Zitat von miaflorentine:Wie soll man das als Laie nun beurteilen, ohne Fachkenntnisse oder entsprechende Kompetenzen?! Man hat ja keine andere Möglichkeit, als sich auf die Medien und Ärzte zu verlassen.
Ich habe eine Freundin, die seit einigen Monaten Proxetin (?) nimmt, keinerlei Nebenwirkungen hatte- außer Müdigkeit und jetzt seit Wochen angstfrei ist. Für sie hat ein völlig neues Leben begonnen. Dafür lohnt es sich ja eigentlich, einiges in Kauf zu nehmen. Andererseits habe ich schon genug Menschen getroffen, die all diese Medis zu Hauf einwerfen und dennoch in der Klinik sitzen. Wenn es sie nicht angstfrei macht, warum bekommen sie diese Medis dennoch in astronomischen Höhen?
Ja, als Laie ist es wirklich schwer. Das ist für mich ein weiterer Grund, sehr spezielle Medikamente wie eben Psychopharmaka nur vom Facharzt verschreiben zu lassen und den vorher mit Fragen zu löchern. Aber ein Restrisiko bleibt... Es ist schon so, dass SSRI und ähnliche ADs bei Angsterkrankungen und Depressionen erfahrungsgemäß helfen. Die verbreitete Erklärung ist falsch bzw. unzureichend, aber die Wirkung erwiesen. Nicht bewiesen ist, dass irgendjemand ADs aus hirnstoffwechseltechnischen Gründen nehmen
muss bzw. welcher Art diese Hirnstoffwechselvorgänge denn sein sollen. Ich nehme Trevilor und es hat mir sehr geholfen. Es ist keine Wunderpille, tut aber, was es soll: die Angst grundsätzlich abmildern, die negative Gedankenspirale durchbrechen, die Depressivität lindern. Nach den Einschleichwirkungen (Übelkeit! Matschbirne, Hitzewallungen...) vertrage ich es gut, habe keine weiteren Nebenwirkungen.
Zitat von miaflorentine:Das hat mich vor einem Jahr so unglaublich fertig gemacht: Ich war in einem anderen Angstforum angemeldet und wurde auf einmal damit konfrontiert, dass es auch Angstkranke gibt, die aufgegeben haben. Die sagen sie hätten alles versucht- aber nichts hätte geholfen. Das hat mich in ein schwarzes Loch der Hoffnungslosigkeit gerissen, als motivierte, kämpfende Angstkranke, die bisdahin der Überzeugung war, Angst wäre heilbar. Ich konnte an nichts anderes denken als Du hast es seit deiner Kindheit. Du bist so. Du gehörst zu denen, denen nichts helfen kann! Da sich dass auch mit meiner derzeitigen Erfahrung deckte, erschien mir dass auf einmal wie die traurige Erleuchtung. Auch in der Tagesklinik: An einem Tag haben wir noch Leute verabschiedet und mit den besten Wünschen in die Welt geschickt, zwei Tage später waren sie wieder da. Bis dahin hatte ich die naive Vorstellung: in der Klinik wird man gesund. Zumindest gesünder. Und die Medikamente nehmen die Angst.
Ich habe immer noch Angst, dass ich das alles durchstehe, mit den Medikamenten und dann dafür, dass ich merke: ich gehöre zu den Menschen, denen sie nicht helfen. Dann würde ich in völlige Panik ausbrechen. Denn so kann ich wenigstens denken: Wenn es gar nicht mehr geht, dann musst Du eben Medis nehmen.
Christina und Crazy (und gern alle anderen, falls noch Jemand mitließt) Was meint ihr: Ist Angst heilbar? Haben sich die Leute, die sich damit abfinden vorschnell aufgegeben, oder gibt es die schweren Fälle, denen nicht zu helfen ist? Wenn ja- könnten die nict einfach Benzos nehmen, weil eine Abhängogkeit das kleinere Übel ist, zumindest theoretisch? Wenn nein- wie kann es sein, dass es ihnen trotz vieler KLinikaufenthalte und Medis nicht besser geht?
Das Bild, das Foren bieten, ist niemals repräsentativ. Dort sind mehrheitlich frisch Erkrankte unterwegs oder eben die schweren Fälle. Die Mehrheit der Geheilten schließt mit diesem Kapitel ab und wendet sich wieder dem normalen Leben zu. Lass dir von Forenberichten möglichst keine Angst machen. Das ist wie mit den Medikamenten: Darüber schreiben auch fast nur diejenigen, die besonders schlechte Erfahrungen gemacht haben, und schon meint man als Außenstehender, dass die Nebenwirkung, die eigentlich nur bei 0,01 % auftritt, die Regel wäre.
Und ja, Angst ist i.d.R. heilbar. Vielleicht wird da immer ein Schwachpunkt bleiben, vielleicht kommt es zu Rückfällen, aber ganz grundsätzlich ist die Sache heilbar und ich kenne auch einige Geheilte. Wenn seit der Kindheit Ängste bestehen, ist es sicher schwieriger, man muss überlegen, ob vielleicht eine Persönlichkeitsstörung mit rein spielt, an der natürlich nicht vorbeitherapiert werden sollte. Auch zusätzliche Depressionen machen es nicht leichter, weil da u.U. der Antrieb fehlt, überhaupt irgendwas zu machen. Dann braucht man gute Therapeuten, die nicht nur 08/15 kennen. Und das kann eben ein Problem werden, das einen ganzen Rattenschwanz von Folgeproblemen hinter sich her zieht. Eine fehlgeschlagene Therapie verzögert ja nicht nur die Heilung, sie verschlimmert i.d.R. das Problem, es werden Weichen falsch gestellt und Hoffungen (eine wichtige Therapievoraussetzung) zunichte gemacht. Mein Eindruck - aus meiner Kenntnis von Misserfolgsberichten - ist außerdem, dass man sehr genau hinterfragen muss, was denn alles unternommen wurde, wie lange das jeweils ausprobiert wurde und woran/unter welchen Umständen die Maßnahme gescheitert ist. Dazu muss man die Diagnosen kennen und einschätzen können. Auch nichts für Laien!
Wenn nichts hilft, halte ich eine Benzodiazepinabhängigkeit übrigens für das kleinere Übel. Es gibt auch genug Menschen, die Benzos über Jahre nehmen können, ohne die Dosis steigern zu müssen. Und abgesehen vom Abhängigkeitspotential sind Benzos nicht nur die verträglichsten Psychopharmaka, sondern so ziemlich die verträglichsten Medikamente überhaupt.
Zitat von miaflorentine:Zitat:Nein, ich hatte GsD relativ wenig sehr körperlich empfundene Ängste. Wobei ich es auch nicht so weit kommen lasse, mich stundenlang mit Ängsten zu quälen. Da nehme ich lieber früher als später ein Benzodiazepin (was mir auch ärztlicherseits als sinnvoll bestätigt wurde).
Warum, um den Körper nicht so zu belasten?
Nein, damit sich die Angst nicht so ins Hirn einbrennt. Deswegen bedaure ich es, nicht früher mit Trevilor angefangen zu haben. Es gibt ein paar Angst- und Depressionserlebnisse, zu denen es dann wahrscheinlich gar nicht gekommen wäre, die jetzt aber einen festen Platz in meinen Katastrophenszenarien haben. Um meine körperliche Belastbarkeit mache ich mir da keine Gedanken, habe eh relativ niedrigen Blutdruck...
Zitat von miaflorentine:Nun ja, mal kann man dass ja auch machen, aber wenn ich täglich Angstzustände habe, kann ich die nicht täglich einwerfen. Ich weiß aus sicherer Quelle, dass der Entzug schlimmer ist, als der von Dro.. Mir kommen die soooo mächtig vor. Und die docken an irgendwelchen Gabba Rezeptoren an, die machen was an meinem Gehirn Ich weiß nicht, ob das irgendjemand nachvollziehen kann, aber ich hab auch Angst, dass wenn ich erst mal einknicke und es selbst nicht mehr aushalte und deswegen zu diesen Benzos greife, es mir noch viel schwerer fällt, es dann ohne zu ertragen.
Der Entzug ist anders und - wegen möglicher Krampfanfälle - gefährlicher als der von Dro.. Benzos dürfen deshalb wie Alk. niemals kalt entzogen werden. Aber schlimmer kann man nicht sagen, weil man das sowieso nicht vergleichen oder messen kann. Überhaupt: Normal ist das Ausschleichen nach einer längerfristigen Behandlung, wenn Benzos tatsächlich längerfristig täglich genommen wurden. Abhängigkeit ist nicht die Regel! Dann kommt es darauf an, in welcher Dosis man welches Benzo genommen hat usw.
Alprazolam ist übrigens das Benzo, das sogar eine Indikation für eine längerfristige Einnahme hat (m.W. drei Monate). Finde ich persönlich zwar nicht angebracht, aber nur so als Info... Ob deine Angst berechtigt ist, nach der Einnahme eines Benzos gar nicht mehr ohne zu können, kannst natürlich nur du beurteilen. Die meisten Angstpatienten sind aber solche Kontrollfreaks, dass sie derlei Versuchungen eher nicht nachgeben. Und meine Erfahrung ist, dass Ängste weniger schlimm werden bzw. seltener auftreten, wenn ich weiß, dass ich ja etwas dagegen tun kann. Bei vielen wirken Benzos ausschließlich dadurch, dass man sie in der Tasche dabei hat für den Fall der Fälle. Anders als bei der Geburt brauchst du ja auch nicht auf das Narkoseteam zu warten, sondern entscheidest selbst.
Zitat von miaflorentine:Ich habe das Gefühl, mir schon die erste Frage nicht beantworten zu können. NEIN, ich will so nicht mehr weiter leben. JA, ich will die Angst loswerden. Aber ich habe keine Vorstellungskraft von dem, was dann kommt. Und ich muss ehrlicherweise zu geben, dass ich einen großen sekundären Krankheitswert habe. Andererseits droht mein Mann mich zu verlassen und kann ich nicht die Mutter sein, die ich möchte, lebe ich isulliert, ohne viel Freude. Wenn alles einem Angst macht, ist es schwer diesen Willen zu entwickeln, obwohl der Leidensdruck groß ist. Hat vielleicht auch etwas mit Kraft zu tun, die man nicht hat.
Oder mit Depressionen (= nicht wollen können)... Wenn du Krankheitsgewinne erkennen kannst, lohnt es sich, sich damit zu beschäfitigen. Der Begriff des Kranheitsgewinns ist immer so unglücklich, weil man damit gerne assoziiert, dass Kranke es sich auf Kosten ihrer Umgebung bequem machen. Aber das ist ja nicht so, sondern es sind Dinge, die man auf gesundem Wege nicht erreichen kann. Da muss man schauen, welche Bedürfnisse (Sicherheit, Anerkennung, Fürsorge z.B.) oder welche Ängste (vor Konflikten, Selbstbehauptung etc.) dahinter stecken und wie man denen auf gesunde Weise gerecht werden kann.
Zitat von miaflorentine:Zitat:2. Vorbereitung: Infos über die physiologischen Vorgänge bei Angst sammeln und verstehen, sich klar machen, dass die Sache ungefährlich ist und dass Tod und Wahnsinn am Gipfel der Angst nur Phantasieprodukte sind.
Ich weiß ja, warum jedes einzelne Symptom da ist etc. etc. Was soll ich sagen, wenn die Angst kommt hilft es mir nicht. In gewissen Situationen ist es leichter, denn ich weiß ja: ich kann sie verlassen. Aber zu Hause? Zu Hause kann ich nicht davon laufen.
In der Angstsituation hilft das wirklich nicht viel, ist aber notwendig, um die Entscheidung zur Konfrontation zu treffen.
Zitat von miaflorentine:Zitat:3. Bei der Konfrontation wird die Angst voraussichtlich nicht nur einen Peak erreichen, sondern ein Plateau, und das muss man irgendwie überstehen. Wenn man darauf nicht vorbereitet ist, können sich die Katastrophengedanken verselbständigen, so dass man das Angstplateau damit aufrecht erhält. Selbst wenn man dann die Konfrontation nicht abbricht, wird sie eher zur Verschlechterung als zur Verbesserung beitragen. Es gibt verschiedene Tricks, dieses Plateau zu überstehen, ohne sich abzulenken und ohne in Katastrophengedanken zu geraten: Umgebungscheck, Realitätscheck, Körpercheck, Bauchatmung, Bewegung, evtl. 10-Sekunden-Regel... Das sollte man alles vorher mal geübt haben. Und: Das sind keine Tricks, die Angst wegzukriegen, sondern Dinge, die helfen sollen, die Angst auszuhalten ohne sich (übermäßig) ausgeliefert zu fühlen.
Kannst Du mir diese Dinge erklären? Oder sollte ich das lieber nicht ohne Fachmann einüben?
Kann ich machen, muss dich dafür aber um ein wenig Geduld bitten.
Zitat von miaflorentine:Zitat:4. Entschlossenheit, sich der Angst zu stellen. Also keine Haltung, hoffentlich überleb' ich das oder hoffentlich wird die Angst nicht so schlimm etc., sondern der Willen, Angst zu haben, notfalls zu provozieren. Man muss den inneren Rubicon überschreiten und bereit sein, die Konsequenzen zu tragen.
Die habe ich nur, bis die Angst wieder stark wird. Dann knicke ich ein, wie ein Streichholz. Diese Panik ist so abartig schrecklich.
Deshalb haben deine Übungen wohl nicht so viel gebracht...
Zitat von miaflorentine:Nein, das schlimmste beim Magnesium kann sein, dass ich sie einwerfe und Pnaik bekomme.
Und Pulver?
Zitat von miaflorentine:Zitat:Übrigens nehmen Ärzte selbst am liebsten entweder Diazepam oder Bromazepam...
Warum nehmen die Ärzte diese Medis am liebsten? Valium Och ne, lieber nicht.
Wahrscheinlich, weil sie am verträglichsten und trotzdem hochwirksam sind. Was spricht gegen Valium (außer der langen Halbwertzeit und dass es bei häufiger Einnahme daher ungünstig ist)? Das wirkt immerhin sehr schnell und ist eigentlich
das Standardbenzo.
Zitat von miaflorentine:Könntest Du vielleicht zusammen fassen
Zitat von miaflorentine:In der Stillzeit war ich völlig beschwerdefrei. Kann sich das irgendjemand erklären? Keine Psychosomatik, keine Angst! Ob das wohl die Hormone waren?
Wieso nicht? Andere kriegen 'ne postpartale Depression, du bist beschwerdefrei... Hättest es machen sollen wie die Frau von Jürgen Drews... Und vielleicht hatten sich einfach die Prioritäten verschoben. Aber du siehst: Es geht offensichtlich auch bei dir ohne Angst.
Liebe Grüße
Christina
28.07.2011 14:32 •
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