie geht es weiter?

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Hallo,

Zitat von Christina:
Zitat von Fury80:
Oder akzeptieren und durch – in der Hoffnung, dass es besser wird?
Wenn Akzeptieren wirklich wohlmeinendes Akzeptieren ist und nicht einfach in todesverachtende Selbstquälerei ausartet, dann könnte das ein Weg sein...


todesverachtend würde ich nicht sagen. Aber eine gute Portion Selbstquälerei, umgangssprachlich vielleicht „innerer Schweinehund überwinden“, ist schon dabei. Wenn ich z.B. wie heute morgen mich überwinde, ein paar Kilometer aufs Land zum Frühstücken zu fahren, dann weiß ich vorher, dass der Rückweg anstrengend wird, weil mir das Frühstück nicht bekommt. Akzeptieren würde dann bedeuten, dass ich immer und immer wieder mich diesem unangenehmen Gefühl aussetze – in der Hoffnung, dass es irgendwann vergeht.

Zitat von Christina:
Zitat von Fury80:
[Wenn Deine Symptome bzw. die frühere Vermeidung aufgrund der Symptome für Dich irgendeinen Nutzen hatte, werden voraussichtlich so lange Symptome wieder kommen oder schlimmer werden, wie Du diesen Nutzen nicht auf gesundem Wege erreichen kannst.

Ich bin bei meiner ersten Attacke unterwegs auf dem Gehweg hyperventilierend zusammengesackt. Ich hatte damals viel Stress. Die Panikattacken haben mich vor der Hypnose daran gehindert, am Leben teilzunehmen. Die Folge war unweigerlich natürlich Ruhe. Aber eben auch erhebliche Unzufriedenheit und „Käfigtiger-Syndrom“.

Zitat von Christina:
Zitat von Fury80:
Aus meinen Erfahrungen heraus kann ich Dir nur empfehlen, die Funktion/den Nutzen der Erkrankung herauszufinden. Andernfalls droht m.E. eine Verschiebung der Symptome auf diese körperliche Ebene oder über kurz oder lang ein erneutes Auftreten der Angst.

Du meinst, dass sich die Angst nun ein anderes Ventil sucht, weil die Panikattacken durch Hypnose praktisch ausgeschaltet sind? So fühlt es sich zumindest an. Das könnte passen. Aber ganz komme ich hinter den von Dir angesprochenen Sinn nicht. Denn augenscheinlich möchte mich die Angst ja davor bewahren, dass ich mich in Situationen (draußen) begebe, aus denen ich allein nicht mehr herauskomme (Angst, z.B. mit Magenschmerzen oder Kreislaufproblemen irgendwo liegenzubleiben).

Ich kann nur von mir sprechen und möchte nicht als Therapeut auftreten bzw. fungieren, denn das bin ich nicht. Also meinen Kommentar als subjektive Meinung verstehen und als Denkanstoss mitnehmen.

Ich vermute Folgendes, weil es mich auch ein wenig an mich erinnert:
Der Stress, den du auf gesundem Weg nicht ausstellen konntest, hat zu PAs und Angstzuständen geführt. Es kam die Angst vor der Angst dazu, etc.
Was folgte, war die Ruhe, das Akzeptieren der Krankheit und der damit verbundenen Symptome.
Nun ist dein vegitatives Nervensystem immer noch in Alarmbereitschaft, obwohl du ihm ruhe gegönnt hast. D.h. du kannst trotz Stressabbau gewisse Situationen nicht aufsuchen.
Ziel sollte es auf der einen Seite sein, stressbeladenen Situationen, die eigentlich keinen unbedingten Stress bedeuten (z.B. schön auf dem Land früstücken) wieder als solche zu erkennen. D.h. das vegitative Nervensystem zu desensibilisieren. Allerdings (und hier kommt Christina ins Spiel) auch Situationen zu erkennen, die für dich wirklich Stress bedeuten und wo dein veg. Nervensystem anschlägt, weil dir deine Psyche, dein Körper sagen will: Das sind Muster, die uns nicht gut tuen und deshalb geht es uns schlecht! D.h. Kannst du in einer Situation sagen: Das kommt nur daher, weil ich Angst vor der Angst habe, oder weil ich in der Situation schon mal Probleme gahabt habe., dann sollte man daran arbeiten, in kleinen angemessenen Schritten. Sagst du dir aber: Die Situation ist für mich stressbesetzt, weil sie langsfristigen Stress für mich bedeutet, der mich in diese Lage gebracht hat., dann solltest du in der Situation anders als früher reagieren.
Ich hoffe mein Ansatz ist klar geworden. Wie gesagt, nur ein Denkanstoss.

Hallo Fury
auch ich leide wie viele hier an Agoraphobie. war jahrelang symptomfrei und seit ein paar Monaten nach einem Zusammenbruch ist sie wieder da die Angst vor der Angst.
Hypnose hatte ich mir auch schon überlegt. darf ich dich fragen wieviel so etwas kostet? und was passiert da genau?
wäre um eine Antwort sehr dankbar.
Liebe Grüße

Zitat von Fury80:
ich kann mich durchaus angstbehafteten Situationen aussetzen, um dann gute Erfahrungen zu machen.
Machst Du gute Erfahrungen? Deinen Schilderungen zufolge nicht. Und das liegt ganz offensichtlich nicht daran, dass Du vermeidest oder flüchtest, wenn's ernst wird.

Zitat von Fury80:
todesverachtend würde ich nicht sagen. Aber eine gute Portion Selbstquälerei, umgangssprachlich vielleicht „innerer Schweinehund überwinden“, ist schon dabei. Wenn ich z.B. wie heute morgen mich überwinde, ein paar Kilometer aufs Land zum Frühstücken zu fahren, dann weiß ich vorher, dass der Rückweg anstrengend wird, weil mir das Frühstück nicht bekommt. Akzeptieren würde dann bedeuten, dass ich immer und immer wieder mich diesem unangenehmen Gefühl aussetze – in der Hoffnung, dass es irgendwann vergeht.
Du quälst Dich raus, um etwas zu machen, das Dir voraussichtlich nicht bekommen wird, damit Du Dich zurück noch mehr quälst... Da kann man sich auch verprügeln lassen und hoffen, daran irgendwann Gefallen zu finden. Das funktioniert nicht. Und auch nach der Lerntheorie, die diesem Ansatz ja zugrunde liegt, würde es nur dann funktionieren, wenn Du währenddessen die Erfahrung machen würdest, dass die unangenehmen Gefühle nachlassen bzw. besser noch guten Gefühlen Platz machen. Welchen Grund sollte es denn geben, dass Du eine Aktivität, die Du von Anfang bis Ende mehr oder weniger unangenehm erlebst und die Dich sogar im Nachhinein schlaucht, beim elften Mal plötzlich gut findest, nachdem Du sie zehnmal unter Selbstüberwindung durchgezogen hast?

Zitat von Fury80:
Du meinst, dass sich die Angst nun ein anderes Ventil sucht, weil die Panikattacken durch Hypnose praktisch ausgeschaltet sind?
Eher dass Du unbewusst andere Gründe suchst, nicht mehr raus zu können, nachdem die Panik ausgeschaltet wurde.

Zitat von Fury80:
Ich bin bei meiner ersten Attacke unterwegs auf dem Gehweg hyperventilierend zusammengesackt. Ich hatte damals viel Stress. Die Panikattacken haben mich vor der Hypnose daran gehindert, am Leben teilzunehmen. Die Folge war unweigerlich natürlich Ruhe. Aber eben auch erhebliche Unzufriedenheit und „Käfigtiger-Syndrom“.
Alles hat seinen Preis. Wenn Dir ein Symptom Ruhe verschafft, heißt das nicht, dass Dein Verstand damit einverstanden ist. Falls Du dazu neigst, mit wenig Selbstfürsorge quasi ohne Rücksicht auf Verluste zu funktionieren, könnte es sein, dass Dich Deine Psyche dann eben ganz aus dem Verkehr zieht. Deswegen: Schau, ob und wo Deine Bedürfnisse zu kurz kommen, wenn Du wieder am Leben teilnehmen kannst. Ist die Teilnahme (auch) mit Genuss verbunden? Oder geht es primär - jetzt, (fast) ohne Symptome - um Leistungen? Oder noch schlimmer: Musst Du jetzt Versäumtes aufholen, evtl. sogar den Makel der psychischen Störung wettmachen?

Liebe Grüße
Christina

OK – ich verstehe Deine Ausführungen. Ich bin vermutlich teilweise zu ungeduldig oder schaue nicht genau hin. Denn es gibt Tage, an denen ich denke, alles richtig zu machen (inkl. der Tage zuvor) – und doch lassen die Angst und die Symptome nicht nach. Dann gibt es wieder Tage, wo ich den ganzen Tag unterwegs bin und alles in Ordnung ist. Es ist so ein undifferenzierbares hin-/her. Ich werde es aber weiter beobachten.

Zitat von Christina:
Oder geht es primär - jetzt, (fast) ohne Symptome - um Leistungen? Oder noch schlimmer: Musst Du jetzt Versäumtes aufholen, evtl. sogar den Makel der psychischen Störung wettmachen?


Diese beiden Sätze lese ich erst jetzt bewusst… ja, darum geht es. Ich versuche, den Makel wettzumachen. Ich gehe Montag wieder zur Uni, wo ich mein Studium seit 6(!) Semestern nicht angegangen bin. Ehrgeiz und Wunsch nach einem normalen Lebenslauf. Auch wenn mir dieser Abschluß faktisch nicht viel bringen wird, da ich ohnehin selbstständig bin und damit auch recht gut Fuß gefasst habe. Irgendwie möchte ich den Abschluß - Exmatrikulation kommt nicht in Frage.

Und… die Teilnahme am Leben ist auch nicht nur Genuß. Oh man… wird mir grad richtig bewusst. Ich versuche auch hier die „Alles so, als sei nie etwas gewesen“-Nummer zu fahren.

Aber… genau das habe ich ja in der Hypnosetherapie eingeimpft bekommen. Alles vergessen und so tun, als sei nichts gewesen.

Zitat von Fury80:
Ich versuche, den Makel wettzumachen. Ich gehe Montag wieder zur Uni, wo ich mein Studium seit 6(!) Semestern nicht angegangen bin. Ehrgeiz und Wunsch nach einem normalen Lebenslauf. Auch wenn mir dieser Abschluß faktisch nicht viel bringen wird, da ich ohnehin selbstständig bin und damit auch recht gut Fuß gefasst habe. Irgendwie möchte ich den Abschluß - Exmatrikulation kommt nicht in Frage.
Schön blöd! Ich erlaube mir, das so zu schreiben, weil ich - nach Überwindung meiner agoraphobischen Ängste - unter konsequenter Selbstverleugnung ganze sieben Jahre an diesen (falschen) Ehrgeiz gehängt habe. Ich habe viel erreicht in der Lebenslaufkosmetik, im Wettmachen des Makels etc. Nur psychisch bin ich auf der Strecke geblieben, genussvoll war in diesen sieben Jahren nichts. Wenn mich dann nicht ein schlimmer Rückfall ereilt hätte, wäre ich wohl immer noch dabei...

Zitat von Fury80:
Und… die Teilnahme am Leben ist auch nicht nur Genuß. Oh man… wird mir grad richtig bewusst. Ich versuche auch hier die „Alles so, als sei nie etwas gewesen“-Nummer zu fahren.
Nur Genuss wäre wohl auch zu viel verlangt. Aber so ganz grundsätzlich sollte man sich auf lange Sicht nicht zur Normalität zwingen müssen, sondern freiwillig und gerne am Leben teilnehmen.

Zitat von Fury80:
Aber… genau das habe ich ja in der Hypnosetherapie eingeimpft bekommen. Alles vergessen und so tun, als sei nichts gewesen.
Was die Symptome angeht, ist das nicht nur okay, sondern sogar toll. Wenn Du wieder so rausgehen kannst wie vor der Angststörung - unbefangen, ohne den Gedanken, was, wenn ich jetzt Angst bekomme etc. - großartig! Schwierig wird's nur, wenn Du ignorierst, dass irgendwas in Deinem Leben zur Entwicklung einer Angststörung geführt hat. Wenn Du also nicht daraus gelernt hast, besser mit Dir umzugehen oder belastende Umstände zu erkennen und ggf. zu ändern. Eigentlich hast Du jetzt beste Voraussetzungen, das nachzuholen. Die Symptome, die Du zur Zeit hast oder entwickelst, können Dir als Signalgeber dienen, ohne so schlimm zu sein, dass sie Dich einsperren. Evtl. könnten auch ein paar therapeutische Gespräche Klarheit schaffen, was Du weshalb machen willst, ob Du das wirklich willst und was Dir gut tut.

Liebe Grüße und alles Gute
Christina




Dr. Hans Morschitzky
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