Hallo,
ich habe einen etwas anderen Blickwinkel auf das Sterben - allerdings macht auch mir nach wie vor einiges ziemlich zu schaffen.
Ich habe eine Art Nahtoderfahrung hinter mir, ich habe meinen Körper nicht verlassen, aber weiss, wie ruhig man wird wenn es zuende geht.
Wer speziell davor Angst hat, liest bitte nicht weiter.
Ich bin chronisch krank und habe infolge einer OP mit knapp 20 eine fulminante Lungenembolie gehabt. Ich bin fast daran gestorben und konnte sehen, was das mit meinem Umfeld, meiner Familie und auch mir selbst macht.
Ich bin von Ärzten ziemlich alleingelassen worden, war nach der OP schon lange wieder zu Hause, als ich Atemnot, einen ganz komischen Husten und das Herzrasen bekam. Habe selbst im Internet geforscht was das sein kann - und dachte mir: du hast doch keine Lungenembolie, du spinnst doch.
Ich habe eine Nacht damit geschlafen und als ich am nächsten Tag zwischendurch mal allein da saß, habe ich in den Himmel geguckt und irgendwas ist passiert, ich bin ganz ruhig geworden und ich habe mir gedacht, dass es nicht schlimm wäre wenn ich sterbe, mein Opa wäre schon dort und ich bin dann ja nicht allein... daraufhin habe ich es aber mit der Angst zutun gekriegt und wurde auch schnell ins Krankenhaus gefahren.
Dort ging es erstmal ganz behäbig los - alle Untersuchungen im Grenzbereich, 170 Puls, aber sonst waren die Blutwerte nicht eindeutig.
Als sie mich aber am nächsten Tag ins CT geschoben haben, ging alles dann furchtbar schnell - dort haben sie nämlich gesehen dass die Lunge beidseitig fast dicht war und das Ganze wurde dann sehr schnell und relativ riskant behandelt (u.a. mit Risiko des inneren Verblutens) weil es so schnell gehen musste.
Die haben an dem Tag meine Eltern angerufen und gesagt, dass sie jetzt nichts mehr für mich tun können und dass sie bitte kommen sollen (woraufhin die beinahe ausgerastet sind).
Und mir z.B. gesagt dass ich hier nur noch liege weil ich so jung bin und mein Herz noch so stark ist.
Mein Freund hat seine Eltern angerufen und am Telefon nur geweint ohne viel zu sagen.
Und ich lag in meinem Intensiv-Bett und habe gefasst auf das gewartet was kommt weil ich schon soweit war dass ich alles angenommen habe was da kam und habe alle beruhigend angelächelt.
Ich habe das alles geschafft, aber auch viele Dinge gesehen, die ich nicht sehen wollte.
Ich war ca. 2 Monate in verschiedenen Krankenhäusern und habe sehr viele Bilder, Momente, Situationen gesehen und seither im Gepäck, die mich belasten.
Zwei Monate nachdem ich aus dem Krankenhaus raus bin, hat bei mir die Panik angefangen.
Ich hatte ein ziemlich schlechtes Jahr - habe das aber mit Psychotherapie etc. wieder in den Griff gekriegt.
Es war schwer nach so etwas wieder in einen normalen Alltag reinzufinden und sich so zu verhalten, wie das von einem erwartet wird und nicht in Depressionen zu verfallen. Ein Jahr habe ich wie gesagt gebraucht um mich wieder zu fangen. Und das war keine schöne Zeit.
Ich erinnere mich dass ich oft auf dem Balkon stand und da runter wollte - oder sehr nah an der Ampel an die fahrenden Autos gegangen bin - um das alles zu spüren, zu begreifen.
Ich muss sagen, das mich rückblickend mehr die Situation erschreckt hat im Krankenhaus - das Sterben selbst - und was das mit meiner Familie gemacht hätte, wie ich die Leute zurückgelassen hätte, wie viel Leid ich damit erzeugt hätte wenn ich gestorben wäre.
Mich hat es komischerweise aber immer beruhigt, dass alles, was da ist, auch weiterhin da sein wird - auch wenn ich tot bin. Meine Liebsten, meine Freunde, die Natur - das alles bleibt.
Nur ich gehe weg.
Es gibt zwar auch Momente, wo ich mit Schrecken daran denke, wie mir irgendwann alles egal wurde im Krankenhaus - kurz bevor die mich behandelt haben - wo man alles mit mir hätte machen können, ich hätte mich nicht mehr gewehrt... Aber im Großen+Ganzen ist es bei mir anders herum - ich habe weniger Angst vor dem Totsein selbst als vor den Umständen die dazu führen und dem, was das mit den anderen macht.
Dass ich dann ab einem gewissen Punkt nicht mehr da sein kann, dem andern seine Sorgen nehmen kann was mich angeht und sagen kann: es ist alles ok, ich bereue nichts - bitte pass gut auf die anderen auf, ich gehe jetzt.
Ich muss nun nach 8 Jahren demnächst wohl das erste Mal wieder in ein Krankenhaus - und dementsprechend kommt mir einiges wieder hoch. Ich hatte neulich sogar ein leichte Panikattacke als ich beim Bäcker an der Theke stand.
Deshalb bin ich auch hier unterwegs...
Ich dachte, vielleicht kann der ein oder andere aus meiner Sichtweise für sich mal einen anderen Ansatzpunkt rausholen - wer weiss... ich hätte mir damals, als das akut war, so ein Forum gewünscht, bzw, so einen Austausch wie hier.
Liebe Grüße, heyjude
20.11.2010 15:11 •
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