THEMA VORSORGE WIE OFT SOLL ICH MICH BEIM ARZT UNTERSUCHEN LASSEN?(VIEL HILFT VIEL?)Aufgrund eines sehr guten Austauschs mit @Angstmaschine im folgenden, verlinkten Faden, möchte ich das
wichtige Thema auch hier nochmal aufgreifen:
angst-vor-krankheiten-f65/hypochonder-bewahrheitete-aengste-t120881-10.html#p2958580Wir Hypochonder kennen es alle. Symptome treten auf = Ängste kommen hoch = der Griff zum Telefon samt Arzttermin juckt in den Fingern.
Aber ist es ratsam, immer und immer wieder zu Ärzten zu laufen, sich durchchecken zu lassen und oft auch einfach so ohne Symptomatik, also einfach nur vorsorglich? Wo hört vernünftige Vorsorge auf und wo fängt völlig übertriebenes, krankhaftes Arztcheck-Verhalten an?Ich teile hier mal meine Meinung dazu und meine persönlichen Erfahrungen.
Der Sinn unseres Lebens ist es, ein möglichst erfülltest, glückliches und zufriedenes Leben zu haben.Entsprechend ist es logisch, möglichst alles zu vermeiden, was dieses oberste Ziel gefährden oder gar aushebeln könnte.
Was aber ist ein möglichst erfülltes, glückliches und zufriedenes Leben für jemanden, der an einer Angststörung / psychischen Erkrankung leidet?
Ist es ein auf dem Papier perfektes Datenblatt mit Blutwerten und Arztbefunden?
Ist es ein auf dem Papier perfekter Kontostand mit vielleicht sogar finanzieller Unabhängigkeit?
Ist es ein rein mental angstfreies und zufriedenes Leben?
Ich bin besonders in den ersten Jahren meiner Angststörung sehr oft zu Ärzten gelaufen, um mich durchchecken zu lassen. Wie bei vielen hier waren es Symptome und Ängste vor etlichen Krankheiten (Krebs, Herzerkrankung, MS usw), die mich dazu brachten, ständig Blutentnahmen oder andere Untersuchungen machen zu lassen. 2015 war das Highlight-Jahr in der Hinsicht.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich in dem Jahr so viele Blutuntersuchungen habe machen lassen, wie nie zuvor und auch nie wieder danach. Was war die Folge? In zwei der Untersuchungen wurden erhöhte Werte in einzelnen Bereichen festgestellt.
Einmal war es ein erhöhter Leberwert und ein anderes Mal ein anderer Wert, den sich meine Ärztin ebenso wie den Leberwert einige Monate davor nicht erklären konnte. Diese Ergebnisse führten bei mir zu weiteren Ängsten und dem folglichen Drang, ich müsste das möglichst schnell wieder kontrollieren lassen. Der Rattenschwanz fing an. Meine Angst hielt immer dann solange an, bis bei der nächsten BE dann der der entsprechende Wert wieder im Normbereich lag. Oft kam dann aber ein anderer Wert dazu, der mich stutzig machte und dafür reicht es irgendwann sogar, wenn er nicht ideal in der Norm war, sondern z.B. an der oberen oder unteren Grenze.
Hat es also Sinn, jeden Monat sein Blut untersuchen zu lassen?
Hat es Sinn, bei jedem Herstolperer, zum 5. Mal im Jahr zu seinem Kardiologen zu laufen, der einem schon 4x vorher bestätigt hat, dass das Herz gesund ist? Oder ist es nicht eher so, dass man durch diesen Zwang der Überkontrolle eher das Gegenteil erreicht von dem, was wir uns erhoffen, nämlich aus dem Angstteufelskreis auszubrechen. Ist es nicht eher so, dass wir mit jeder weiteren BE / Untersuchung die Wahrscheinlichkeit erhöhen, eine vorübergehende Abweichung der Norm in unserem menschlichen Körper zu erwischen? Der Körper ist nun einmal nicht zu jeder Minute mit allen Werten und Funktionen im Normbereich. Er ist nicht dauerhaft und immer perfekt.
Kann es sogar zur Sucht werden das mit den Arzt-Checks?Sich mit diesen Gedanken zu beschäftigen, halte ich für sehr wichtig und für mich war es das auch.
Ich gehe seit einiger Zeit nur noch alle zwei Jahre zum üblichen Check beim Hausarzt samt BE, EKG, Ultraschall usw. Das reicht. Ich habe auch jetzt immer mal wieder noch Symptome, aber wenn es die üblichen sind, die ich mittlerweile zur Genüge kenne, dann renne ich deswegen nicht nochmal zum Arzt, weil ich das die letzten Jahre mehr als genug getan habe. Ich habe AKZEPTIERT, dass es 100%ige Sicherheit nie gibt, aber gleichzeitig auch, dass ich mein Risiko, etwas unbemerkt zu haben, drastisch reduziert habe durch die Arztbesuche der letzten Jahre. Das reicht und es muss reichen. Mehr mache ich nicht mehr und das ist sehr sehr gut so für mich.
Ärzte sind verschieden. Es gibt gute und schlechte. Nun ist die Frage, welche Ärzte gut sind für jemanden wie uns. Sind es die, welche wissen, dass wir Angststörungen haben, uns aber trotzdem bei kleinsten Auffälligkeiten / Normabweichungen sofort an Fachärzte weiterleiten, damit diese der Sache nochmal genauer nachgehen oder sind es die, welche in ihre Entscheidungen miteinfließen lassen, welche Folgen durch diese weiteren Untersuchungen bei uns im Angstkopf entstehen
könnten? Wir wissen hoffentlich alle, dass bei heutigen Untersuchungen die Wahrscheinlichkeit gar nicht mal gering ist, dass immer mal wieder etwas gefunden wird, was nicht ganz passt. Ich könnte da eine Geschichte von meiner Frau erzählen, bei der einmal etwas Blut im Urin gefunden wurde und wo die Frauenärztin dann einen ewig langen Rattenschwanz an weiteren Untersuchungen fabriziert hat über fast ein Jahr mit dem Ergebnis, dass gar nichts war. Eine andere Ärztin meinte später dazu: Ich hätte da gar nix veranlasst und einfach nochmal in 6 Monaten den Urin kontrolliert.
Für mich war diese Odysee meiner Frau damals eine halbe Katastrophe aufgrund meiner Generalisierten Angststörung. Und das genau meine ich.
Es ist unglaublich wichtig, zu verstehen, welche Auswirkungen zu viel Vorsorge haben kann. Das ist dann keine Vorsorge mehr.
Es gibt da keine pauschale Empfehlung für jeden von uns (man sollte als Hypochoner 2x im Jahr eine BE machen lassen etc).
Jeder muss für sich den Sweet Spot finden, der für ihn passt, aber möglichst, ohne sich selbst zu belügen oder sich etwas vorzugaukeln / die Wahrheit nicht akzeptieren zu wollen. Für die meisten dürfte dieser irgendwo in einer vernünftigen Balance liegen zwischen gar nichts tun / Ärzte meiden wie die Pest und bei jedem Symptom wieder zum Kardiologen rennen. Ihr könnt die realistische Welt / Wahrscheinlichkeiten / Zufälle und erst recht nicht Eure Ängst dadurch auslöschen / beeinflussen, je mehr Ihr zum Arzt rennt, zumindest nicht längerfristig (kurzfristig tut es immer gut, das weiß ich selbst). Ich glaube nicht, dass wir Heilung erlangen können durch Kontrolle unseres Körpers durch ständige Arztchecks. Wir hätten es gerne, aber so funktioniert es leider nicht. Eher laufen wir Gefahr, wie ein Zwangsgestörter zu werden, der immer und immer wieder versucht, sein Haus zu verlassen, es aber nie weiter weg als 50m schafft, weil er dann doch wieder zurück muss, um zu kontrollieren, dass der Herd aus ist.
Versucht, zu beobachten, ob Euch Arzt-Checks nicht nur kurzfristig Linderung der Ängste bringen oder auch langfristig oder ob es nicht sogar zu einer Sucht werden kann wie bei einem Dro., der sich kurzfristig durch eine Dosis Linderung schafft, aber langfristig dafür sorgt, dass alles schlimmer wird. Ja, richtig gelesen, wortwörtlich der
Sucht nach Überkontrolle, gesund zu bleiben. Nur können wir leider, so oft wir auch zum Arzt rennen, nicht erreichen, was wir gerne hätten - eine 100%ige Garantie, nichts zu haben und auch nichts zu bekommen. Selbst das Öffnen komplett neuer Fässer (und das kann z.B. auch der Kardiologe oderr Neurologe sein!) ist gut zu überdenken. Ich kenne Leute, die haben überhaupt erst dann eine massive Herzneurose bekommen, als sie sich zum Kardiologen begeben haben, obwohl kein begründeter Anlass dafür war. Einfach mal so zu dem oder dem Facharzt zu gehen, um einen besseren Check zu bekommen, als beim Hausarzt, kann rein mental die falsche Entscheidung sein.
Im Endeffekt ist das wichtige bei diesem Thema wie bei einigen anderen Dingen in meinem Eröffnungspost hier auch:
ACHTET und BEOBACHTET, welche Handlungen von Euch welche AUSWIRKUNGEN auf Euer Befinden und ihre psychische Verfassung haben und das nicht nur kurzfristig, sondern auch längerfristig. Es ist wie beim Thema mit dem Urlaub, wo ich ja erklärt habe, dass ich dort ein anderer Mensch bin und wie früher, völlig ohne Symptome und Ängste oder die Sache mit den Treffen mit Freunden, in denen es auch fast immer so ist, als würde ich in eine Blase steigen, in der ich völlig gesund bin. Anders herum habe ich mir gemerkt, was zu viele Arztchecks bei mir in negativer Hinsicht bewirken/auslösen.
Man darf seine Erkrankung und seine Änderungen/Schwankungen des Befindens nicht einfach so hirnlos laufen lassen, sondern man muss beobachten und analysiseren, was passiert mit einem, wenn man das oder das tut. Notfalls schreibt man es sich tatsächlich auf, damit man es später mal nachlesen kann und sich selbst wundert, dass man sich dort oder da so gefühlt hat.
Abschließend noch ein Satz, den ich sehr gut und wahr finde und der unterschwellig ausdrückt, um was es geht:
LIEBER
20 JAHRE UNBESCHWERT LEBEN UND DANN AN EINEM HERZINFARKT STERBEN,
ALS
30 JAHRE MIT ANGST UND SORGEN LEBEN UND DANN AN EINEM HERZINFARKT STERBEN.