flojoflo
erstmal willkommen hier, ist doch gut dass du deinen Weg hierhergefunden hast - denn hier gibt es bestimmt viele, die wissen wovon du redest und Erfahrungen mit dir teilen können.
Wenn ich lese, was du schreibst fällt mir auf, dass deine Darstellung dessen, was falsch gelaufen ist mit deinem besten Freund ziemlich extrem ist - andererseits wird für meine Ohren nicht ganz klar, womit du genau glaubst ihn mißbraucht zu haben.
Erstmal gehe ich davon aus, dass in einer Beziehung (Freundschaft oder Liebe) immer beide verantwortlich sind für das was läuft - ausgenommen Fälle in denen Gewalt (psychische oder gar körperliche) eine Rolle spielt.
Verstehe ich richtig, dass du ihn als Liebesbeziehung ausgegeben hast, obwohl er das nicht war? Und er wußte das nicht? Oder hat er das vielleicht genauso gemacht?
Wie hat er denn auf deine Eröffnung reagiert?
Sooo schlimm finde ich das nicht - und verständlich, wenn man deinen Einsamkeitsgefühle hinzunimmt. Nichts was eine echte Freundschaft killen muss.
Was mir auch nicht ganz glasklar geworden ist: liebst du ihn und kannst das nicht leben, weil er eben gleichgeschlechtlich ist?
Du schreibst, dass du immer wieder mit Männern zu tun hattest, die gebunden waren. Ich sehe sein gleichgeschlechtlich sein für dich in gleicher Funktion: Er ist gebunden - an ein anderes Geschlecht.
Diese Beziehungen haben einen großen Vorteil: Sie sind sozusagen Risikolos - die Rückfahrkarte ist immer mit eingebaut. So ist es ganz einfach sich viel weiter zu öffnen, als dir das normalerweise möglich wäre. Punktuell ist so große Nähe möglich - weil klar ist, dass sie keinen Raum fordert.
Ich denke dass du es - wie die meisten Einsamen - mit Ambivalenz zu tun hast: Ein Teil deiner Seele ist voller Sehnsucht nach Nähe, der andere fürchtet dabei um seine Autonomie und sabotiert alles was nach Nähe riecht.
Mit anderen Worten: Dieser Schwebezustand unmöglicher Beinah-Nähe mit deinem Freund: das ist genau das, was du dir im Moment ausgesucht hast! Mit Gott hat das nichts zu tun. Übersetz ich mir Gott als nichtreligiöser Mensch als Liebe, dann wird das auch ganz klar. Denn Liebe schickt dir Menschen nicht - sie schickt höchstens dich auf eine Reise über den Ozean - und vor der hast du noch Angst. Bleibst also am Ufer stehen, und hältst die Füße in die Brandung.
Finde heraus, was bedrohlich ist bei der Vorstellung jemandem nah zu sein. Was ist dein Risiko dabei? Was drohst du zu verlieren? Diese Angst braucht eine andere Antwort als die Vermeidung - denn das ist unterm Strich das was du tust: Nähe vermeiden - und dazu muss sie erstmal ans Licht dürfen.
Du hast eine Tochter groß gezogen - derweil hat sich die Single-Welt weitergedreht - das ist völlig normal und geht jedem so. Peergroups gibts nicht mehr, die Leute der eigenen Generation stecken in der Regel in festen Bindungen. Es wird schwieriger, das Älterwerden klopft an. Hey, aber mal im ernst: deine Lebenserfahrung WILLST du doch gar nicht ausknipsen - es gibt doch längst wichtigeres als zu wissen, was in den Charts aktuell ist, oder im Kino.
Diesen Teil empfinde ich so: Du machst dir Druck ...aber du wählst Strategien, die wiederum von vornherein nicht zum Erfolg führen können - weils so sicherer ist. Da liegt der Hund begraben
Zu deinem Freund: Ich finde es vollkommen ok tiefe Liebe für jemanden zu empfinden, mit dem man keine sexuellen Beziehungen eingehen kann, weil er/sie gebunden ist. Das ist ja die einzige Einschränkung. Das kann auch einen eigenen Wert haben, eine andere Art der Nähe ermöglichen, die es so sonst nirgends gibt. Das ist wertvoll und muss nicht entwertet werden, nur weil du keine Liebesbeziehung im klassischen Sinn mit ihm leben kannst. Du spürst anhand dieser Beziehung dein liegengebliebenes Nähebedürfnis. Du spürst lang zurückgehaltene Wünsche auch nach langfristiger Bindung und Nähe, die zu einem gemeinsamen Leben führen kann. Du spürst vielleicht auch, welche Eigenschaften dir bei deinem Mann wichtig wären. Ist doch gut so. Nicht jedes Ding brauch gleich einen Namen, lebe die Nähe mit ihm, die für ihn und für dich geht - ohne dass sie dich daran hindert, dich auf den Weg zu machen. Denn das ist ja eine weitere Funktion dieses Mißbrauchs: du verhinderst, dass du als jemand wahrgenommen wirst, der sich etwas wünscht.
Grüße
flo
01.12.2007 12:00 • #21