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… wenn ich keine Angststörung mehr hätte. Ich frage mich in letzter Zeit, wer bin ich eigentlich noch ohne meine Ängste und Panik.
Welchen positiven Krankheitsgewinn habe ich?
Warum stürze ich mich scheinbar lieber in die Hypochondrie anstatt das fühlen zu können was sich in Wahrheit dahinter verbirgt? Und was verbirgt sich eigentlich dahinter und warum komme ich da nicht dran?
Gibts hier noch andere Menschen, die sich mit diesen oder ähnlichen Fragen beschäftigen und vielleicht auch welche die Antworten gefunden haben?
Ich würde mich freuen von euch zu hören!

08.10.2024 21:00 • 11.10.2024 x 7 #1


64 Antworten ↓


Interessante und wichtige Fragestellung.

Ich litt schon mehrfach an Depression und Panikstörung, die in den schlimmsten Zeiten mein Leben zum Erliegen brachten. Ich dachte wirklich, mein Leben, wie ich es kannte, wäre vorbei und ich wäre zeitlebens von anderen abhängig, die sich um mich kümmern müssen. Nicht schön.

So furchtbar diese Zeiten auch waren, so hatten sie auch ihr Gutes. Mein Krankheitsgewinn war auf jeden Fall, dass ich gar nicht anders konnte, als jede Verantwortung nahezu vollständig fallen zu lassen. Sogar die für mich selbst.
Befreit von dieser extremen Last, die ich im Laufe der Jahre selber auf mich genommen habe, habe ich mich wieder selbst entdeckt, Freiheit gefühlt, Hoffnung, dass es anders sein kann und damit auch wieder Zugang zu meinen Bedürfnissen bekommen.
Mein Krankheitsgewinn war also, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben keine Verantwortung mehr tragen musste, weil ich nicht konnte. Ich musste sie nicht ablehnen oder delegieren, was unter Umständen unangenehm gewesen wäre, ich konnte sie schlicht nicht mehr ausführen.

A


Ein Leben ohne Angststörung - was bleibt von mir übrig?

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@Pauline333 du hattest in einem anderen Thread so ähnlich geschrieben bzw ich fand deine Zeilen dazu sehr treffend, es ist momentan mein Thema.
Die Sache mit dem Krankheitsgewinn hatte ich 2017 und bin der Meinung, das kann mir jederzeit wieder passieren, ohne dass ich es evtl merke. Bei mir war es das „es kümmert sich jemand um mich“. Ich fand das toll! Wenn sich jemand um mich gekümmert hat, denn das gab es vorher nicht in meinem Leben. Ich habe immer alles alleine gewuppt und dann kam der secondary gain und ich fands super!
Trotzdem: ich bin mittlerweile der Meinung, dass viele von uns die, nennen wir es von mir aus Krankheit oder Störung, brauchen. Ich will mich da gar nicht von ausschließen, denn was bleibt wenn all das nicht mehr da wäre?

Gestern war ich bei meinem Gespräch Psychologen und meinte, das ich doch schon immer eine
schwere Angststörung hatte und manchmal, teilweise noch habe. Früher war es extrem schlimm.
Immer Angst und Panik, Tag und Nacht. Oftmals habe ich auch da, auf dem Fahrrad gesessen und habe
gedacht, wo ist denn nur der Ausschalter? Wo denn? Ich habe oft geweint und war verzweifelt. Ist das das
Leben? Mit einer Tüte durch die Gegend zu laufen, weil ich mal wieder Hyperventiliert habe? War das
Leben nicht immer ein einziger Kampf, für mich? Ja, das war es. Aber es hat sich gelohnt zu kämpfen.
Ich habe trotz Ängste viele Dinge gemacht, weil ich gesagt habe, ich lasse mich von der Angst nicht unterkriegen. Ja, es war nie leicht, aber es hat sich gelohnt.

Heute bin ich dankbar, das ich meinen Weg so gegangen bin. Ich habe mich nicht unterkriegen lassen,
von meiner Angst. Sie ist zwar immer noch da, aber nicht mehr so schlimm und wenn es so bleibt, bin ich zufrieden. Ich kann mich an schöne Dinge erfreuen, am liebsten fahre ich mit meinem Mann durch den
Wald. Ich versuche jetzt noch ein wenig mehr, nicht mehr zu kämpfen, sondern das Leben endlich genießen.

Das wünsche ich Dir auch, @Türknopf

Wie schön, dass mein Satz Resonanz bei dir auslöst

Zitat von Türknopf:
denn was bleibt wenn all das nicht mehr da wäre?


Ganz viel, keine Sorge! Dann bleibt Platz für Wachstum und Entfaltung.

Mit der oben zitierten Annahme dämpfst du womöglich dein Engagement das los zu werden. Also sage dir lieber Dinge, die in Richtung das Leben wird soviel besser, wenn ich meine Ängste nicht mehr brauche gehen.

Zitat von Türknopf:
es kümmert sich jemand um mich


Kann ich übrigens mit Blick auf deine Kindheit extrem gut nachvollziehen.
Kümmerst du dich denn um dich?

Hast du schonmal von dem Konzept des inneren Kindes gehört oder sogar damit gearbeitet? Das war etwas, was mich bei meiner letzten Krise auch mit weiter gebracht hat. Generell die Verarbeitung meiner Kindheit und einiger darüber hinaus bestehender ungesunden Familienbeziehungen.

Zitat von Türknopf:
… wenn ich keine Angststörung mehr hätte. Ich frage mich in letzter Zeit, wer bin ich eigentlich noch ohne meine Ängste und Panik.


Das ist eine sehr interessante, ganz zentrale und wichtige Frage. Die kannst Du natürlich nur allein beantworten.

Zitat von Türknopf:
Welchen positiven Krankheitsgewinn habe ich?


Vielleicht fällt Dir dazu etwas ein. Allerdings muss es meiner Ansicht nach nicht unbedingt so sein, dass
Du einen Krankheitsgewinn hast. Kann sein, vielleicht aber auch nicht.

Zitat von Türknopf:
Warum stürze ich mich scheinbar lieber in die Hypochondrie anstatt das fühlen zu können was sich in Wahrheit dahinter verbirgt?


Ich glaube kaum, dass Du Dich in die Angst, krank zu sein hineinstürzt. Ich vermute, das läuft anders ab.

Zitat von Türknopf:
Und was verbirgt sich eigentlich dahinter und warum komme ich da nicht dran?


Ich habe das hier im Forum schon sehr oft versucht zu beschreiben.
Wenn es Dich interessiert, versuche ich dieses Thema nochmal aufzugreifen.

Viele Grüße
Bernhard

Sehr schön geschrieben, liebe @Abendschein

Zitat von Perle:
Sehr schön geschrieben, liebe @Abendschein

Danke liebe @Perle , aus meinem Leben geschrieben.

@Pauline333 ja ist auf Resonanz gestoßen, vielen Dank dafür!
Ich kümmere mich sehr viel um mich, natürlich zunächst die Klassiker der VT. Arbeit mit dem inneren Kind habe ich vor ein paar Jahren oberflächlich begonnen, so richtig tief geht das aber erst seit 1,5 Jahren los, seit dem Beginn meiner Traumatherapie. Der jetzt erlebte Schmerz über das nicht dagewesene ist erträglich und nicht bedrohlich, er kann durch mich durchfließen und geht dann von alleine vorbei. Das finde ich eine sehr schöne Erfahrung.

Zitat von Hotin:
Ich habe das hier im Forum schon sehr oft versucht zu beschreiben.
Wenn es Dich interessiert, versuche ich dieses Thema nochmal aufzugreifen.

Oh ja sehr sehr gerne!

@Abendschein danke! Das Wort Zufriedenheit finde ich sehr schön und es passt auch in mein Leben.

Zitat von Pauline333:
Mit der oben zitierten Annahme dämpfst du womöglich dein Engagement das los zu werden.

Da kann durchaus was wahres dran sein, so herum habe ich es noch nie gesehen, spannend

Zitat von Hotin:
Ich glaube kaum, dass Du Dich in die Angst, krank zu sein hineinstürzt. Ich vermute, das läuft anders ab.

Wie genau meinst du das? Bzw was läuft denn da ab?

ich kenne diesen Gedanken. (Hatte früher panische soziale Angst, inzwischen keine Panik mehr) Dementsprechend auch der Gedanke in einem etwas anderen Kontext:

Was wäre ich ohne meinen familiären Hintergrund (verheirstet, getrenntlebend in 4 Wänden, mit 2 Kindern)...

... das ganze Leben dreht sich offenbar darum... immer irgendwo termin- oder logistische Einschränkungen... immer die selben innerfamiliären Diskussionen... aber dennoch die (für mich und die Kinder (und sehr sicher auch für meine Frau )) beste Lösung der Gesamtsituation.

Überall stocken Gespräche, weil ich keinen Bock mehr habe das Thema anzuschneiden, weil ich dann zum xten Mal mit jemandem das Thema durchkauen müsste, der anschließend nur peinlich berührt ist und meint, er wäre jetzt mein seelischer Mülleimer gewesen...


... als Antwort kann ich dir nur sagen: ich stelle in meinem Leben bewußt dahingehend die Weichen, dass ich ein abwechslungsreiches, sinnvolles Leben MIT meiner Familie leben kann, die dann Teil eines viel größeren Abenteuers sein darf... (die Entscheidung, dass ich bei ihr bleibe ist gefallen und das soll hier auch nicht diskutiert werden - es ist dein Thread und deine Frage)

Aber genau so sehe ich es für dich: Lass dich nicht durch deine Ängste einschränken und nehme sie als warnenden und vorsichtigen Begleiter mit dir. Höre auf sie, diskutiere mit ihnen rational. Du hast Hypochondrie erwähnt, also scheinst du einen guten rationalen Zugang zu haben. Genauso, wie ich meine Grenzen erweitere (als Single darf ich flirten und mit Frauen reden. Wenn meine Kinder mich nicht benötigen, nehme ich mir das Recht auch mal eine Nacht wegzubleiben etc...) kannst du auch in kleinen Schritten beginnen ein Leben zu leben, das dich an den Rand des für dich sicheren Territoriums bringt: Nämlich in die Richtung, wo sich deine Wünsche und Sehnsüchte befinden...

@Azure ah spannend was du schreibst. Fühlt sich an wie am Tellerrand entlang gehen wenn ich das jetzt richtig verstanden habe?!
Oder den Raum erweitern? Da bin ich gerade dran und deswegen kommen diese Fragen in mir auf.
Es sei denn du meinst das ganz anders, kann ja auch sein.

Raum erweitern, die bestehenen Probleme und Gegebenheiten dabei nicht als Hindernis erleben, sondern akzeptieren und ggf. sogar bewusst mit in die Lösungsfindung integrieren...
... Ich wünsche dir interessante Ausblicke über den Tellerrand und noch viel mehr, dass du auch ein Stück von der Torte, die da 20 cm neben deinem Teller auf dem Silbertablett liegt auf deinen Teller legen kannst ... und dass sie dann auch noch so gut schmeckt wie sie aussieht ...

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Zitat von Türknopf:
Ich frage mich in letzter Zeit, wer bin ich eigentlich noch ohne meine Ängste und Panik.

Dies kann für jeden Menschen ein Ziel werden, was man anstreben sollte.

Wenn man seine Ängste abschwächen möchte und im besonderen die Angst vor Krankheiten
abschwächen möchte, finde ich etwas sehr wichtig. Erst wenn man versteht, wie unser Denken
ungefähr funktioniert, kann man beginnen, sich von den eigenen Angstgefühlen etwas zu befreien.

Ich würde wohl kaum jemanden bitten, meinen defekten Fernseher zu reparieren, wenn ich nicht davon
ausgehen kann.
Der Mensch weiß, wie ein Fernsehgerät funktionert und kann deshalb den Fehler finden und anschließend
beseitigen.

Bei einer Angststörung verhält sich das im Grunde etwa ähnlich. Nur mit einem grundsätzlichen
Unterschied. Unser Gehirn ist ein geschlossenes Organ das wir selbst eigenverantwortlich steuern.
Einem anderen Menschen erlaube ich keinen Zugang, um in meine Denkvorgänge eingreifen zu können.

Das bedeutet. Ob sich an meiner seelischen Verfassung etwas verbessert, kann folglich nur von
mir selbst abhängen. Von dem Beispiel mit dem defekten Fernseher ausgehend bedeutet das.
Nur wenn ich zuerst verstehe, wie ich Mensch denke, habe ich eine Chance, meine Ängste
abzuschwächen.
Gespräche mit Psychologen und Therapeuten sollen genau dazu dienen, sich selbst, sein eigenes
Denken und sein eigenes Handeln besser zu verstehen.

Wie funktioniert unser Gehirn? Wie also unser Denken? Und wie und wo entsteht unsere Angst?

Der Hirnforscher Prof. Stefan Kölsch schreibt in seinem Buch:

Zitat

Dies bedeutet, dass wir die bisherige Denkweise über Bord werfen müssen, dass einzelne Teile
des Gehirns entweder Gedanken oder Gefühle erzeugen. Das Orbitofrontalhirn erzeugt beides.
Dies bedeutet außerdem: Wir haben nicht nur ein einziges Denkorgan im Gehirn, sondern
zwei-eines für bewusstes und eines für unterbewusstes Denken.

Unterbewusstes Denken ist spontan, intuitiv-es braucht weder bewusste Absicht noch
bewusste Aufmerksamkeit und kann sogar leicht vom bewussten Denken ablenken.
Bewusstes Denken hingegen braucht Konzentration. Es ist in der Lage, logische
Schlussfolgerungen zu ziehen, komplizierte Pläne zu entwerfen und knifflige Probleme
zu lösen.
Bewusstes Denken wird jedoch oft als anstrengend und langsam empfunden.

Zitat Ende

Ausgehend von dieser wissenschaftlichen Grundlage kann man viele Vorgänge rund um Angststörungen
ziemlich gut erklären und verstehen. Der gedankliche Einstieg dazu fällt allerdings nicht immer leicht.

Ich füge hier noch einen Link zu einem Beitrag von mir ein. Dies soll Weiteres dazu erläutern.
Vielleicht hört sich das anfangs etwas fremd und schwierig an.

Falls Dich das immer noch interessiert, freue ich mich auf Deine Antwort und eventuell auch Deine Fragen.

agoraphobie-panikattacken-f4/gedankenkarussell-stoppen-tipps-wie-man-es-schafft-t123286.html#p3090546

Zitat von Türknopf:
Welchen positiven Krankheitsgewinn habe ich?

Mein Krankheitsgewinn wäre gewesen, nicht mehr arbeiten zu müssen. Denn ohne Arbeiten wäre es mir gut gegangen. Aber das konnte ich finanziell nicht machen und habe es trotz Krankheit weiter durchgezogen.

A


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Dr. Christina Wiesemann
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