Körperliche Symptome – Warum fühlt sich Angst so körperlich an?
Du sitzt da, völlig harmlos, vielleicht vorm Fernseher oder im Supermarkt. Und plötzlich passiert’s: Zittern in den Beinen, dein Herz galoppiert wie auf Dro., Schweiß bricht aus, dir wird schwindelig – als würdest du gleich umkippen. Du hast vielleicht noch nicht mal gedacht, dass du Angst hast. Aber dein Körper? Der macht Alarm.
Und als wär das nicht schon absurd genug, kommen dann die ganz besonderen Bonbons: Juckreiz am ganzen Körper, plötzlich Ausschlag ohne Grund, Globusgefühl im Hals – als würde da was stecken bleiben, obwohl da nix ist. Deine Haut brennt, als wär sie allergisch auf die Existenz selbst. Schmerzen wandern durch den Körper wie Backpacker auf Sinnsuche. Alles fühlt sich komisch an, du fühlst dich komisch – und das macht dir noch mehr Angst.
Aber warum zur Hölle fühlt sich Angst überhaupt so körperlich an?
Weil sie genau das ist: ein körperlicher Ausnahmezustand.
Angst entsteht nicht im Kopfkino, sondern tief im Nervensystem. Genauer gesagt: im limbischen System, wo die Amygdala – dein inneres Alarmsystem – entscheidet, ob du in Sicherheit bist oder nicht. Und wenn die auf „GEFAHR!“ schaltet, knallt sie deinen Sympathikus an wie ’ne Sirene. Heißt: Kampf oder Flucht. Dein Körper wird in Sekundenbruchteilen bereitgemacht für Überleben. Nicht für Denken, nicht für Ruhe – sondern für Rennen oder Reinschlagen.
Und genau diese Aktivierung produziert den ganzen Mist:
Ein paar Beispiele von mir und die Erklärungen dazu:
Herzrasen, Zittern, Schwitzen: Klar, du musst ja angeblich gleich kämpfen oder abhauen.
Kribbeln, Taubheitsgefühle, Muskelzuckungen: Blut wird umverteilt, Nerven feuern wild, Muskulatur unter Dauerstrom.
Schwindel, Brain Fog: Sauerstoff geht in die Muskeln, nicht in den Kopf. Fokus wird eng, Orientierung wackelt.
Magenschmerzen, Übelkeit, Blähbauch: Verdauung? Wird einfach mal runtergefahren. Braucht man ja nicht beim Fliehen.
Globusgefühl, Räuspern, Husten, Enge in Brust oder Hals: Muskeln spannen sich an, Atem wird flach, Körper blockiert buchstäblich alles, was „zart“ ist.
Juckreiz, Ausschläge, brennende Haut: Stress feuert Histamin und Cortisol in den Körper – wie bei einer Allergie auf das Leben selbst.
Wandernde Schmerzen: Stresshormone bringen das Schmerzempfinden völlig durcheinander. Heute der Nacken, morgen die Blase, übermorgen dein rechter Zeh – völlig willkürlich, aber total real.
Und das sind nur ein paar wenige Beispiele. Psychosomatik kennt nahezu keine Grenzen.
Es gibt zb Menschen die jahrelang im Rollstuhl sitzen weil sie ihre Beine nicht mehr richtig spüren. OHNE MEDIZINISCHEN GRUND. Nach langer und passender Therapie können diese wieder laufen.
Es gibt einem Blog von einem Sebastian (nachname vergessen) der durch seine Angststörung sämtliche Haare am Körper verloren hatte usw usw.
Das Gemeine ist: Du kannst diese Symptome nicht einfach „wegrationalisieren“.
Weil dein Nervensystem nicht auf Logik hört – sondern auf Muster. Wenn dein System irgendwann gelernt hat: „Daueranspannung ist normal“, dann fährt es diesen Modus auch weiter, wenn du längst denkst, du wärst okay. Heißt: Du kannst Angst nicht denken, du musst sie regulieren. Im Körper. In der Tiefe. Mit Erfahrung, nicht mit Argumenten.
Und ja – das ist ätzend. Und ungerecht. Weil du dich fühlst wie ein Hypochonder deluxe, während dein Körper völlig ausrastet. Und Ärzte dich vielleicht sogar belächeln.
Aber hier kommt der entscheidende Punkt:
Das Ganze ist psychosomatisch – ja.
Aber psychosomatisch heißt NICHT: „Du bildest dir das ein.“
Es heißt: Dein Körper reagiert real auf psychischen oder emotionalen Stress. Die Symptome sind echt – das Herz rast wirklich, der Hals schnürt sich wirklich zu, der Juckreiz ist da, der Schmerz auch. Nur: Sie kommen nicht, weil ein Organ kaputt ist. Sondern weil dein Nervensystem im Alarmzustand ist. Dauerfeuer im Stresssystem. Biochemie komplett aus dem Ruder.
Psychosomatisch bedeutet nicht „eingebildet“.
Es bedeutet: Dein Körper schreit, weil er nicht mehr weiß, dass du in Sicherheit bist.
Angst ist kein Gefühl. Angst ist ein Zustand.
Und wenn du drinsteckst, schreit dein ganzer Körper „Ich will hier raus!“,
auch wenn du rational weißt: Es ist nichts.
Aber das Wissen hilft erst, wenn der Körper es auch glaubt.
Und das braucht Zeit. Und Sicherheit. Und die Entscheidung, dass du deinem System neu beibringst: Ich bin in Sicherheit. Jetzt. Nicht irgendwann. Jetzt.
Und wie kommt man da wieder raus?
Nicht über Nacht. Nicht mit einem „positiven Mindset“. Sondern mit echten, körperlich spürbaren Gegenimpulsen: Sicherheit, Entlastung, Erdung. Dinge, die dein System fühlen kann, nicht nur verstehen. Kein Hochleistungs-Atmen oder „noch mehr tun“ – sondern runter vom Gas. Raus aus dem inneren Krieg. Wieder spüren, dass da ein Körper ist, der nicht ständig explodiert.
Wie das konkret aussehen kann – auch im Alltag, wenn gerade alles zu viel ist – dazu findest du hier im Thema viele Tipps, Erfahrungen und Strategien. Nicht aus Lehrbüchern, vielleicht auch nicht perfekt aufgearbeitet, aber sie kommen aus meinen Erfahrungen. Lies dich rein, nimm mit, was für dich passt, und lass den Rest liegen.
Heute 18:29 •
x 6 #42