Hallo,
zunächst einmal zum Thema
Tiefenpsychologie:
Nein, Tiefenpsychologie ist nicht alt, sie wird aktuell von einer großen Anzahl an Therapeuten praktiziert.
Es gibt in Deutschland aktuell 3 Therapieformen, die man machen kann:
1) Verhaltenstherapie
2) tiefenpsychologisch fundierte Therapie
3) Psychoanalyse.
Jeder niedergelassene Therapeut läuft unter einer dieser 3 Richtungen, diese 3 Therapieformen sind die Dächer, unter die auch alle spezifischeren Therapiemethoden fallen, die offiziell anerkannt (sprich: von der Krankenkasse bezahlt) sind. Man beantragt entweder eine Verhaltenstherapie, eine tiefenpsychologisch fundierte Therapie oder eine Psychoanalyse. Die Anzahl an Stunden, die dafür genehmigt wird, ist jeweils unterschiedlich. Aber man beantragt z.B. keine Traumatherapie, die macht man im Rahmen einer Verhaltenstherapie oder einer tiefenpsychologisch fundierten Therapie.
Ein Großteil der Patienten macht entweder Verhaltenstherapie (VT) oder tiefenpsychologisch fundierte Therapie (TP), Analyse kommt zwar auch vor, ist aber eher weniger verbreitet.
Wenn man jetzt bei einem Therapeuten anfragt, wie er arbeitet, ist die erste Frage, ob er Verhaltenstherapeut oder tiefenpsychologisch arbeitender Therapeut ist (Analyse lasse ich jetzt mal für den Moment beiseite).
Der Fokus des Vorgehens ist jeweils unterschiedlich, die VT schaut primär auf die Gegenwart (Was kann ich jetzt ganz konkret anders machen/verändern, um eine Symptomverbesserung zu erreichen?), die TP legt den primären Fokus auf die Vergangenheit (Muster erkennen, die sich aufgrund der Biographie ausgebildet haben).
Beide Formen können sinnvoll sein. In beiden Therapieformen wird zunächst eine Anamnese gemacht, man schaut sich die aktuellen Probleme an, die einen in Therapie gebracht haben, dann wird die Biographie angeschaut, dann wird ein Störungsmodell erstellt/ eine Diagnostik gemacht, und auf Grundlage der sich dabei ergebenden Diagnosen wird dann das weitere Vorgehen besprochen. Hier gehen die Therapieformen dann auseinander, die TP bleibt sehr in der Vergangenheit, die VT wechselt irgendwann in die Gegenwart (im Sinne von: Und was machen wir jetzt mit diesen Erkenntnissen?).
Beide Therapieformen schauen sich beides an, Gegenwart und Vergangenheit, nur der Schwerpunkt liegt jeweils anders.
Was jetzt das
Trauma angeht: Natürlich kann das sein, dazu kann ich nichts sagen, da ich von Deiner Geschichte nichts weiß. Es würde natürlich nicht wirklich für Deinen alten Therapeuten sprechen, wenn er das übersehen hat, aber sowas kann vorkommen, Therapeuten übersehen auch mal etwas. Und wenn Du eh das Gefühl hast, dass Dein Therapeut Dir nicht weiterhelfen kann, könnte das natürlich auch ein Grund sein.
Man muss aber auch nochmal differenzieren bzw. genau hinschauen:
Wenn Du eine Traumatherapie machen möchtest, sollte der Grund dafür genau angesehen werden. Mit einem neuen Therapeuten könnte es also sinnvoll sein, eine Diagnostik in diese Richtung vorzunehmen, um zu schauen, ob eine spezifische Traumatherapie sinnvoll ist. Es kann eine sehr hilfreiche Therapiemethode sein, wenn entsprechende Symptome vorliegen, aber manchmal passt sie auch nicht und eine normale Gesprächstherapie passt vielleicht besser zum aktuellen Beschwerdebild.
Ein traumatisches Erlebnis an sich ist noch nicht unbedingt ein Grund für eine Traumatherapie.
Eine Traumatherapie wird zumeist dann gemacht, wenn sich aus dem/den traumatischen Erlebnissen eine
posttraumatische Belastungsstötung entwickelt hat, das ist nicht immer der Fall. Die hat ein sehr spezifisches Symptombild, das ein Therapeut eigentlich erkennen sollte (aber, wie gesagt, manchmal übersehen Therapeuten auch etwas).
Man unterscheidet inoffiziell noch zwischen einer einfachen PTBS und einer komplexen PTBS, die stellen sich beide etwas unterschiedlich dar, was die Symptome angeht, obwohl es natürlich auch Überlappungen gibt. (Und die kPTBS kann erst ab 2022 offiziell diagnostiziert werden).
Zitat von this_is_me: So langsam glaube ich, ich habe einen Trauma
Von einem Trauma spricht man dann, wenn man Folgendem ausgesetzt war:
Trigger
belastenden Ereignissen wie z.B. schweren Unfällen, Übergriffen, Erkrankungen, Naturkatastrophen, aber auch Erfahrungen erheblicher psychischer, körperlicher und sexueller Gewalt sowie schweren Verlust- und Vernachlässigungserfahrungen
Soll heißen: Nicht jede schwierige und/oder schmerzhafte Erfahrung ist ein Trauma und nicht jedes Trauma führt zu einer posttraumatischen Belastungsstörung. Damit möchte ich auf keinen Fall irgendwelche Erlebnisse kleinreden, was ich damit meine, ist, dass es unterschiedliche Formen von belastenden Erfahrungen gibt, die dann wieder spezifische Behandlungen erfordern, die darauf zugeschnitten sind.
In einer Traumatherapie geht es wirklich darum, die spezifischen Symptome der posttraumatischen Belastungsstörung zu reduzieren.
Das kann natürlich für Dich sinnvoll sein, wenn Deine Symptome in die Richtung gehen, das würde ich dann mit einem potentiellen neuen Therapeuten besprechen. Die meisten Therapeuten haben eine Homepage, auf der steht, ob sie TP oder VT machen und auf welche Störungsbilder sie sich spezialisiert haben.
Wenn Du also mit Deinem alten Therapeuten eher unzufrieden bist, klingt das für mich nach einer guten Gelegenheit, sich einen neuen Therapeuten zu suchen.
Und ich würde in Erfahrung bringen, ob dieser alte Therapeut TP oder VT war und dann die jeweils andere Therapieform suchen und beantragen, um neuen Input zu bekommen und vielleicht neue Erkenntnisse in Bezug auf Deine Probleme zu bekommen.
Alles Gute!
LG Silver