Bevor ich weit aushole, möchte ich kurz erklären, warum ich ausgerechnet jetzt einen Beitrag schreibe. Heute morgen blickte ich in mein E-Mail-Fach und musste erstmal schlucken. Eine Mail vom Jobcenter. Mein Puls ging wie üblich durch die Decke und mein Magen stand kopf. Nach einer Ausbildung und einer Umschulung wegen einer Opticus Atrophy befinde ich mich mehr oder weniger auf Arbeitssuche. Mit meinen inzwischen 38 Jahren (keine Ahnung wo die Jahre herkommen, ich bin gefühlt erst 18) zähle ich also schon zum Kreis der Langzeitarbeitslosen. Ich sehe also die Mail und bekomme Panik. Die Nachricht wies mich auf einen neuen Termin hin. So weit so gut. Ich weiß schon jetzt, dass ich bis zum Termin kein Auge mehr zubekommen werde. Also male ich mir jetzt schon aus, wie mitleidsvoll mich die (neue) Bearbeiterin ansehen wird. Da sitz ich mit meinem traurigen, verschlafenen Augen mit dunklen Ringen, diesem ungepflegten Zottelbart (da gibts nix zum pflegen) und den langen fettigen Loten (meiner Erfahrung nach sind Frisösen sehr extrovertiert, bringen immer ihren eigenen Schnitt ein und zu dem noch teuer). Ich wurde schonmal als Jesus angesprochen, wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Ich habe mich schon immer davor gefürchtet in einer fremden Umgebung mit fremden Menschen über mich zu sprechen oder gar über meine Vorstellungen bezüglich meiner Zukunft. Ich habe spätestens mit 18 mein Vertrauen in die Zukunft verloren, als ich erfuhr, dass ich aufgrund der Opticus Atrophy keinen Führerschein machen kann. Im übrigen ist dies eine Entwicklungsstörung des Sehnervs. Ich sehe also schlecht und eine Brille kann dies nicht ausgleichen. Auch wenn das nicht im Fokus meines Berichts stehen soll, so kann man sich denken, dass es sozial nicht gerade förderlich ist, Leute nicht zu erkennen, vor allem, wenn der aus der Ferne Gegrüßte nicht du, sondern jemand hinter dir ist, du aber bereits deine Mimikmaske aufgesetzt hast mit dem falschen breiten Grinsen und du dir schon kleine Satzfetzen zusammenstellst, die immer passen, insofern es sich nicht um eine existenzielle Bedrohung handelt, wie zb. der Vermieter, Ausbilder oder sonstwer, der dir den Kopf waschen oder dich finanziell trocken pumpt. Als ich noch in einer größeren Stadt lebte, kam dies häufiger vor. Inzwischen hat mich mein gesunder Selbsterhaltungstrieb aufs Land geführt. Diese Fluchtreaktionen haben mich schon viele Male aus guten Behausung getrieben. Es war für mich unerträglich mich mit der Hausverwaltung auseinander zu setzen oder gar jemanden in die Wohnung zu lassen, um den Heizungzähler abzulesen. So lebte ich einige Jahre als Untermieter bei einem Künstler, der es mit der Hausordnung nicht zu genau nahm und der auch sonst keine Ansprüche an mich als Mieter hatte. Willst du ein Loch in die Wand bohren, um ein Bild anzubringen, dann tust du es einfach und verschwendest nicht Tage damit darüber nachzudenken, ob das Bild den Stress überhaupt wert ist und wie, falls du dich dafür entscheidest, du das Loch behandelst, wenn du mal ausziehst. Ich denke, es gibt Vermieter, die soetwas ohnehin nicht gerne sehen. Solche Behausungen werden leider immer seltener in den Städten und selbst wenn, umgibt einem immer noch der Lärm und die Hecktik der Stadt. Auf dem Land jedoch, ist alles anders. Hier könnte ich mit Unterhose aus dem Haus gehen und es würde kaum einen jucken. Ich kann Dinge bauen wie einen Handkarren, einfach, weil ich schon immer einen Bauen wollte, oder ich setze mich abends raus und mache ein Lagerfeuer. Die paar Einwohner in meinem Dorf sind übersichtlich, nicht mit jedem versteht man sich und die wenigsten bekommen die Chance in einem Gespräch mehr von mir zu erfahren. In der Regel halte ich die Gespräche sehr kurz, und wenn ein Tier wie ein Hund oder eine Katze anwesend ist, so fällt mein Fokus sowie das Thema des Gespräches ohnehin auf dieses. Das ist auch so ein Ding, warum das Land mir so gut tut. Viele werden es kennen, Tiere sind ein Ruhepol. Einem Tier ist es egal, wie du aussiehst, wie du sprichst oder dich gibst. Bei Tieren kann man sein, wie man ist. Auf dem Land gibt es zum glück noch viele Tierhalter. Mal von Katzen und Hunden abgesehen trifft man Schafe, Ziegen, Rinder, Eidechsen, Mäuse, Igel, Hühner und Füchse. die Liste ist endlos. Und doch nach all dieser positiven Dingen, reicht eine E-Mail vom Amt, um mich komplett kirre zu machen. Ich weiß, dass meine Ängste nicht weniger geworden sind, seitdem ich auf dem Land lebe, aber es gibt hier einfach weniger Triggerpunkte, die mich ängstigen oder gar in Deppression stürzen. Ich glaube nicht, dass ich gestört, krank oder abnorm bin und ich möchte auch nicht mit der Nummer kommen, dass die Gesellschaft an allem schuld wäre. Ich denke, alles, was mich geprägt hat, jeder Mensch, der sich an meiner psyche vergangen hat, indem er seine vermeintlich bessere Erziehung an mir ausprobiert hat, ist schuld daran, dass ich nicht konform bin. Mag sein, dass sich die Norm an den Verhaltensmustern der Masse orientiert und solche Anomalien wie ich, dort nicht hineinpassen, aber bin ich deswegen gleich krank? Seit Menschengedenken passt sich der Mensch an seine Umgebung an. Das ist wesentlich einfacher, als jedesmal die Koffer zu packen, um einen Ort zu finden, der besser geeignet wäre, aber es gab auch solche Gruppen von Menschen, die sich auf die Socken gemacht haben und den Weg für alle anderen ebneten. Heute ist alles Land erschlossen, es gibt nichts, dass nicht schon jemanden gehört. Es gibt ein System in das man hineingeboren wird, ob man will oder nicht. Man ist praktisch mit seiner Geburt pferpflichtet worden. Wo wir also in Urzeiten unsere Beine in die Hand nahmen, um dem Unwohlsein zu entgehen, wird man heute unter Dro. gesetzt, man wird SEDIERT und durch mandraartige Wiederholungen umprogrammiert. Das kann natürlich jeder handhaben, wie er mag und wenn es demjenigen hilft, ist das gut. Ich jedoch leide diesbezüglich unter einer starken Abneigung, die ich hier nicht weiter ausführen möchte.
Nun, komme ich auf den länst überfälligen Punkt: Da ich eine Abneigung gegenüber dem Titel Krank hege, weigere ich mich natürlich mir helfen zu lassen. Meine Angst davor meine Safe Zone zu verlassen, spielt dabei auch eine Rolle. Jetzt ist nur die Frage, wie gehe ich bezüglich Jobcenter um und wie geht das Jobcenter mit mir um? Ich war mir manchmal gar nicht mehr sicher, ob es mir schlecht geht, oder ob ich einfach nur nicht arbeiten möchte. Inzwischen weiß ich, dass es nicht die Arbeit oder der Gedanke daran ist, das mich krank macht, sondern der Umgang mit anderen Menschen bzw. der Druck und die Anspannung, die sich in mir ausbreitet, weil Arbeit in der Regel durch mehr als eine Person ausgeführt wird. Ich meine, sobald mir jemand über die Schulter blickt, säge ich mir in den Daumen, werde unsicher und frage mich, ob das überhaupt richtig ist, was ich da mache. Wie soll man das einer Beraterin vom Jobcenter erklären, ohne das man das als Ausrede interpretiert? Wie könnte ich das überhaupt erklären, wo ich doch gar kein klaren Gedanken fassen kann, wenn ich einer Person gegenüberstehe. Alles, was aus meinem Mund kommt, sind Satzfetzen, deren Geheimnis sich dem offenbaren, der den Dechiffrierungs-Code kennt. Wie soll man jemanden da noch für voll nehmen? Ich meine, selbst ich würde mich für dumm halten, wenn mir einer die Dinge so erklären würde, wie ich es tue. Ich habe bis jetzt jeden Termin mehr oder weniger überstanden und doch ist es immer wieder erschreckend meinen Körper dabei zu beobachten, wie er die Fassung verliert, sich wie ein Fötus auf dem Boden zusammenkauert und totstellt oder die Muskeln anspannt, den Darm entspannt, um sich auf die Flucht vorzubereiten. Und genau das ist, was mich am Ende psychisch und physisch auszehrt. Obwohl der Mensch das gefürchtetste Tier unter den Tieren ist, ist es auch das, dass am meisten fürchtet. Das ist so ironisch.
Wie ich die Welt sehe, ist naütrlich mein ganz eigenes Ding und ich hoffe, niemanden fühlt sich davon auf den Schlipps getreten. Wie seht ihr das, die ihr vielleicht ähnliche Gedanken oder Situationen durchlebt habt? Wie seid ihr mit dem Jobcenter verfahren? Was glaubt ihr? Seid ihr krank oder nur falsch angepasst? Wer bishierher gelesen hat, glückwunsch, du hast starke Nerven. Für Rechtschreib- und Grammatikfehler gebe ich meiner Tastatur und diversem immerkrankem Lehrpersonal die Schuld;)
Freud mich hier zu sein und mit euch zusammen über Gott und die Welt reden zu können.
LG. Lokuspokus
25.09.2024 15:03 • • 28.09.2024 x 2 #1