Hallo Ninja,
MACH DAS - Mach DAS - Mach DAS !
Ich kann nur unterstützen was vonnchen geschrieben hat und auch alle anderen hier bestätigen: Du kannst nur gewinnen
Menschenskinder ( ich darf das sagen, bin schon ein alter Knochen ) , euch stehen heute so viele Türen offen, habt so viele Möglichkeiten diese Welt zu erkunden, Erfahrungen zu sammeln, Menschen kennenzulernen, den Kopf frei zu kriegen.........
Nutzt diese Chancen!
Kanada, Alaska, dahin gingen in meiner Kindheit meine Traumreisen. Mit 15 Jahren habe ich mir Auswanderungsunterlagen von der Kanadischen Botschaft schicken lassen. Als ich 21 war, ergab sich die Gelegenheit, zusammen mit einem Freund nach Alaska zu gehen. Ein deutscher Auswanderer suchte 2 ausgebildete Deutsche für seinen Betrieb. Arbeitsvertrag auf 2 Jahre, sehr, sehr gute Bezahlung, 1 x jährl. 6 W. Urlaub in Deutschland inkl. Flug...... Mein Traum konnte endlich war werden. Entscheiden musste ich mich innerhalb einer Woche.
Ich bin zu Hause geblieben. Ein wenig ( oder vielleicht doch viel mehr ) Angst vor dem Ungewissen - und - ich war verliebt - bis über beide Ohren.
Ich will mich kurz fassen: Hab mich selbstständig gemacht, meine Liebe geheiratet, 2 Kinder in die Welt gesetzt, Scheidung, neue Partnerin, Trennung, hab mit Freunden mtl. auf ein Gemeinschaftskonto für eine Namibiareise eingezahlt - dann kam der Burnout, teilweise arbeitsunfähig, finanziell alles verloren. Meine Freunde sind schon das 2. Mal in Namibia gewesen - ich werde da wohl nicht mehr hinkommen. Bin immer noch selbstständig und hab noch einen zweiten Job - als Eigentherapie. Versuch mich langsam, ganz langsam, zurück zu kämpfen.
In Kanada bin ich dann doch noch gewesen, vor der Scheidung. 1997 ergab sich die Möglichkeit, in Kanada einen Betrieb zu übernehmen. ich bin dann mit meinem Freund und noch einem Bekannten zusammen für 4 Wochen dorthin. Mit dem Betrieb das wurde nix, aber diese 4 W. waren fantastisch. Ich hab damals meinen Frieden mit meiner Entscheidung, nicht nach Alaska zu gehen, geschlossen.
Auch, dass ich nicht nach Namibia kommen werde oder in andere Länder reisen kann, macht mich nicht traurig. Ich hab mich damit abgefunden und hab mir kleinere Ziele gesteckt. Manche Dinge sind halt so wie sie sind.
Meine Kinder haben während dieser Trennungsphase und Scheidung unglaublich gelitten. Für sie brach damals eine heile Welt, die schon lange keine mehr war, zusammen.
Mein Sohn lebte bei mir, meiner Partnerin und ihrem Sohn, meine Tochter zog zu ihrer Mutter. Mein Sohn machte sein Abitur ( super) und ging dann zur Bundeswehr. Während der Bundeswehrzeit überwarf sich meine Tochter mit ihrer Mutter und zog zu mir. Als mein Sohn seinen Wehrdienst beendet hatte, war die Situation soweit eskaliert, dass sowohl meine Tochter als auch mein Sohn den Kontakt zu ihrer Mutter fast ganz abgebrochen hatten. Mein Sohn hatte die Nase voll und sich entschlossen für einige Zeit nach Australien zu gehen. Er hat sich dann alles selber organisiert, keine Organisation eingeschaltet.
Ja, und dann war er weg.
Meine Tochter wurde immer depressiver, bekam immer stärker werdende Schmerzen an einer alten Sportverletzung. Die Sportverletzung hatte viele Jahre keinerlei Schmerzen verursacht, die Schmerzen waren also psychosomatisch. Sie begann dann eine Therapie, nahm Antidepressiva und starke Schmerzmittel. Und das alles vor dem Abitur. Die Stimmung zu Hause wurde immer schlechter. Meine Partnerin und ich arbeiteten jeden Tag bis zu 10 - 12 Std. und waren Abends k.o., dazu die depri Stimmung meiner Tochter, und der immer quirlige Sohn meiner Partnerin, schaukelten dann die Stimmung so hoch, dass meine Partnerin eines Tages die Sachen packte und auszog.
Die Depressionen meiner Tochter verstärkten sich noch mal, da sie sich die Schuld an der ganzen Situation gab.
Mein Sohn war jetzt schon 1 Jahr in Australien. Das erste viertel Jahr hatten wir wenig Kontakt, war so abgesprochen. Er wollte einfach nur Abstand bekommen. Er hat sich immer wieder Jobs gesucht, gearbeitet um dann wieder weiter reisen zu können.
Auch nur annähernd zu erzählen, was er alles erlebt, würde hier den Rahmen sprengen. Als er nach 1 J und 9 M wieder zu Hause war, hatte er sich verändert. Es war nicht ganz einfach für ihn, sich wieder an einen festen Wohnort, geregelte Zeiten, die deutsche Einstellung zu vielen Dingen, zu gewöhnen.
Zu dem Zeitpunkt, als er zurück kam, machte meine Tochter ihr Abitur. Ein super Abi. Mir ist heute noch schleierhaft wie sie das damals in dieser Situation hingekriegt hat. Noch während der Lernphase vorm Abi, hat sie sich ihre Auslandsreise, auch Australien, zusammengestrickt, ohne Hilfe ihres Bruders, dazu war sie zu stolz. In den letzten 2 Monaten vor dem Abflug nahm sie rapide ab. Nur 156cm groß, spindeldürr. Sie hätte, glaube ich, in ihrem eigenen Rucksack übernachten können. Schlaflosigkeit, depressive Phasen, die aber weniger wurden, Panikattacken ( so würde ich es heute deuten ) waren zum Schluss normal.
Für mich war ganz klar, dass sie diesen Schritt gehen muss. Es stand für mich fest, dass sie eine absolute Auszeit von dieser Familie, dieser Umgebung und den ganzen Lebensumständen braucht. Und trotz aller Zweifel, die ihr manchmal kamen, sie kurz vor dem Abbruch der Reise stand, sagte sie immer wieder: Ich will DAS, also mach ich DAS
Ihre Freundinnen, ihr Bruder und ich sowieso, unser Hausarzt und ihre Therapeutin vor allem, standen hinter ihr.
Am 31. Juli 2008 ist sie dann geflogen. Freunde, Freundinnen, ihr Bruder, ihre Mutter und ich haben sie am Flughafen verabschiedet. Ich glaube, 2 mal ist sie unter Tränen bis zur Absperrung zurück und wir haben sie angetrieben ( aber sehr liebevoll ), in den Flieger zu steigen.
Und dann war sie weg.
Ihr Rückflug war für den 31. Juli 2009 gebucht - 1Jahr später. Ich hab gedacht - na ja - 3 Monate - spätestens - dann ist meine Kleine wieder da. Mein Sohn meinte nur: Wenn du dich mal nicht gewaltig vergallopierst.
Was soll ich sagen. Sie ist in Australien angekommen, genauso wie mein Sohn - ich meine - richtig angekommen. Sie hat gearbeitet, in allen möglichen Jobs. Im Servicebereich, bei der Weinernte, in einer Pizzeria, in Hostels, 3 Monate im tiefsten Outback in einem Roadhouse.........., hat genau wie mein Sohn, meistens die Touri Städte gemieden, 1000 Menschen aus aller Welt kennengelernt, zu vielen hat sie immer noch Kontakt, viele viele Eindrücke gesammelt und viele gute und wenig schlechte Erfahrungen gemacht.
Nach ca. 10 Monaten - ja, mein Sohn sollte Recht behalten - rief sie mich an: Paaapaaa, waaas ich dir sagen wollte.... , wenn sie so anfängt klingeln bei mir immer die Alarmglocken, entweder sie braucht Geld ( was während der ganzen Reise nicht vorkam ), oder kannst du mich abholen ( unwahrscheinlich ), oder ich bin schwanger ( noch unwahrscheinlicher ) oder - und das hab ich dann gesagt: Du kommst noch nicht zurück ? Schweigen ------ dann jaaaaaaa, richtig, ich glaub, ich bin mit Reisen irgendwie noch nicht fertig. Nach kurzem Überlegen hab ich gefragt: Neuseeland ? Antwort : Jow . Ich hab geschluckt und dann gesagt: Super, wie lange ? Sie: Hmmmmm, vielleicht 1 Jahr Ich : du bist verückt, aber find ich gut Sie: Ich weiß
Tja, dann ist sie 2 Mon. durch Neuseeland gereist, hat dann 1/2 Jahr im Süden in einem Tourismusbüro gearbeitet, Flüge, Schiffsfahrten, Wanderungen organisiert und geführt....., und dann ging wieder das Telefon: Paapaa Ich: Jaaa? Sie: Ich komm am 1. August nach Hause Ich: Ja, hab ich mit gerechnet, und ? Sie: Ich komm über Land Pause------- Ich: Sag mal, sitzt du gerade in der Sonne? Sie: Hmmmm, nein, aber ich versteh dich. Pause...... Sie: Ich hab schon alle Visa und alles gebucht, flieg in 2 Wochen nach Vietnam, fahr mit dem Zug und Bus bis zur chinesischen Grenze, von da weiter nach Peking , dann mit der Transsibirischen Eisenbahn in die Mongolei und dann weiter bis Moskau und dann weiter durch die Ukraine und Polen und bin dann am 1. Aug. in Berlin - könntest du mich dann da wohl abholen? Paaauuuuuuse --- mir wurde schwarz vor Augen, mein Verstand setzte aus und ich glaub ich hab Schnappatmung bekommen...... Paapaa, bist du noch daaaaa? Ich: Ja, sag mal, rauchst du was, trinkst du ein bisschen viel vielleicht oder nimmst du sonst was ? Pause...... Sie : Nein , wiiiiiesoooo ?
Da war mir klar, sie meint das Ernst und das ist alles schon im Fluss. Ich, der coole Papa: Klar hol ich dich in Berlin ab, logisch. Welcher Bahnhof und wie spät? Und dann nannte mir dieses kleine Biest mir auch noch den Bahnhof und die Ankunftszeit, war sich aber nicht sicher ob der Zug von Polen aus wohl pünktlich ist.
Vater werden ist nicht schwer - Vater sein dagegen sehr. Oh ja - das stimmt.
Sie hat das alles so durchgezogen , wie sie es geplant hatte. Ich könnte noch ewig erzählen. Ich bin sehr stolz auf meine Kinder, weil sie in so schwierigen Lebensphasen sich überwunden haben, ja über ihren eigenen Schatten gesprungen sind und sich etwas getraut haben, wovon sie geglaubt haben, dass sie es sich nie trauen würden.
Im Grunde genommen haben sich meine Kinder nicht wirklich verändert, aber durch diese ganzen Erfahrungen die sie gemacht haben sind Charakterzüge und Wesenszuge zum Vorschein gekommen, oder vielmehr noch deutlicher zum Vorschein gekommen, die ich vorher nicht so gesehen habe.
Da ist einerseits eine Offenheit gegenüber anderen Menschen, gleichzeitig aber so ein gesundes Misstrauen, ein Wachsamsein ein ganz konzentriertes Zuhören, sehr schnell unterscheiden zu können, was ist wichtig, was nicht; ist das gut für mich oder schlecht; Dinge, Abläufe, ich weiß nicht wie ich es nennen soll, mit einem gewissen Abstand - von aussen zu betrachten. So eine Gradlinigkeit, Selbstbeherrschung, Selbstsicherheit, Menschenkenntnis ................
Beide Kinder haben jeweils nach ihrer Rückkehr von ihren Reisen ein Studium begonnen. Meine Tochter hat noch ein Auslandsemester in Südamerika eingelegt, natürlich mit viel Reiseaktivität. Chile, Argentinien, Peru, Brasilien, Kolumbien - die Anden , das Pantanal, Feuerland..... alles mit dem Rucksack.
Ihr Studium hat sie abgeschlossen - und war ( ist ) schon wieder weg. Arbeitet in Tansania an einem Projekt, war zwischendurch mal in Sambia, Simbabwe, Malawi, ist jetzt in Kenia in einem Hostel und kommt nächste Woche wieder nach Hause - wenn nix dazwischen kommt?!
Und dann ? Wird sich zeigen.
Eigentlich wollte ich mich ja kurz fassen, aber ich komm immer in so eine euphorische Stimmung wenn ich von meinen Kindern erzähle. Ich hab das hier nicht erzählt um damit zu prahlen, wie toll meine Kinder sind und was die alles können und........
Das, was die beiden gemacht haben , war schon sehr extrem und so etwas hatte ich mir nie vorstellen können.
Es zeigt aber, das man, auch wenn man ein Angsthase ist, unter Panikattacken leidet oder an einer Depression erkrankt ist, durchaus selber etwas für sich und seine Gesundheit tun kann. Jeder sicherlich nach seinen Möglichkeiten. Der eine ist froh am Tag vielleicht 1 Std. vor die Tür zu gehen, eine andere schweißgebadet aber glücklich 2 km mit Auto gefahren zu sein und.......
Den ersten Schritt muß man immer selber tun. Wenn dann noch Unterstützung von aussen dazu kommt, eine Therapie, Medikamente, moralische Unterstützung durch Verwandte, Freunde, Partner, Arbeitskollegen.....ist man doch schon auf einem guten Weg. Und dann weiter, vorwärts, manchmal mit Rückschlägen, aber immer weiter, in ganz kleinen Schritten....
Ninja, du bist 24 Jahre alt, intelligent, mutig und frech genug deinen Ängsten die rot Karte zu zeigen. Das lese ich zumindest in allem was du hier geschrieben hast und auch in dem wie du schreibst.
Du hast dein Abitur gemacht, Hut ab dafür. Ich hab bei meinen Kindern erlebt, was für eine Quälerei das ist. Für mich war das nix.
Du hast nicht nur einmal deinen Ängsten gezeigt wo der Hammer hängt und bis geflogen, auch wenn du dich noch so sch....
gefühlt hast, du hast es getan.
Du gehst zur Therapie, auch dazu gehört Mut und Überwindung.
Du bist mutig. Mutig genug um nach Namibia zu fliegen und dort eine tolle Zeit zu haben.
Ich kann dir nur noch einmal sagen :
MACH DAS
20.03.2016 16:33 •
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