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Hallo zusammen,

Im Titel steht, dass es um die Mutter geht. Für besseres Nachvollziehen der Gesamtsituation möchte ich mich erstmal vorstellen und ein bisschen was von mir erzählen.

ich heiße Sakina und bin 40 Jahre alt. Ich bin seit knapp einem Jahr in einer Therapiegruppe. Vorher war ich schon mal in psychologischer Behandlung, aber das war nicht sehr erfolgreich, weil ich wenig ernst genommen und abgewertet wurde. Bei meiner jetzigen Therapeutin und den anderen Teilnehmerinnen fühle ich mich rundum wohl und aufgehoben - zum Glück, das ist super. Ich habe auch schon Dinge vorangebracht und Erfolge erzielt, sagen auch meine Therapeutin und meine Hausärztin (sie ist auch Ärztin für Psychotherapie).

Ich bin von klein auf mit Verlusten von wichtigen Bezugspersonen - durch Trennung / Scheidung (als ich ca. 5 Jahre alt war) oder Todesfall - und mit Rassismus in der Familie aufgewachsen bin. Der Rassismus bezog sich indirekt auch auf mich, weil mein Vater Marokkaner ist (die Mutter ist deutsch).

Ab dem 12. Lebensjahr habe ich bei meinem Stiefvater fast 10 Jahre lang in einem Umfeld mit Alk., sexuellen Übergriffen und häuslicher Gewalt gelebt. Die Begegnung mit meinem leiblichen Vater nach fast zwei Jahrzehnten war sehr schmerzhaft. Denn er hat mir - nach einer anfänglich vielversprechenden Begegnung - mit sehr verletzenden und grundlegend kritisierenden Äußerungen sehr weh getan.

Mit meiner Mutter war es schon immer sehr angespannt. Meine jetzige Psychologin hat es neulich sehr treffend zusammen gefasst: Die Mutter hat immer zu mir gesagt: Sei nicht so marokkanisch, sei nicht so und so und so usw. Damit stellt sich auch die Frage, wie ich tatsächlich bin, weil ich mich ja immer angepasst habe, um Ärger zu vermeiden. Das hat sich durch mein ganzes Leben durchgezogen, dazu kamen ständige Einschüchterungen, dem Ausreden jeglicher Stärken und Fähigkeiten sowie Vorhandensein von Schönheit und Ausstrahlung usw.
Die Mutter hat mir auch die Lebensaufgabe gegeben, die Konflikte in der Ursprungsfamilie auszugleichen, indem ich unter anderem eine Bilderbuchfamilie gründe. Mit mir sollten auf diese Art die Konflikte aufhören, deshalb war mir ein bestimmter Lebensweg vorbestimmt, dem ich dann folgen sollte. Ich bin aber einen ganz anderen Weg gegangen (dazu in einem anderen Beitrag mehr).
Jedenfalls, warum ich das alles erzähle, folgendes: Im Laufe der Zeit, besonders in den letzten Jahren, wurden die Spannungen und Konflikte mit meiner Mutter immer schlimmer. Sie wurde immer übergriffiger, verletzender, aggressiver. Es war irgendwann wirklich egal, wie ich mich verhielt, wie mein Gesichtsausdruck und meine Stimme waren, was ich sagte bzw. wie ich überhaupt zum Sprechen ansetzte. Auf Anraten von meiner Therapeutin und der Gruppe habe ich wiederholt den Kontakt minimiert. Nach ein, zwei Versuchen nochmal mit meiner Mutter in Ruhe zu reden und es wie oben beschrieben verlief, habe ich im April den Kontakt bis auf Weiteres minimiert und es auch dabei belassen. Es war wirklich so krass, dass eine der Gruppenteilnehmerinnen sagte: Du hast alles probiert, du kannst jetzt nichts mehr machen, außer davonlaufen, so schnell du kannst, bevor sie dich noch mehr fertig macht.
Um hier wieder auf den obigen Titel zurück zu kommen: Ich bemerke auf jeden Fall, dass mir der Abstand sehr gut tut; dass ich mal wieder zu mir und zur Ruhe komme; dass ich mal Luft holen und mich selbst besser kennen lernen kann. Ich habe aber immer wieder nachts Träume davon, dass ich zum Beispiel einen Wochenend-Trip unternehme und meine Mutter mir dabei auf die Pelle rückt usw.
Gerade in der vergangenen Nacht habe ich so einen Traum gehabt und meine Therapeutin ist nun zwei Wochen im Urlaub. Da muss ich also noch warten, bis ich ihr das erzählen kann. Mir brennt das aber so furchtbar auf der Seele und so habe ich hier mal alles ausführlich geschildert. So bekommt Ihr ja auch einen guten Gesamteindruck von mir und könnt mich in den ganzen Zusammenhängen besser nachvollziehen.
Wie seht Ihr das mit diesen Träumen, ist das ein Verarbeitungsprozess und hängt mit der Abnabelung zusammen? Spielen da auch Schuldgefühle mit hinein (denn meine Mutter ist Weltmeisterin darin, mir diese zu implantieren) ? Habt Ihr Erfahrungen mit diesem Thema und könnt mir etwas empfehlen?

Vielen Dank fürs Lesen und liebe Grüße,
Sakina

16.07.2022 19:10 • 20.07.2022 x 5 #1


26 Antworten ↓


Wow, toll, vielen Dank für das danke, das baut mich total auf gerade!

A


Träume von dominanter Mutter nach Kontaktminimierung

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Erstmal: Dein Name ist total schön.

Zu Deiner Mutter:

Auf keinen Fall solltest Du Schuldgefühle haben. Das weist Du letztendlich auch. Deine Mutter behandelt Dich mehr als unfair und ja, nehme Abstand von ihr, Du merkst ja, dass es Dir dabei besser geht.

Und ja, ich habe zu meiner Mutter auch ein sehr angespanntes Verhältnis, und nur mit Abstand lässt es sich aushalten. Und ich weiß auch, dass man ab und zu im Unterbewusstsein denkt, vielleicht ist man doch schuld aber welches Kind will nicht eine gesunde aBeziehung grad zur Mutter?

Nach meiner Erfahrung träumt man oft von Sachen, die einen beschäftigten, das muss aber nicht unbedingt negativ sein.

@Tänzerin82 das hat sich jetzt gerade überschnitten.

Ich wollte Dir nur kurz antworten, morgen mehr!
(will kochen)

Okay prima, danke schon mal, dann viel Spaß beim Kochen und guten Appetit!

Ganz kurz zum Träumen:

ich habe den Kontakt zu meiner Mutter/Erzeugerin vor 10 Jahren abgebrochen und erst Jahre später kamen vermehrt verstörende Alpträume mit ihr hoch . Da vor habe ich fast nie von ihr geträumt.
Diese veränderten sich mit den Jahren in harmlosere Träume und für mich waren und sind es Verarbeitungsträume.
Ich habe diese Träume aufgeschrieben und erst viel später einige Zusammenhänge begriffen. Es geht weniger in den Träumen um die konkrete Handlung sondern eher um das Grundgefühl/Thema. Handlungen können in Träumen völlig durcheinander sein. Bei mir ging es meist um Übergriffigkeiten usw.
Sie meldet sich zwar noch sporadisch aber ich kann damit besser umgehen. Also ein sehr langer innerer Prozess und bin immer noch in der Verarbeitung drin. Es kommen immer wieder mal neue Themen hoch ,die ich mir alleine anschaue.

Zitat von blue1979:
Ich habe diese Träume aufgeschrieben und erst viel später einige Zusammenhänge begriffen.

Das ist ja eine gute Idee! Danke!

Das kann ich mir auch gut vorstellen mit dem Aufschreiben. Dann kann ich es mir immer wieder durchlesen, es Revue passieren lassen, Dinge betrachten und nachvollziehen...

Zitat von Tänzerin82:
Wie seht Ihr das mit diesen Träumen, ist das ein Verarbeitungsprozess und hängt mit der Abnabelung zusammen? Spielen da auch Schuldgefühle mit hinein (denn meine Mutter ist Weltmeisterin darin, mir diese zu implantieren) ? Habt Ihr Erfahrungen mit diesem Thema und könnt mir etwas empfehlen?

In Träumen verarbeitet man generell Dinge, die einen im Leben beschäftigen. Das können positive und auch negative Dinge sein. Ich träume jede Nacht etwas, wo meine Mutter vorkommt. Sie ist vor 6,5 Jahren gestorben und sie war mein ein und alles und auch umgekehrt. Ich liebe diese Träume.

Zitat von Tänzerin82:
? Spielen da auch Schuldgefühle mit hinein


Natürlich und du darfst eines nicht vergessen, dass du mit Manipulation und Traumata aufgewachsen bist. Und ganz ehrlich, das macht keine psychisch stabilen Menschen aus uns. Und dann kannst du dir folgendes sagen: Wer als Verantwortlicher so mit dir umgegangen ist, der hat deine Liebe nicht verdient. Und noch weniger deine nicht enden wollende Verstrickung in negative Gefühle.

In den Träumen verarbeiten wir. Müsste man nicht, wenn man das Thema erledigen könnte. Dass das alles dauert, merkst du ja selbst.

Aber Schuld hattest du nie und normale Familien müssen sich da auch nie hinterfragen.
Ich habe auch ewig gebraucht, bis ich mich lösen konnte und heute denke ich, dass man sich einfach nur wünscht, geliebt zu werden, ohne diesen ganzen Affenzirkus drumrum.

Vielen lieben Dank für eure aufbauenden und so lieb zusprechenden Antworten!
Ich bin jetzt erstmal erleichtert, weil ich mir alles von der Seele geschrieben habe, hier im Austausch bin und wegen der Rückmeldungen. Ich lasse erstmal alles in Ruhe sacken und freue mich auf den weiteren Austausch mit euch.
Liebe Grüße

@Tänzerin82 Sackungsbeilage: Was einem Träume auf jeden Fall mitteilen, sind die jeweils akuten oder chronischen Stimmungslagen. Personen und Handlungsvorgänge sind nach meiner Erfahrung nicht relevant. Das sagen auch einige Traumforscher, soweit ich mich an die Lektüre erinnern kann.

Daraus schließe ich dann immer, worauf diese Stimmungslagen fußen. Also Ursache und mentale Wirkung. Im nächsten Schritt überlege ich mir, ob dieses Fazit bereits ausreicht. Denn somit hat der Traum bewirkt, dass Unterbewusstes eben bewusst wurde. Oft genügt das ja bereits.

Wenn ich jedoch über diese nun bewusste Stimmungslage sehr verwundert bin, ist es wohl angeraten, den Ursachen und meiner Wahrnehmung derselben nachzugehen.

Heute hat mir mein Freund erzählt, dass meine Mutter ihn gestern angerufen hat, weil sie mich momentan nicht erreichen kann. Meine Mutter hat meinem Freund mitgeteilt, dass bei meinem Stiefvater erneut Darmkrebs festgestellt wurde, nachdem er letztes Jahr schon mal eine Chemo bekommen hat und dass mein Stiefvater demnächst ins Krankenhaus muss. Sie wollte mich sogar in der Arbeit anrufen, aber davon hat mein Freund ihr abgeraten. Stattdessen hat mein Freund meiner Mutter empfohlen, mir einen Brief zu schreiben. Mir wiederum hat mein Freund dann empfohlen, den Brief in aller Ruhe zu lesen und in meinem Tempo, ggf. auch mit Pausen usw., zu überlegen, was ich antworte oder ob ich überhaupt etwas antworten will - ganz nach dem Sprichwort: In der Ruhe liegt die Kraft.
Nach Anrufen war mir überhaupt nicht und so habe ich meine Mutter und meinen Stiefvater auf WhatsApp kurz freigeschaltet, um Anteilnahme-Nachrichten zu verschicken.
Meine Mutter hat mich darum gebeten, WhatsApp offen zu lassen, um mir Nachrichten über die weitere Entwicklung zu schicken. Aus Erfahrung weiß ich bereits, dass dies eine Bombardierung seitens meiner Mutter bedeutet inklusive der Erwartung von Antworten, auch in meinem getakteten Arbeitsalltag und dass sie diesbezüglich alles bestimmen will. Deshalb habe ich erstmal geschrieben, dass wir ab und zu mal schreiben können und ich ab und zu mal WhatsApp aufmachen kann, aber bitte nicht andauernd schreiben. Dann habe ich meine Mutter und meinen Stiefvater wieder blockiert und so selbst die Strukturierung der Kommunikation oder auch Nicht-Kommunikation übernommen, anstatt dass die Mutter - wie früher - die Macht über mich hat. Wie ich das dann gestalte, kann ich dann nämlich immer noch sehen, mir ist sowieso nach Abstand.
Ich habe gleich gemerkt, wie sehr mich das alles aufregt. Ich habe direkt Herzrasen bekommen. Das Treffen mit meinem Freund mit abschließendem Getränk in unserem Lieblingslokal bei uns im Ort und hier jetzt die Ratespiele mit Tiernamen usw. sind eine gute Ablenkung. Ich habe aber sicherheitshalber und damit ich wirklich wieder entspannen kann, meine neurologischen Nerventropfen genommen. Inzwischen gibt der Kopf einigermaßen Ruhe, ich musste das einfach zusätzlich hier loswerden. Ich bin echt froh, dass ich das euch allen erzählen kann.
Schönen Abend und liebe Grüße

Ich finde, Du hast das echt gut gehandelt.

Und wenn etwas Dringendes ist, kann sie ja notfalls über Deinen Freund kommunizieren.

Sie muss halt lernen, dass Du kein kleines Kind mehr bist, das sie herumkommandieren kann.

Hoffe, Du hast eine ruhige kommende Woche

Apropos mein Stiefvater und Darmkrebs: Er hatte 1998 einen Darmverschluss, der 5 vor 12 notoperiert wurde. Danach hat er - mit Sicherheit entgegen des ärztlichen Rates - weiterhin viel zu viel Alk. getrunken und geraucht wie ein Schlot. Das kann ich ehrlich gesagt auch nicht verstehen, an seiner Stelle hätte ich Alk. und Nikotin gemieden wie der Teufel das Weihwasser. Das muss dann eben jeder für sich selbst wissen...

Zitat von Tänzerin82:
Meine Mutter hat mich darum gebeten, WhatsApp offen zu lassen, um mir Nachrichten über die weitere Entwicklung zu schicken.

Möchtest du denn die weitere Entwicklung überhaupt wissen?
Meine Mutter tickt ähnlich und ich habe nur den nötigsten Kontakt. Allerdings ist das echt schwer. Zumindest bin ich in kontaktfreien Zeiten innerlich ruhiger. Albträume hatte ich auch eine ganze Zeit lang immer wieder, immer dasselbe von Kindtagen, wie meine Eltern mich behandelt haben. Kenne das zu gut...

Nein, ich möchte die weitere Entwicklung nicht wissen und werde auch nicht erreichbar sein. Weil sie das kleinste positive Signal von mir so wertet, dass sie mich jederzeit mit Nachrichten bombardieren kann und ich dann sofort antworte. Ich belasse es bei der kurzen freundlichen Nachricht, die ich ja schon geschrieben habe und das war's. Es war so schön ruhig die ganze Zeit und so soll es auch bleiben.
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Von meinem Stiefvater brauche ich auch Abstand, es ist gerade so schön friedlich.

Oft liegt in der Distanz der Frieden...

Ich meinte unabhängig von deiner Mutter, ob du den weiteren Gesundheitszustand deines Stiefvaters überhaupt wissen willst. Wenn nicht, dann ist es ja tatsächlich völlig egal... Dann brauchst du ja keinen Kontakt. Anders wäre es vielleicht, wenn es dich interessiert, wie es ihm geht. Verstehst du was ich meine?

A


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Dr. Christina Wiesemann
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