Servus Angstrabe,
auch verhältnismäßig kleine Mengen Alk. können zumindest bereits
missbraucht werden. Von Missbrauch spricht man immer dann, wenn man etwas konsumiert, um damit einen Effekt zu erzielen, der über den reinen (geschmacklichen) Trinkgenuss hinaus geht. Insofern behaupte ich, dass sehr viele Menschen, die regelmäßig oder ab und zu konsumieren, tatsächlich bereits Missbrauch betreiben. Das gilt übrigens auch für viele andere sogenannte Suchtmittel bzw. Tätigkeiten.
Sofern dieser Missbrauch nicht allzu regelmäßig stattfindet und man keine Probleme während des Nicht-Konsums hat, sehe ich darin kein Problem und das sollte auch jedem vergönnt sein.
In Kombination mit einer Angststörung sieht es etwas anders aus. Regelmäßiger Alk. kann einerseits zur Entwicklung von Ängsten beitragen aber andererseits ein schneller Helfer in Angstphasen sein. Hier entwickelt sich leicht ein verhängnisvoller Kreislauf, der irgendwann dann auch zur Gewöhnung (psychisch) und - meist nach deutlich längerer Zeit und höheren Dosen - zur körperlichen Abhängigkeit führen kann. Der Übergang von Missbrauch, Gewöhnung und Abhängigkeit ist also fließend und deshalb stets im Hinterkopf zu behalten.
Zitat von angstrabe: Nun habe ich bis vor etwa einer Woche täglich eine Flasche B. (manchmal allerdings auch mehr in der letzten Zeit) getrunken. Als ich im Internet las, dass man bei Depressionen gar keinen Alk. konsumieren soll, habe ich sofort damit aufgehört.
Das finde ich vernünftig. Depri, Ängste und Alk vertragen sich wirklich nicht gut.
Zitat von angstrabe: Leider habe ich nun Absetzprobleme: starke innere Unruhe, erhöhte Ängstlichkeit.
Der Begriff Absetzprobleme ist m. E. zutreffend. Mir ging es so wie Dir.
Zitat von angstrabe: Hat jemand Erfahrung damit, wie lange diese Beschwerden andauern (können)?
Meistens 2-3 Wochen. Das ist hier keine Entgiftung (dafür sind die konsumiertem Mengen zu gering), sondern eine
Entwöhnung. Hier geht es darum, dass die Neurotransmitter, die zur Beruhigung beitragen, nicht mehr vom Alk. unterstützt werden. Das ist eigentlich schon alles.
Zitat von angstrabe: Ich bin schon so verzweifelt, dass ich am liebsten ein B. trinken würde (Sucht?)
Das ist logisch, denn Du hast Dich bereits daran gewöhnt. Bei jeder
Entwöhnung kommt es zu psychischen Problemen - mal mehr, mal weniger. Je nach Suchtneigung des Betroffenen.
Zitat von angstrabe: Ist es ratsam/möglich, ein (!) B. zu trinken und danach ein paar Tage keins (= Selbstbetrug?)
Natürlich würde es temporär zur Beruhigung führen aber langfristig Deine Ängst verstärken. Du erkennst nämlich, dass Du ohne Stoff nicht mehr zurecht kommst und erlebst, dass Du dem Drang, zu trinken nicht widerstehen kannst. Das mindert das Selbstvertrauen und stärkt wiederum die unterbewusste Überzeugung, dass Trinken irgendwie unabwendbar wird. Eine sehr unschöne Phase, die ich insgesamt ca. 15 Jahre lang durchmachte.
Die Illusion des kontrollierten Trinkens ist weit verbreitet. Sobald Du Dir über sowas Gedanken machst, bist Du bereits nah an der Sucht.
Bei Interesse kannst Du mal einen Jellinek-Fragebogen im WWW ausfüllen. Sei aber ehrlich bei der Beantwortung - man bescheißt sich hier gerne selber...
Zitat von angstrabe: Wollte heute zum Treffen der Anonymen Alk. gehen, bin jedoch (noch?) dazu nicht in der Lage (Ängste!)
Die AA sind m. E. mit Vorsicht zu genießen. Sie haben traditionell einen äußerst religiösen Touch, den man mögen muss. Aber ich kenne einige Leute, die dort sehr zufrieden sind. Mir waren die Suchtambulanz der Caritas und parallel der Kreuzbund deutlich entgegenkommender. Außerdem wird dort wirklich therapeutisch
miteinander geredet, was ich insbesondere bei Ängsten und Depris als äußerst wichtige Komponente ansehe.
Zitat von angstrabe: Vielleicht hat hier jemand ein paar tröstende Worte und kann mich evtl. auch beruhigen.
Über das Thema Alk. und -sucht kannst Du u. U. sehr viel über Dich und Deine psychischen Probleme lernen. Aber es braucht Zeit und Hingabe - wie jede Therapie.
Guter Lesetipp für Einsteiger: Die Suchtfibel.