Hallo easten,
sieben Jahre sind eine lange Zeit, wenn dein Körper die in Anspannung verbringt ist das nicht nur eine starke Belastung, sondern inzwischen wird dein ganzes körperliches System darauf geprägt sein, dass es irgendwo Stress und somit Grund zur Anspannung geben muss, selbst wenn gar nichts los ist. Deshalb wäre es schön, wenn du ihm Momente der Ruhe zeigen und genießen lassen könntest.
Ich habe, glücklicherweise weit zurückliegend, unter ähnlichen Symptomen gelitten wie du und viele andere hier. Hat auch so ca. 8 Jahre gedauert, mal mehr, mal weniger extrem, aber eigentlich nie wirklich entspannt. Heute merke ich davon nichts mehr, auch wenn ich niemals gedachte hätte, dass ich diese Todesängste und Missempfindungen jemals hinter mir lassen könnte.
Ich hatte ein paar Therapien, die sich allerdings nicht als wirklich hilfreich erwiesen. Und der Rat: Versuche dich abzulenken ...., entspricht entweder nicht meinem Typ oder kann nur von jemandem kommen, der diese Situationen der Todesängste in einem Anfall von Herzrasen, schwindenden Sinnen und tauben Extremitäten nicht selbst erlebt hat. Anfangs versuchte ich es zwar mit Laufen (das baut immerhin das Adrenalin ab) und kalt Duschen, aber das waren unbefriedigende Krücken.
Wichtig war mir möglichst unabhängig zu bleiben (wohinter vermutlich auch eine tiefe Furcht vor Abhängigkeit steckt). Ich habe in der Psychiatrie viele Angstpatienten getroffen, die sich nicht mehr alleine aus dem Haus trauten. Das wollte ich nicht. Im Gegenteil, mir war meine Panik vielmehr derart peinlich und unangenehm, dass möglichst niemand davon wissen sollte und ich es lieber mit mir allein austragen wollte.
Da es keine konkreten auslösenden Situationen für Panikattacken gab, meinte ich, dass ich wohl eine generelle Angst vor dem Sterben hätte. Also setzte ich mich ausführlich mit dem Thema auseinander. Irgendwo habe ich mal gehört: Wer Angst vor dem Sterben hat, der hat auch Angst vor dem Leben. Ich kann mich darin durchaus wieder erkennen. Außerdem stellte ich für mich fest, dass ich ein gr. Problem mit der Ungewissheit und dem Ausgeliefert sein hatte. Wir wissen nicht was kommen wird und können die vlt. uns wirklich wichtigen Dinge im Leben, wie Gesundheit, Liebe, Lebenslänge etc. nicht beeinflussen.
Ich stellte für mich fest, dass sowohl mein Urvertrauen (Loslassen und Geschehenlassen können) als auch mein Selbstvertrauen (mein Körper läuft rund in seinen Funktionen, ich kann etwas bewirken in der Welt und dafür sorgen, dass es mir gut geht ..), entweder nie gut ausgeprägt oder in der aktuellen Situation stark angeschlagen waren. Außerdem empfand ich eine mir extrem wichtige Frage unzureichend beantwortbar :Worin liegt eigentlich der Sinn meines Lebens?.
So habe ich viel Zeit darauf verwendet mich besser kennenzulernen, und vor allem darauf, für mich selbst der gute Freund zu werden, den ich in meinem Umfeld stets gesucht hatte. Nicht dass ich damit meine sozialen Kontakte entbehrlich gemacht hätte, nein, im Gegenteil. Aber eine ganz wesentliche Erkenntnis aus meiner Angstzeit ist, dass ich erstmal lernen musste, mich selbst anzunehmen und mir selbst zur Seite zu stehen und Mut zuzusprechen in dieser harten Zeit. Wie wenn ich einen besten Freund, einen Guru, eine Vatergestalt oder so neben mir hätte; immer absolut wohlwollen, ermunternd, tröstend. Diese Art der inneren Kommunikation habe ich bis heute beibehalten, wenn´s stressig wird
Zur praktischen Seite, des Mobilbleibens: Ich wollte ja unbedingt weiter unabhängig und mobil bleiben. Dabei machte ich die Erfahrung, dass es meine Angst mildert, wenn ich Beziehung zum meiner Umwelt herstelle. Mein Angstgedanke war: Ich sterbe hier einfach mal so weg, liege mit letzten Zuckungen da und alle steigen über mich weg oder treten noch drauf. Beziehung zu Mitmenschen stellte ich für mich her durch Ansprechen von Passanten; Fragen nach der Uhrzeit, dem Weg etc. . Keine langen Gespräche, wo´s wieder kribbelig werden könnte, sondern einfach ein kl. Selbstbeweis: Ich kann Verbindung herstellen.
Beim Einkaufen habe ich mich überwunden mein Ding durchzuziehen, an der Kasse anzustehen, auch wenn ich meinte dabei zu sterben oder an der Kasse vor Zittern nicht mehr zahlen zu können. Auch da habe ich versucht Verbindung herzustellen durch die Bitte an die Kassiererin mir behilflich zu sein. Sich das Geld selbst aus der Börse zu zählen, weil mein Gesichtsfeld sich einzuschränken drohte aufgrund eines Schwindelgefühls. Ich habe versucht, meine Angst wie ein alltägliche Behinderung zu handhaben (Kurzsichtigkeit, Gipsbein ....) bei der man ganz selbstverständlich um Hilfe bitten darf. Dabei habe ich nicht versucht anderen die Symptomatik meiner Angststörung zu verklickern, sonder einfach gesagt:Es geht mir gerade nicht so gut ....... Mir ist grad etwas schwindlig ..... ich habe meine Brille nicht dabei ..... könnten Sie bitte ..... Am Anfang ist es wirklich schwer gefallen, aber es hat nachhaltig geholfen, mich sicherer in der Gesellschaft zu bewegen. Und es hat vor allem auch geholfen diesen vielen: Was wäre wenn - Ängste abzubauen. Was, wenn ich auf einmal auf offener Straße einen Krampfanfall bekomme? Hm, kommt drauf an, wer gerade in der Nähe ist; schaun wir mal, dann seh´n wir´s schon.
Für den absoluten Notfall: Herz rast, Schwindel schränkt das Gesichtsfeld ein und ich allein im weiten Gelände oder auch mitten im Geschäft ....... für diesen Fall hat sich eine embryonale Hockstellung als sehr hilfreich erwiesen. Ich setze mich hin, auf dem Boden und schlinge die Arme um die angewinkelten Knie. So kann ich nicht mehr umfallen. Das Hämmern des Herzens, das mir die Brust zu zerreißen scheint, wird eingedämmt, die Brust durch die äußere Kompression geschützt. Die Position wirkt einer Hyperventilation entgegen, die die Angstsymptomatik noch verschlimmern könnte, wenn sie nicht gar Auslöser war. Ich kann ganz bei mir sein und mich durch mich selbst geschützt, in mir selbst geborgen fühlen. Und wenn der Anfall vorüber ist, gehe ich weiter ..... und wenn ein neuer kommt, mache ich es noch einmal so.
Jeder birgt seinen eigenen inneren Heiler in sich - pauschale Lösungen gibt es nicht
Traue dich, dir selbst zu vertrauen und guckst du wer da spricht.
16.08.2013 23:35 •
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