Zitat von Fauda: Lieber Bubbles,
die Bezeichnungen der psychischen Diagnosen sind im Fluss. Wir sind keine Maschinen, bei denen eine defekte Zündkerze oder ein Kolbenfresser festgestellt werden kann. Die Diagnosen unterliegen den Moden, den Zeiten, dem Zeitgeist und den Festlegungen von Gremien wie der WHO. Was vor hundert Jahren als Krankheit bezeichnet wurde, gilt heute als gesund. Ich finde es auch ungünstig, sich Diagnosen von Psychiatern und Psychologen geben zu lassen, um sie dann mit dem Spruch: Ich habe XYZ mit und vor sich herzutragen. Warum sage ich das? Weil ich der Überzeugung bin, dass solch eine Bezeichnung und der Gedanke ich habe das Leiden manifestiert. Was man hat, das gibt man nicht wieder weg. Psychische Leiden bieten auch Vorteile: man ist in einem Schonraum, kann sich darauf berufen und ggfs. seine Umgebung damit instrumentalisieren. Ich finde es besser, psychische Leiden als eine Wolke zu sehen, sagen wir mal eine schlimme giftige schwarze Wolke, die auch wieder wegziehen oder sich auflösen kann. Ärzte brauchen die Diagnosebezeichnungen für die Anpassung der richtigen Behandlungsoptionen, die Abrechnung und für die Statistik. Als Patient sollte man meiner Meinung nach aber eher Abstand von Diagnosen nehmen und sich als gesunden Menschen bezeichnen, der leidet.
Liebe Fauda
das finde ich richtig gut geschrieben, vielen vielen Dank, ich konnte davon auch viel mitnehmen! Du hast das so gut und klar zusammen gefasst, genau so sehe ich das nämlich auch! Ich hätte es aber nicht so schnell so gut zusammenfassen können.
Ich finde auch, Diagnosen dienen nur der Orientierung, so wurde es mir auch immer erklärt. Eine gute Therapeutin nutzt sie zur Beantragung der Therapie und zur Orientierung für ihre Arbeit, aber nie um jemand in eine Schublade zu stecken. Und sie kann diese ja auch in Abstimmung mit dem Klienten verändern.
Ein Beispiel wäre ja etwa, dass ein traumatisierter Patient es als sehr belastend empfinden kann, zu berichten, warum er da ist und ihn das erzählen an sich retraumatisiert ggf. Also bräuchte er zunächst Hilfen, also Skills, die ihn in die Lage versetzen, sich aus Überflutungszuständen heraus zu holen, bevor die Inhalte des Traumas vertieft würden beispielsweise.
Wenn ich nichts über diese Diagnose weiß, wäre es in dem Fall schlecht. Jemand anders empfindet es vielleicht sogar als absolut entlastend, sich gleich am Anfang möglichst viel von der Seele zu reden und geht danach positiv gestimmt aus der Sitzung. Das wäre nur ein Beispiel, warum auch ein/e Therapeut/in eben dies zur Orientierung braucht, es sollte aber eben niemals auch sich selbst übergestülpt werden, als wäre ich selbst diese Störung sozusagen.
Meine Psychiaterin hat mir zum Beispiel auch ein Medikament verschreiben wollen, welches passend für die generalisierte Angststörung sein soll. Ich habe sie darauf angesprochen, dass ich das nicht habe, ich habe vor fast nichts Angst und bin im Alltag in aller Regel tendenziell mutiger als andere, sehe weniger Gefahren, stürze mich in Dinge hinein, bei denen andere vorsichtig sind. Ich habe kaum Ängste, nur die traumatisch bedingten ganz klar umrissenen Ängste, die akut getriggert waren zu dem Zeitpunkt. Da sagte sie eben, das ist völlig egal, das Medikament wirkt angstlösend, und es ist einfach nur damals so zugelassen worden, mit dem Indikator der GAS. Das ist aber total unerheblich.
Liebe Grüße,
Nora