Ich wollte mal fragen, ob hier jemand die Therapietechnik kennt, seinen Eltern (welche ja in vielen Fällen für unsere extreme Prägung in einigen Bereichen verantwortlich waren) einen Brief zu schreiben (den man ihnen natürlich nicht zeigt/übergibt)?
Ich bin da seit gestern dran und schreibe mir sozusagen alles von der Seele.
Ich habe die letzten Jahre vieles aufgearbeitet und erst nach und nach verstanden habe, warum ich in meinem Verhalten und meiner Art so bin, wie ich bin bzw. mir diese Prägung ab einem gewissen Punkt im Leben dann mehr und mehr zum Verhängnis wurde (Perfektionismus, Ordnungs-getrieben, Kontrollzwang, lange Zeit sehr subjektive, verzerrte, negative Sichtweise auf alltägliche Dinge oder auch andere Menschen).
Meine Eltern (es lebt ja nur noch meine Mutter) waren einerseits tolle Eltern. An Liebe fehlte es mir nie, eher war es aber wohl zu viel des Guten und so kam eine Überbehütung zustande. Besonders mein Vater steuerte rückblickend leider viel zu sehr mein Leben durch Eingriffe und Richtungsschubser seinerseits. Die Absicht war zwar immer, dass er doch nur das Beste für mich wolle, aber leider wurde mir dadurch auch oft gar nicht die Chance gegeben, auf die Suche zu gehen, was denn wirklich für mich selbst das Beste wäre, also das, was mich wirklich glücklich macht im Leben. Im Rückblick war es sehr schmerzhaft, erkennen zu müssen, wie sehr meine Eltern doch Einfluss auf meine Jobwahl und auch viele andere Bereiche im Leben hatten. Gott sei Dank war zumindest die Partnerwahl von diesem Phänomen nicht betroffen.
Mir fiel es nach diesen Erkenntnissen lange Zeit sehr schwer, auch meiner Mutter gegenüber in einigen Gesprächen diese Dinge ehrlich anzureißen. Warum, ist nicht verwunderlich. Mein Vater ist 2020 nach 10 Jahren schwerer Krebserkrankung in ziemlich einschneidender Weise (Hirnmetaste) von uns gegangen. Wer traut sich schon, über einen lieben, nahen Menschen, der verstorben ist, Kritik zu üben. Dabei hat dies nichts damit zu tun, dass man seinen Vater/seine Eltern nicht liebt oder ihnen nicht dankbar ist. Es ist kein Betrug, obwohl es sich anfangs so angefühlt hat. Es ist die nötige, realistische Aufarbeitung von Dingen und Fehlern, die Menschen nun einfach mal machen und dazu gehören eben auch Eltern.
Ich habe gestern beim Schreiben des Briefes an vielen Stellen unfassbar geheult. Gleichzeitig hackte ich oftmals mit unfassbarer Wut Zeilen in die Tastatur, weil ich nicht fassen konnte, wie fremdgesteuert viele Dinge in meinem Leben doch waren. Gegen Ende konnte ich dann etwas ruhiger werden, weil ich dort auf die positiven Dinge meiner Eltern eingehen konnte, nämlich, dass ihre Erziehung und Art der Prägung natürlich auch positive Seiten hatte in Bezug auf ihren Sohn (Moral, Anstand etc).
Außerdem kam dann noch der Abschnitt, warum es logisch ist, dass meine Eltern so waren, wie sie waren. Sie wurden ihrerseits durch ihre Eltern geprägt etc. Auch, dass ich in der Grundschulzeit von anderen Kindern oft gemobbt worden war, hatte dazu beigetragen, dass sie mich noch mehr in Schutz nehmen wollten.
Es ist also alles recht logisch nachvollziehbar diese Kette.
Wie gesagt - würde mich mal interessieren, ob hier jemand diese Aufarbeitungstechnik auch schon einmal benutzt hat, sofern die Voraussetzungen dafür vorgelegen haben (ist ja bei jeder psychischen Erkrankung anders und meist sind es viele Bausteine, die dann in Summe zum Ausbruch der Erkrankung beitragen).
Bei mir war die Prägung durch meine Eltern aber schon ein...man könnte sagen....Basissteinchen.
13.07.2023 08:22 •
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