Hi Rocker3,
meiner Meinung nach ist das ganz klar ein gutes Zeichen
Ich habe dieselbe Erfahrung gemacht. Es war manchmal so, als ob die Angst versucht hat mich von dem neuen Weg auf die alte Strasse zurückzuziehen. In der Tat: Die Angst wehrt sich, aber irgendwann geht ihr die Puste aus
Wichtig und schwierig ist auch die „Entscheidung für einen neuen Weg.“
Aus alten Mustern und Verhaltensweisen ausbrechen, einen neuen Weg
ins Dickicht schlagen, ab ins Ungewisse. Den Dschungel stutzen, die
Lianen abschlagen und versuchen, einen Weg der Angstfreiheit zu
erreichen. Auf dem alten Pfad, mit den alten Denkmustern geht das nicht,
das habe ich nun 20 Jahre lang erfahren. Es geht nur über einen neuen
Weg. Ich trage die volle Verantwortung für mein jetziges Leben! Die
Vergangenheit ist vorbei. Sicherlich habe ich einen schweren Rucksack
mitbekommen, aber es liegt nun an mir, wie ich der Last begegne. Ich
bin selbst verantwortlich, ich möchte niemandem mehr die Schuld für die
Phobie und die Depressionen geben. Ich nehme die Bürde jetzt an.
Radikale Akzeptanz. Ich versuche, Last loszuwerden und verbleibenden
Ballast zu akzeptieren. Das Leben ist so wie es ist. Es ist unumgänglich,
sein eigenes Leben in die Hand zu nehmen. Und gleichzeitig bedeutet
das, achtsam mit sich umzugehen. Man kann eine Verhaltensänderung
nicht allein mit dem Willen herbeiführen. Mit dem Kopf durch die Wand
funktioniert nicht. Ist man völlig k.o., hat man kaum noch Energie, dann
sollte man sich tunlichst nicht zwingen, wieder in eine angstauslösende
Situation hineinzugehen. Das geht schief, man leidet und braucht wieder
eine Weile um aufzustehen. Rücksichtsvolles Umgehen mit sich selbst,
das ist wichtig.
Wieder und wieder vollzog ich Expositionsübungen. Einkaufen, zum
Sport gehen, mich mit Mitpatienten unterhalten. Ich machte kleine
Fortschritte, begann mir etwas mehr zuzutrauen. „Ohne Druck bin ich in
der Situation. Ich akzeptiere meine derzeitigen Grenzen. Ich beobachte
achtsam die Umgebung und bleibe in der Realität. Wenn ich angespannt
bin nehme ich es wahr, ohne Bewertung. Die Situation ist harmlos.“
Ich übte immer wieder von Neuem, bis es mir zu den Ohren heraushing.
Ich saß mit Mitpatienten am Tisch, hielt Kurzvorträge, ging wiederholt
auf andere Menschen zu und versuchte dieses ohne Sicherheitsverhalten.
Zudem achtete ich darauf, dass ich einen neuen Weg einschlug. Alte
Gedankenmuster zerstören und auflösen, durch neue
positive Muster ersetzen.
...
......
Ich versuchte, alte, tiefgründige Grundannahmen wie z.B. „Ich bin
anders als Andere. Ich bin nicht liebenswert“ oder „Ich kann das nicht.
Ich bin nicht fähig.“, „Ich muss mehr tun als Andere um liebenswert zu
sein.“ durch positive Muster zu ersetzen. Dafür schrieb ich mir eigene
Eigenschaften auf, die ich als positiv erachte, und las sie mir wieder und
wieder vor.
Eine Angststörung wird durch Selbstwertarbeit gemildert, ohne diese
Arbeit wird es schwierig.
Ich hielt mir jeden Tag mehrfach meine Stärken vor Augen. Ich stellte
mir vor, dass mein „innerer Kritiker“ einen Nichtangriffspakt mit
meinem „Befürworter“ schließt. Wann immer der Kritiker sich mit alt
bekannten Leitsätzen meldete: „Du wirst abgelehnt.“, „Du musst viel
leisten um akzeptiert zu werden.“ sagte ich: „Stop!“. Ich tauschte diese
Muster durch positive Sätze und positives Feedback aus. Du bist
wertvoll. Du hast es nicht nötig, Angst zu haben. Du kannst viel und bist
viel. Du bist ok, wie Du bist. Ich merkte manchmal wie sich ein wohliges
Gefühl in der Magengegend ausbreitete. Ich bin ok, ohne Leistung,
einfach nur durch eigenes Sein. Auch Shame-Attacks führte ich durch:
Fremden Menschen ein Kompliment machen, im Foyer einem
Mitpatienten laut etwas zurufen.
...
.....
So - na Angst, wie gefällt Dir das? Damit hast Du nicht gerechnet was?
Operation „neuer Mensch“. Destruktives durch Konstruktives ersetzen.
„Nimm mir das nicht übel, Angst. Ich weiß, dass Du ein Teil von mir
bist, und das ist ok. Aber ich möchte selber entscheiden, welche Situation
gefährlich ist und welche nicht. Diese, meine Entscheidung wirst Du als
ein Teil von mir akzeptieren müssen. Und eines, liebe Angst, möchte ich
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Dir noch sagen: Du hast eine wertvolle Funktion, Du willst mich behüten
und beschützen, dafür danke ich Dir. Aber ich sage Dir auch: Die
Tatsache, dass Du mich sehr oft in Situationen besuchst, bedeutet noch
lange nicht, dass eine Situation wirklich gefährlich ist. Du bist also öfter
da als notwendig. Du wirst wohl oder übel akzeptieren müssen auch
einige Male ausgeladen oder aber nicht hineingelassen zu werden - und
dazu stehe ich jetzt!“
...
......
Oft war ich nachmittags so kaputt, dass ich mich nur noch ins Bett legen
konnte. Arbeit an der Angst und an sich selbst ist furchtbar anstrengend.
Besserung kommt nur langsam und nicht linienförmig sondern eher als
eine auf- und absteigende Kurve. Es reicht nicht, diese Arbeit nur
theoretisch, ausschließlich im Kopf, durch eigenes Denken
durchzuführen. Es ist wichtig, Übungen aufzuschreiben und sich regelmäßig
und oft schriftlich mit ihnen zu beschäftigen. Und diese
Situationen gilt es selbstverständlich auch in der realen Welt zu erleben.
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Und ganz langsam, tröpfchenweise, merkte ich, wie sich soziale
Situationen veränderten. Als ob ein Eisblock schmilzt, als ob die Sonne
einen schneebedeckten Hang bescheint.
Manchmal merkte ich in einem Gespräch für einige Minuten, dass ich
sicherer wurde, manchmal auch für eine ganze Stunde. Danach schneite
und fror es wieder, aber das Licht bewegte sich der Dunkelheit unaufhörlich
entgegen. Wärme ersetzte Kälte. Ein leichter und warmer Wind
wehte über das Eisfeld, langsam, ganz langsam und bedächtig. Ein leiser,
filigraner Klang schwebte zu mir herüber.
Ich arbeitete weiter. Jeden Tag schrieb ich auf, was gut geklappt hatte.
Ein Lob von sich selbst oder ein positives Feedback kann definitiv das
Selbstvertrauen stärken.
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An dieser Stelle möchte ich allen Menschen, die an einer
Angststörung (+ Depression + Suchterkrankung + Persönlichkeitsstörung)
leiden, Mut zusprechen. Die lange Nacht kann aufhören. Ihr selber
könnt, mit etwas Hilfe, Euren individuellen Schlüssel finden. Es lohnt
sich niemals aufzugeben. Der Weg kann manchmal steil und hart sein,
aber wenn Ihr am Ziel seid, dann habt Ihr gigantischen Mut bewiesen. Ihr
habt die Pyramiden gebaut und wart als erster Mensch auf dem Mond.
Ihr habt die Wüste Gobi durchschritten und den Pazifik durchschwommen.
Das Penicillin habt Ihr erfunden und den ersten Mikrochip.
Und der Pest habt ihr getrotzt. Real Madrid habt Ihr ganz alleine im
Finale der Champions League 5:1 an die Wand gespielt. Dreht Euch nun
um und schaut auf das, was Ihr durchstanden und erreicht hat. Schaut
genau hin und seid stolz! Seid stolz auf Euch selbst! Es fühlt sich
fantastisch an! (ist aus meinem Buch )
25.02.2015 18:06 •
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