mein Name ist Mia, ich bin 26 Jahre alt und leide seit zehn Jahren an einer schweren Agoraphobie mit Panikattacken und einer generalisierten Angst, bezogen auf körperliche Symptome und meinen Gesundheitszustand.
Ich lese schon seit langer Zeit immer wieder in diesem Forum mit und bin sehr angetan. Hiermit würde ich gerne in den direkten Austausch gehen.
Ich habe mehrere Fragen.
Ich habe schon einen längeren Therapieweg hinter mir und hatte viel Pech, mit Therapeuten und einer Tagesklinik. Vor etwas über einem Jahr habe ich einen Therapeuten gefunden, der hier in Deutschland ein sehr renomierter Angsttherapeut ist und ich habe mich wortwörtlich in seine Obhut gekämpft, denn ich hatte die Wohnung lange nicht verlassen und dass ich es tat, um von ihm eine Chance zu bekommen veranlasste ihn, mir diese zu geben. Ich war überglücklich und hoch motiviert. Von Anfang an war klar, dass diese Therapie früher, oder später auch die Einnahme von Medikamenten beeinhalten würde.
Zunächst arbeiteten wir jedoch ein halbes Jahr zweimal wöchentlich und ich erhielt viele wertvolle Gedankenansätze. Dann sollte ich mit der Medikamenteneinnahme beginnen, was mir schwerer viel, als alles was ich bisher getan habe, denn ich hatte bereits zwei Versuche hinter mir, die die schiere Hölle waren, weil mein Körper jedes Mal so extrem darauf reagiert hatte.
Ich begann also, kurz bevor mein Therapeut in den Urlaub ging. Das war unklug. Nach fünf Tagen brach ich, auf anraten des Vertretungsarztes, der sich mit Angsterkrankungen nicht auskannte, wieder ab, weil ich die Nebenwirkungen nicht ertragen konnte. Ich brauchte lange Wochen, bis ich mich wieder traute, einen weiteren Versuch zu unternehmen und damit auch ein wenig Hoffnung verbinden konnte. Aber nach fünf Tagen begann die Hölle. Ich erlitt einen Kreislaufzusammenbruch, hatten 48 Stunden durchgängig Panik/Todesangst auf dem Level 10, Brechreiz, Empfindungsstörungen etc etc- was für mich wegen meiner übersteigerten körperlichen Wahrnehmung besonders schlimm war und war mir sicher, man müsste mich in die nächste Klinik bringen, ansonsten würde ich aus dem Fenster springen. Wirklich, ich habe schon vieles erlebt, aber DAS war die reine Hölle. Danach habe ich allen gesagt (meinem Mann, meiner Familie) nie wieder. Ich habe eine unheimliche Tablettenphobie entwickelt. Egal wie krank ich bin, oder wie stark die Schmerzen sind, ich kann keine Tabletten mehr nehmen. Meine Familie ist natürlich unheimlich enttäuscht und ich bin es auch.
Mein Therapeut ließ mir einige Wochen Zeit, dann begann er immer wehementer auf einen erneuten Versuch zu drängen. Nun kommt der Punkt, an dem ich euch um Rat und Eure Meinung bitten möchte. Er sagte, dass eine weitere Zusammenarbeit ohne Medikamente keinen Sinn machen würde. Ich sagte heißt dass, Sie werfen mich raus, wenn ich es nicht schaffe? Er: Nein, dass ist ein riesen Unterschied! Ich: Aber die Konsequenz ist die selbe. Denn eine Therapie, die der Therapeut für sinnlos hält macht keinen Sinn. Und tatsächlich- ich sollte erst wieder Termine bekommen, wenn ich das Medikament wieder angesetzt hätte.
An dieser Stelle folgte der schlimmste Einbruch in meiner Krankengeschichte, die es bisher gab. Ich wußte, ich kann die Erwartungen meines Therapeuten nicht erfüllen. Und ich fühlte mich schutzlos, war verzweifelt und hilflos. Ich habe nie gelernt, meine eigene Instanz zu sein und nun war meine wichtigste verloren. Es lief vereinfacht gesagt so ab. Die Angst kam schlimmer zurück, als sie es jemals gewesen war und ich dachte nur Dr. P. hat gesagt, dass Du ohne Medikamente nicht gesund werden kannst. Ich habe keine Chance gegen die Angst. Ich habe keinen Arzt mehr. Ich habe keine Begleitung. Ich gehe den falschen Weg. Ich hatte in der Therapie auch keine Strategien gelernt, die ich anwenden könnte, gegen die Angst, denn mein Therapeut hatte argumentiert, dass diese erst Sinn machen würden, wenn ich durch die Medis angstfrei wäre. Ich verstehe dies ja auch, aber jetzt wurde mir das ganze zum Verhängnis.
Ich litt in den letzten Wochen unter stundenlangen, schweren Angstzuständen. Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll. Ich habe meinen Therapeut um Hilfe gebeten, weil ich nicht mehr weiter wußte, aber ich bekam nur ein Termin, der fast 4 Wochen hin war und dann hatte ich eine starke Grippe und konnte ihn nicht wahrnehmen. Zu dem Zeitpunkt war ich schon über ein viertel Jahr ohne Termin. Als wir dann telefonierten, einen Tag, bevor er in den Urlaub ging, konnte er mir erst einen Termin Ende September anbieten, ZWEI MONATE HIN, bot aber an, falls Jemand absagen würde, mich anzurufen. Aber ich bin trotzdem so enttäuscht. Mir geht es so schlecht und ich bekomme keine Hilfe.
Alle finden die Methode nicht in Ordnung. Ich wurde mein Leben lang unter Druck gesetzt und nun haut mein Therapeut in die selbe Kerbe. Ich finde auch, dieser schlimme Absturz hätte nicht sein müssen. Seine eigene Diagnose war doch schwere Angst, wie kann er mich dann ohne Behandlung lassen? Als ich es in unserem letzten Telefonat ansprach folgender Dialog:
ich: Ich brauche Hilfe!
er: sie haben keine Folgetermine gemacht!
ich: Weil Sie gesagt haben, dass ich es erst machen soll, wenn ich die Medikamente nehme!
er: nehmen Sie die denn schon? (Eine blöde Frage, er wußte genau, dass ich das ohne Hilfe nicht schaffe)
ich: Nein!
er: Ich hatte Sie so verstanden, dass sie in die KLinik B.B. gehen und danach weiter in meine Behandlung!
ich: Ich habe wahnsinnige Angst vor einer Klinik. Ich habe mich angemeldet, aber die haben mindestens 3 Monate WARTEZEIT!
er: ich kann Ihnen Ende Septmeber.....
Das Thema Klinik hatten wir schon öfter. Seine Meinung war immer, dass es Situationen gibt, in denen es nicht anders geht, aber nach Möglichkeit immer eine ambulante Therapie vorziehen sollte, da in einer Klinik diese Käseglockenathmosphäre vorherrschen würde. Ich war darüber immer froh, weil ich vor einer Klinik wahnsinnige Angst hatte. Er hat mal definiert, unter welchen Umständen eine Klinik sein müsse, nämlich wenn man sich selbst nicht mehr versorgen kann, gefährdet ist, oder eben die ambulante Therapie nicht einhalten kann, weil man den Weg nicht mehr schafft. Aber ich bin immer gekommen, egal wie schlecht es mir ging. Ich habe um diese Therapie gekämpft. Ich hatte Hoffnungen, sie war meine einzige Hoffnung. Irgendwann begann mein Vater Druck zu machen. Es sei nicht in Ordnung, dass die Einstellung nicht in einer Klinik erfolge, denn es sei unverantwortlich mir dies zu Hause aufzubürden. Da schwenkte mein Therapeut auf einmal um und behauptete, die Meinung meines Vaters zu teilen. Aber da hoffte ich immer noch, das mit den Medis hinzubekommen.
Was denkt ihr darüber? Mein Mann, der meinem Therapeuten wie ich zu hundert Prozent vertraut hat und von seiner Kompetenz immer überzeugt war ist wütend und sagt, er würde seiner Verantwortung nicht nachkommen und hätte mich nie solange ohne Hilfe lassen sollen, oder mich an andere Hilfe überstellen müssen, wenn er nicht weiter käme. Ich bin hin und her gerissen. Ich hatte auch, bis auf das Telefonat keine Möglichkeit mit ihm darüber zu sprechen. Aber ich fühle Enttäuschung, eine sehr große. Und ich denke, er wird auch eher ablehnend reagieren und sich rechtfertigen, anstatt Fehler zuzugeben.
Nunja, ich werde es erst wissen, wenn ich das Gespräch hatte, Ende September
Dann habe ich noch eine Frage.
Kennt ihr das auch, dass man von der Angst nicht wieder runter kommt? Sondern erst, wenn man gegen Morgens erschöpft einschläft? Und würde es theoretisch helfen, einfach joggen zu gehen, dass das Adrenalin abgebaut wird? Ich bin immer wie erstarrt und konnte mich noch nie überwinden, es zu probieren.
Oh, bitte verzeiht mir, meinen langen Text (eine Zumutung) aber ich habe Niemanden, niemanden mit dem ich mich sonst austauschen könnte und ich bin am Ende. Ich wollte schon nicht mehr leben. Nicht, dass ich sterben wollte. Aber ich wollte einfach nicht mehr so leben, bzwe. hatte das Gefühl, es nicht mehr zu können.
Heute ist wieder so ein Tag, einer von den schlimmen. Gestern Abend hatte ich eine schlimme Attacke und am Tag danach möchte ich dann am liebsten gar nicht mehr aufstehen.
Danke, Danke an alle, die meinen Text lesen und danke, dass es euch gibt.
24.07.2011 14:05 • • 29.07.2011 #1