Hi Vicky,
mach' ich gerne, vermute aber, dass es sich erstens nicht einigermaßen kurz erklären lässt und zweitens nicht 1:1 übertragbar ist, weil Ängste und ihre Therapie ja immer sehr individuell sind. Aber ich versuch's:
Autofahren habe ich einmal in Begleitung meiner damaligen Verhaltenstherapeutin geübt, dann mit Familienmitgliedern als Beifahrer, dann allein. Also im Rahmen einer ganz normalen Konfrontationstherapie. Die Angst bestand darin, in den Gegenverkehr zu fahren und/oder die Kontrolle zu verlieren. Ich habe täglich geübt, dann war es eine Sache von ca. drei Wochen.
Ans Bus- und Bahnfahren habe ich mich während eines stationären Aufenthaltes eigenständig bzw. mit Hilfe von Mitpatienten wieder rangetastet - auch ein Konfrontationstraining. Nach einiger Übung im Nahverkehrsbereich saß ich dann allein im ICE und widerstand der sehr drängenden Versuchung, vor Abfahrt zu flüchten. Als sich die Türen schlossen und der Zug anrollte, dachte ich, mein Leben sei vorbei. Dort gab es keine Fluchtmöglichkeit. Nach wenigen Sekunden (!) hatte ich mich in mein Schicksal ergeben und diese Angst hatte sich ein für allemal erledigt.
Die typischen agoraphobischen Situationen, die Angst vor Ohnmacht oder aufzufallen etc. gehen Hand in Hand (jedenfalls bei mir). In Zeiten hoher und positiver Therapiemotivation habe ich mich entschieden, einige Risiken einzugehen. Ich war bei Konfrontationsübungen wild entschlossen, notfalls irgendeinen Fremden anzusprechen und um Hilfe zu bitten. Ich hätte es in Kauf genommen, irgendwo in der Öffentlichkeit ohnmächtig umzukippen etc. Und wenn nichts mehr da ist, was auf gar keinen Fall passieren darf, braucht man auch keine Angst mehr davor zu haben. Es kam mir sicher auch zugute, dass ich grundsätzlich ein recht gutes Vertrauen in meinen Körper habe. Außerdem kenne ich es von Blutabnahmen, ohnmächtig zu werden, und weiß, dass das nicht schlimm ist und wie es sich (kurz vorher) anfühlt. Aber wenn ich ein wichtiges Ziel vor Augen habe, ist mir inzwischen kaum noch etwas peinlich: Ich habe mal eine wichtige Klausur an der Uni geschrieben, während der man den Saal nicht verlassen durfte (auch nicht zur Toilette). Mir war an dem Tag ein wenig übel. Aber ich hätte eher dem Aufsichtführenden vor die Füße gekotzt als die Prüfung zu schmeißen.
Die Angst vor dem Alleinsein wollte ich eigentlich so bekämpfen, dass ich mich auf eine Angstattacke einlasse, sie quasi einlade. Auf die warte ich heute noch. Wenn man sie zu selbsttherapeutischen Zwecken dringend brauchen kann, lässt sie sich nicht blicken...
Die Krankheitsängste haben sich wohl durch kognitive Selbsttherapie verabschiedet. Irgendwann habe ich verstanden, dass richtige Krankheiten auch richtige Symptome verursachen, nicht nur hier und da ein Ziepen. Gut untersucht war ich ja und hatte auch ein grundsätzliches Vertrauen in meinen Körper (das übrigens durch Sport). Diese Ängste waren bei mir aber auch nicht so ausgeprägt.
Meine Angst vor Referaten habe ich an der Uni abgelegt. Ich musste ein sehr langes Referat halten und dachte Minuten vorher, dass ich gleich vor Angst wahnsinnig werde. Andererseits kannte ich mich mit dem Stoff gut aus und hatte wirklich etwas zu sagen. Da siegte wieder die Entschlossenheit. Ich sagte mir, notfalls renne ich raus, unterbreche für ein paar Minuten, bis ich mich wieder eingekriegt habe, erkläre, was los ist, und dann mache ich weiter. Von dem Moment an war's okay.
Ganz am Anfang habe ich versucht, die Angststörung geheimzuhalten, was tendenziell zur Vereinsamung führt. Ich habe dann erst Einzelne ins Vertrauen gezogen, damit ausschließlich positive Erfahrungen gemacht und bin später ganz offen damit umgegangen. Das nimmt sehr viel Druck. Meist wurden mir dann übrigens die psychischen Probleme der anderen anvertraut.
Was alle meine Bewältigungserfolge gemeinsam haben, ist eine jeweils starke, positive Motivation. Ich wollte etwas erreichen, das mir auch Risiken wert war. Ich kenne auch Zeiten und Bereiche, in denen ich das nicht habe, in denen ich nur dadurch motiviert bin, irgendetwas Schlimmeres zu vermeiden, oder in denen ich funktionieren muss (oder glaube, funktionieren zu müssen). Sofern ich da etwas erreiche (kommt oft vor - im Erfüllen von Anforderungen bin ich gut), ist es nicht von langer Dauer oder hat einen depressiven Beigeschmack.
Liebe Grüße
Christina
19.12.2009 17:13 •
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