Bis vor zweieinhalb Jahren war ich ein gut gelaunter, stets positiver und durch nichts aus der Ruhe zu bringender Mensch. Selbst größter beruflicher und privater Stress konnte mir bis auf gelegentliches für ein paar Minuten Dampf ablassen rein gar nichts anhaben.
Dann habe ich meinen neuen (und wie ich fand Traum-)Job angetreten und ohne es zu bemerken wurde mein Lachen weniger, der Frust kam häufiger, ich verlor den Spaß an sozialem Leben und Sport, nahm an Gewicht zu und hatte bereits nach einem dreiviertel Jahr die erste Panikattacke, eineinhalb Jahre später bin ich quasi arbeitsunfähig mit Panik- und Angststörung sowie schweren körperlichen Beschwerden.
Das Verrückte daran, auf den Job als Ursache bin ich ewig nicht gekommen.
Warum auch, meine Arbeit (Vertrieb von Luxusfahrzeugen) war spannend, niemals langweilig oder eintönig, ich selbst den Zahlen zufolge sehr erfolgreich. Die Kunden liebten mich, mit den Kollegen hatte ich immer Spaß und was die Führung anging, schien mir diese zwar manchmal etwas unorganisiert, bis auf wenige Ausnahmen aber freundlich und mitarbeiterorientiert, da kannte ich weit schlimmeres. Für diesen Laden habe ich mich gerne eingebracht, bei Bedarf auch weit über dem Regulären.
Erst als es mir richtig schlecht ging, wurde ich aufmerksam, bzw. ging auf die Suche nach Gründen dafür.
Plötzlich sah ich, meine Arbeit war nicht entspannt und befriedigend, sondern dauerhaft hochstressig, denn immer stand ein möglicher Abschluss im Raum, Kunden wollten zu jeder Zeit betreut werden, ich war in Gedanken eigentlich rund um die Uhr bei der Arbeit, sieben Tage die Woche. Spontanes Homeoffice im Feierabend, Urlaub, Wochenende oder Krankenstand war ganz normal geworden, das Private musste warten.
Auch beim Provisionsgehalt stand ich nahezu durchgehend unter großem Erfolgsdruck und musste mir eingestehen, dass es nicht so viel war, wie eigentlich erwartet, mehr noch, es war weniger als in meinen Jobs zuvor. Schon lange reagierte ich auf Abschlüsse nicht mehr mit Stolz und Freude, sondern nur noch mit Erleichterung.
Der Spaß mit den Kollegen war nicht selten frustriertes Lästern und viel Sarkasmus angesichts ewig gleicher Probleme und ständiger Überlastung. Nicht nur ich schob bis zu 500 Überstunden im Jahr und allerorts wurde es von der Geschäftsleitung als Selbstverständlichkeit betrachtet, gar noch mehr gefordert.
Und was besagte Geschäftsleitung anging, war man zwar im direkten Kontakt stets freundlich und fast kumpelhaft, hintenrum aber äußerst intrigant und verlogen. Je mehr ich nachdachte, desto mehr erkannte ich, wie sehr ich mich hatte blenden lassen von zwei ausgewachsenen Narzissten. So vieles hatte ich bereitwillig übersehen oder verdrängt, weil es das bisherige Bild der beiden gar nicht zuließ.
Lügen, Manipulationen, geschickt geklaute Provisionen, unzählige Probleme mit Kunden aufgrund Ignoranz und gezielten Falschaussagen, eine Flut an unnötigem Ärger und gefährdeten Vorgängen durch tagelanges Ausbleiben jeglicher Entscheidung oder Information, wiederholtes opfern meiner Person zum verschleiern eigenen Fehler, etc.
Ganz unbemerkt bin ich innerlich ausgebrannt durch Stress, Demütigung, Frust und ewigem Leistungsdruck.
Warum ich das hier schreibe? Weil es mir zwar gelungen ist, die Realität zu enttarnen ich aber bis heute nicht verstehe, wie ich all das so lange nicht nur übersehen, sondern schlicht vollständig ignorieren konnte. Vielleicht hilft es ja manch Einem bei der Suche nach den eigenen Ursachen.
EDIT: Vor drei Tagen habe ich gekündigt und obwohl ich in eine unbekannte Zukunft blicke, ist eine gefühlte riesige Last von mir abgefallen.
06.08.2019 08:21 • • 06.08.2019 x 4 #1